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In Bühl und bundesweit

Dutzende Medikamente in den Apotheken der Region nicht lieferbar

Apotheker schlagen Alarm. Gleich dutzendfach sind Medikamente nicht lieferbar. Auch in Bühl gibt es Probleme. „Es ist verdammt schlimm“, sagt Apotheker Christoph Bergbauer. „Die Situation ist grässlich, aber nicht nur in Deutschland, sondern weltweit.“ Nach Auskunft von Bergbauer, der insgesamt drei Apotheken in Bühl und Rastatt betreibt, gibt es Lieferengpässe für zahlreiche Standardmedikamente.

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Apotheker Christoph Bergbauer (links) und sein Kunde Tim Brembt blicken auf den Bildschirm, der kein Ergebnis für ein lieferbares Medikament zeigt. Foto: Ulrich Coenen

Sein Kollege Reimund Maucher, der ebenfalls drei Apotheken in Bühl und Bühlertal führt, sieht das ähnlich. „Und es wird nicht besser“, meint er. „Der Großhandel hat keine Vorräte, die Problematik der Hersteller ist bekannt.“

Wirkstoffe werden oft in Asien hergestellt

Wie die genau aussehen, beschreibt Bergbauer: „Die Wirkstoffe für die Medikamente werden überwiegend im Ausland, oft in Fernost, hergestellt. Sie werden dann an die Hersteller geliefert, die die Medikamente produzieren. Das ist ein globaler Markt.“

Bergbauer erinnert an den Valsartan-Skandal im Juli 2018. Der Wirkstoff für das Medikament zur Behandlung von Bluthochdruck und leichter bis mittelschwerer Herzinsuffizienz wurde beim chinesischen Wirkstoffhersteller verunreinigt. „Valsartan musste vom Markt genommen werden und war monatelang nicht lieferbar“, berichtet der Apotheker.

Hoher Preisdruck

Das Problem ist offensichtlich. „Wir produzieren nicht mehr in Deutschland, sondern in Billiglohnländern“, erklärt Bergbauer. „Das hat mit dem Preisdruck zu tun.“ Deutschland sei im Hinblick auf verschreibungspflichtige Medikamente im Vergleich zu den westeuropäischen Nachbarn längst kein Hochpreisland mehr.

„Weil die Pharmakonzerne ihre Produkte dort auf den Markt bringen, wo der Gewinn am höchsten ist, wird die Situation verschärft.“

Exklusivverträge der Kassen erfordern große Kapazitäten

Der Bühler Apotheker weist darauf hin, dass die gesetzlichen Krankenkassen Exklusivverträge mit Medikamentenherstellern abschließen. „Um die Nachfrage für die Versicherten einer großen Krankenkasse zu decken, braucht der Hersteller aber riesige Kapazitäten, die er nicht sofort aufbauen kann“, sagt Bergbauer.

So schauen er und seine Kollegen immer häufiger auf der vergeblichen Suche nach Medikamenten auf die Bildschirme ihrer Computer.

Bergbauer plaudert aus dem Nähkästchen: „Eine unbewiesene These behauptet, dass Generika-Hersteller, die bei den Verträgen mit den Kassen leer ausgegangen sind, anschließend alle Bestände der jeweiligen Wirkstoffe aufkaufen, damit der Mitbewerber nicht liefern kann.“

Unbestritten ist, dass der Markt hart ist. Ist ein Medikament beispielsweise für AOK-Kassenpatienten nicht lieferbar, dürfen die Apotheker nach Rücksprache mit dem Arzt auch ein anderes aushändigen. Der Aufwand ist aber nicht unerheblich. Immerhin ist jedes Mal ein Anruf in der Praxis fällig und der Arzt muss dafür seine Behandlung anderer Patienten unterbrechen.

Vorbild Frankreich: Mit Exportverboten für Mangelware

Aus Sicht von Christoph Bergbauer gibt es eine gesetzliche Lösung für das Problem, die in Frankreich bereits gut funktioniert. Dort werden Medikamente, an denen landesweiter Mangel besteht, gelistet. Sie dürfen dann nicht mehr ins Ausland exportiert werden, weil dort vielleicht höhere Preise zu erzielen sind. „Ein solches Gesetz wünsche ich mir für Deutschland“, fordert Bergbauer. „Auf unserem Markt fehlt die Transparenz.“

Eine Empfehlung hat der Apotheker an die Patienten. Bei Dauermedikamenten sollten sie die Tabletten nicht bis auf den letzten Blister aufbrauchen, sondern sich rechtzeitig um ein neues Rezept bemühen. „Die Patienten sollten außerdem ihren Apothekern vertrauen“, sagt Bergbauer. „Wir tun alles erdenklich Mögliche, um die Medikamente zu bekommen.“

Landesregierung kennt das Problem

Die Lieferengpässe bei Medikamenten sind auch der Landesregierung bekannt. „In der Tat wird von verschiedener Seite im Land zuletzt vermehrt gemeldet, man sei mit Lieferengpässen von Arzneimitteln konfrontiert“, berichtet Markus Jox, Pressesprecher des Ministeriums für Soziales und Integration Baden-Württemberg auf BNN-Anfrage.

„Wobei – das muss auch gesagt werden – nicht jeder Lieferengpass automatisch immer zu einem Versorgungsengpass führt, da häufig alternative Arzneimittel (mit demselben Wirkstoff) verfügbar sind. Wir möchten nach wie vor festhalten, dass die Arzneimittelversorgung in Deutschland und auch Baden-Württemberg insgesamt gut ist.“

Vielfältige Gründe

Die Gründe für Lieferengpässe sind nach Auskunft von Jox vielfältig. Dazu gehören herstellungsbedingte Ursachen wie Produktionsprobleme, Engpässe bei Ausgangsstoffen, aber auch nicht vorhersehbare Nachfrageschwankungen.

„Aus Kostengründen werden außerdem immer mehr Wirkstoffe in Indien, China und weiteren Ländern in Fernost produziert“, sagt er. „Kommt es dann dort beispielsweise zu Qualitätsmängeln, zu Insolvenzen oder Produktions- und Lieferproblemen, treten schnell weltweit Lieferengpässe auf.“

Rabattverträge problematisch?

Jox weiter: „Was die ebenfalls in diesem Zusammenhang genannten Rabattverträge angeht, gehen die Einschätzungen auseinander. Die Krankenkassenseite argumentiert, Lieferengpässe im ambulanten Bereich seien die absolute Ausnahme, weil im Einzelfall auf Generika ausgewichen werden könne, die Versorgung sei auch mit Rabattverträgen in jedem Fall sichergestellt.

Aus unserer Sicht können Rabattverträge indes durchaus eine von mehreren möglichen Ursachen für Lieferengpässe sein. Denn es erhalten nur einzelne Hersteller den Zuschlag für bestimmte Arzneimittel für die Versicherten einer Kasse. Fällt dann ein Rabattvertrags-Partner wegen Produktionsproblemen aus, kann ein anderer Hersteller oftmals nicht so kurzfristig einspringen.“

Jour Fixe beim Bundesinstitut und Gespräche mit Apothekerkammer

Nach Mitteilung des Pressesprechers wurde aktuell ein Jour Fixe beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) unter Beteiligung der Bundesoberbehörden und von Fachkreisen eingerichtet. „Dort werden Maßnahmen erörtert, um Lieferengpässe zu vermeiden oder deren Auswirkungen abzumildern“, sagt Markus Jox.

„Auch wird es ein Gespräch unseres Hauses mit der Landesapothekerkammer geben, in dem wir mögliche Ansatzpunkte im Land besprechen werden. Hilfreich wären aber in erster Linie auch bundesgesetzliche Regelungen wie beispielsweise die verbindliche Vorgabe, europäische Produktionsstandorte bei der Vergabe zu berücksichtigen und Rabattverträge stets mit mehreren Vertragspartnern abzuschließen, um Ausfälle kompensieren zu können.“

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