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Fridays for Future in Bühl

Ein lauter und deutlicher Klimaprotest

Die Fridays-for-Future-Demonstrationen sind in Bühl angekommen. Nach Polizeischätzungen waren mehr als 500 Menschen beteiligt, darunter auch viele Erwachsene. Mit lautstark skandierten Parolen machten sie auf ihr Anliegen aufmerksam.

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Fridays-for-FutureÒ-Aktion in BŸhl †berall in Deutschland wird fŸr den Klimaschutz demonstriert. Am Freitag gehen die SchŸler erstmals in BŸhl auf die Stra§e. Foto: Bernhard Margull
Von Wilfried Lienhard und Katrin König

Das Gesprächsthema Nummer eins auf dem Kirchplatz ist an diesem Freitagmorgen das Wetter. Das mag bei einer Demonstration gegen die Folgen des Klimawandels und die aktuelle Klimapolitik nicht weiter verwunderlich sein, aber im Sinne der Fridays-for-Future-Organisatoren und der demonstrierenden Schülerinnen und Schüler ist es sicher nicht: Es regnet teils heftig, während mehrere Redner auf dem Kirchplatz zu den Teilnehmern der Veranstaltung sprechen. Das Wetter meint es nicht gut mit dem Klima.

Das Wetter meint es nicht gut mit dem Klima

Blitz, Donner und Regen kommen gegen das Engagement der Jugendlichen aber nicht an. Von mehr als 500 Teilnehmern spricht Walter Kautz, der Leiter des Bühler Polizeireviers. Später wird er bilanzieren, dass die Organisatoren ihre Sache gut gemacht hätten und alles friedlich geblieben sei. Zu friedlichem Protest hat zu Beginn auch Katrin Khandali vom Organisationsteam aufgerufen: „Seid laut, aber bleibt friedlich.“

Gemeinsam mit Sofie-Katrin Pfeifer und Marie Seiler berichtet sie am Rande von den Vorbereitungen, die vor eineinhalb Monaten begonnen hätten. Nach der Klimademonstration Anfang Juni in Achern hätten sie Kontakt mit den dortigen Organisatoren aufgenommen, um auch von deren Erfahrungen zu profitieren.

"Dieser Streik wird weitergeh'n"

Timo Müller bringt die Menge musikalisch in Fahrt, ehe Katrin Khandali sie auf die kommenden Minuten einstimmt. Parolen werden übungshalber skandiert: „Streik in der Schule, Streik in der Fabrik, das ist unsere Antwort auf eure Politik“ oder auch (was manch älterer Teilnehmer in ähnlicher Form vielleicht aus jüngeren Jahren kennt) „Leute, lasst das Gucken sein, reiht euch in die Demo ein“ und „1,2,3,4, für das Klima sind wir hier, 5,6,7,8, RWE wird plattgemacht, 9 und 10, dieser Streik wird weitergeh'n.“

Letzteres ist mehr als eine Floskel, denn in den kommenden Wochen, auch in den Sommerferien, wollen die Schülerinnen und Schüler weiter auf die Straße gehen, ob in Bühl oder anderswo, wie einige von ihnen sagen. Die Parolen korrespondieren mit den oft witzig-originellen Sprüchen auf vielen Schildern und Plakaten: „Früher war Fisch in Plastik, heute ist anders rum“, heißt es beispielsweise.

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Mit einer Kundgebung auf dem Kirchplatz begann die erste Fridays-for-Future-Demonstration in Bühl. Foto: Margull Foto: None

OB hält kurze Ansprache

Oberbürgermeister Hubert Schnurr bringt eine „offizielle“ Note ins Geschehen ein. Er findet es gut, dass demonstriert wird, wie er in seiner kurzen Ansprache sagt. Für bemerkenswert hält er es auch, dass auch Erwachsene dabei sind, darunter Mandatsträger aus dem Gemeinderat. Das Gremium habe den Klimanotstand ausgerufen, um deutlich zu machen, „dass wir mehr tun müssen als bisher“. Schnurr kündigt an, sich mit den Sprechern der Bühler Fridays-for-Future-Gruppe zusammensetzen zu wollen, um darüber zu sprechen, „wie wir ihr Anliegen unterstützen können, um gemeinsam etwas zu erreichen“.

Kämpferische Schülerrede

Hendrik van Klinken vom Windeck-Gymnasium hält eine kämpferische Rede. Er kritisiert den Baden-Badener CDU-Bundestagsabgeordneten Kai Whittaker. Dieser habe bei einer Podiumsdiskussion gesagt, „dass es nicht entscheidend sei, ob jeder Einzelne mit dem Fahrrad zur Schule fahre, denn er sieht die Lösung in ’modernen Technologien, Forschung und Innovation’“. Damit suggeriere er, dass „irgendjemand bestimmt plötzlich und vor allem noch rechtzeitig mit einer bahnbrechenden, weltrettenden Idee um die Ecke kommt“. Das sei grob fahrlässig.

Auch die anderen Parteien unterschätzten das Ganze und sprächen von zu viel Panikmache: „Wenn die Wissenschaft sagt, wir haben noch ein Jahrzehnt, um eine völlige Katastrophe zu verhindern, aber gleichzeitig regierende Politiker die geforderten Handlungsmaßnahmen von Wissenschaftlern ignorieren, ist es dann Panikmache?“

Van Klinken macht aber auch deutlich, dass jeder etwas tun müsse, gesteht ein, dass auch die Jugend gelegentlich die Doppelmoral lebe: „Wir sind gefordert, uns selbstkritisch zu hinterfragen und bewusster zu leben. Nicht übermorgen, nicht morgen, sondern heute.“ Eine große Idee müsse jeden Tag im Kleinen gelebt werden: „Wenn wir das tun, haben wir eine Chance. Aber nur dann.“ Die Botschaft kommt an: Die Schülerinnen tragen sie auf die Bühler Straßen. Laut und deutlich.

"Gigantisches Artensterben"

Wenn dem Klimawandel kein Einhalt geboten wird, erwarten uns ein gigantisches Artensterben, Ernteausfälle, Hungersnöte, Waldbrände, Auslöschung von Lebensräumen und in der Folge „unvermeidbare Kriege“: Das ist das Szenario, das Katrin Khandali und Maren Seiler nach der Demo durch die Innenstadt auf der Bühne am Kirch- und Marktplatz heraufbeschwören. Diesen Prognosen setzen die Rednerinnen freilich ihren Kampfgeist entgegen: „Noch haben wir die Chance, die Klimakatastrophe abzuwenden!“

Forderungen an die Politik

Ihre Forderungen an die Politik reichen vom Kohleausstieg bis zur Steuer auf klimaschädliche Treibhausgase. Auch sich selbst verschonen sie nicht: Bewusster, kritischer, weniger verschwenderisch leben, so lässt sich ihr Aufruf zusammenfassen. Unter den Zuhörern sind, und das überrascht dann doch, recht viele Erwachsene – Großeltern, Eltern. Lehrer, Politiker, Sozialarbeiter. „Warum ich hier bin? Für die Zukunft!“, sagt CNR-Lehrerin Kerstin Tausend, die ihre Schüler im Schlepptau hat.

Weitere Lehrer berichten von Freistunden, die sie dem Ziel Klimaschutz gern opfern. So auch Barbara Becker vom Windeck-Gymnasium, in Personalunion Gemeinderätin. Sie zeigt sich begeistert über die Willensstärke der jungen Menschen: „Ich finde es unglaublich, dass die Kids dem Starkregen getrotzt haben. Sie haben klar gemacht, dass sie sich nicht abhalten lassen. Es waren viele Demonstranten da, bei gutem Wetter wären sicher noch viel mehr gekommen.“

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Originelle Sprüche zierten Schilder und Plakate. Foto: Margull Foto: None

Kein weißer Fleck mehr

Eine Mutter erzählt, von ihren Kindern motiviert worden zu sein, an der Aktion teilzunehmen. Ob diese auf lokaler Ebene viel bewirkt, erscheint ihr zweitrangig. „Es geht doch vor allem darum, dass kein weißer Fleck auf der Landkarte bleibt, sondern flächendeckend demonstriert wird. Die kleinen Aktionen muss man im großen Kontext sehen.“ Ein Großvater möchte schlichtweg seine Unterstützung für die Jugendlichen zeigen: „Das Thema betrifft uns alle.“ Manche Eltern haben Babys im Kinderwagen dabei, Kleinkinder sitzen auf Schultern, der achtjährige Nick wiederum demonstriert schon selbst aktiv mit. Plakat in die Höhe gereckt, lauscht er den Rednerinnen konzentriert. „Heute müssen wir uns Sorgen machen, nicht erst morgen“, hat er auf die Pappe geschrieben. Sein Vater berichtet, dass er den Sohn auf dessen Wunsch hin schon auf Demos bis nach Frankfurt begleitet hat.

Auftritt der Schulband nicht möglich

Während die Aktion sich nach einer guten Stunde allmählich auflöst, äußert Mitinitiatorin Sofie-Katrin Pfeifer große Freude darüber, dass trotz Gewitter „so viele Menschen gekommen sind“. Enttäuschung herrscht im Orga-Team nur darüber, dass der geplante Auftritt der Windeck-Schulband ausfallen musste. „Die Instrumente wurden von der Schulleitung unter Hinweis auf die Auflagen der Stadt nicht freigegeben.“ Klaus Dürk, Leiter des zuständigen städtischen Fachbereichs, klärt auf: „Schulequipment darf nur für schulische Veranstaltungen freigegeben werden. Das habe ich der Schulleitung auf Nachfrage auch so mitgeteilt.“ Konkret sei allerdings nur die Beschallungsanlage Thema gewesen. „In dem Fall haben wir den Organisatoren eine Brücke gebaut: Da auch der Oberbürgermeister reden wollte, haben wir ihnen für die Aktion die städtische Anlage überlassen. Mehr kann von unserer Seite und auch von Schulleitern wohl nicht erwartet werden.“ Das Wetterchaos setzt sich auch nach der Demo fort. Man mag das in den großen Kontext setzen.

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