Mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs beginnt für Bühl ein Kapitel, das bis 1999 dauern sollte. Die französische Besatzungsmacht macht die Stadt zu einem wichtigen Standort für ihre Truppen in Deutschland, die von hier aus versorgt werden.
Als in den Mittagsstunden des 14. April 1945 französische Truppen Bühl erreichen, ahnt niemand, welches Kapitel der Bühler Geschichte hier beginnen würde. Die Stadt wird zu einem wichtigen Standort der französischen Streitkräfte, die hier ein zentrales Versorgungswerk für ihre Truppen in Deutschland errichten: das Economat de l’Armée française en Allemagne.
Bis Ende 1999 prägen die Franzosen nicht nur ein Stück weit das Stadtbild, sie schaffen auch Arbeitsplätze. Als sie Bühl verlassen, gehen sie als Freunde.
Drama an der Panzersperre
Dabei hatte an jenem Apriltag vor 75 Jahren nichts auf den Beginn einer wunderbaren Freundschaft hingedeutet. Mehrere Menschen sterben. Das erste Bühler Opfer an diesem Morgen stirbt allerdings durch deutsche Mordhand.
Als sich der 70-jährige Karl Fanz dem Befehl widersetzt, eine Panzersperre zu schließen, lässt ein Oberleutnant ihn auf der Stelle erschießen. Drei Bühler sterben bei der Besetzung; außerdem wird der Bühler Bürger Josef Reith nach einer Militärgerichtssitzung von den Franzosen standrechtlich erschossen. Der Fall ist bis heute nicht restlos aufgeklärt.
Ausgiebige Plünderungen
Weil die Deutschen am Tag vor der Besetzung die Bühlot-Brücke in der Stadtmitte gesprengt haben, gibt es ausgiebige Plünderungen. Dann spitzt sich die Situation zu: Gewaltige Detonationen erschüttern die Stadt, das Brennstofflager in der Obstmarkthalle brennt.
Die französischen Truppen nehmen zehn Bürger als Geiseln, von denen fünf erschossen werden sollen, falls sich der Brandstifter nicht meldet. Erst als sich herausstellt, dass das Feuer auf polnische Zwangsarbeiter zurückgeht, nimmt das Militär die Drohung zurück.
Bühl ist eine tote Stadt; keine Bahn, keine Post geht, viele Geschäfte sind geschlossen.Tagebucheintrag vom 1. Mai 1945
Friedhofsruhe in der Stadt
Dann kehrt Ruhe ein; nicht wenigen Zeitgenossen erscheint sie als Friedhofsruhe: „Bühl ist eine tote Stadt; keine Bahn, keine Post geht, viele Geschäfte sind geschlossen“, schreibt der frühere Lehrer Ernst Huber in sein Tagebuch. Die Franzosen reglementieren den Alltag streng, es wird kräftig requiriert, viele Wohnungen werden beschlagnahmt. In einem Lager im heutigen Bühler Stadtteil Altschweier werden lokale Nazi-Größen festgesetzt.
Eine Stadt in der Stadt
Als sich der Pulverrauch endgültig gelegt hat und die Franzosen – möglicherweise wegen der Nähe zum Baden-Badener Hauptquartier – Bühl zur Economat-Zentrale machen, beginnen sie die Stadt zu „vergrößern“. Westlich der Bahnlinie entstehen nicht nur ganze Wohnviertel, auch Werkstätten und Fabriken werden errichtet, darunter eine Fleisch- und Wurstfabrik und eine Bäckerei. Eine Schule, ein Kino und ein Offizierskasino gibt es.
Das „Franzosenviertel“, wie das Gebiet mitunter genannt wird, ist eine Stadt in der Stadt. 1955 werden hier bereits 140 Millionen D-Mark umgesetzt. Auch als Arbeitgeber sind die Franzosen gefragt: Mitte der 50er Jahre finden mehr als 250 Deutsche Arbeit. Am anderen Ende der Stadt wird das Krankenhaus „Francis Picaud“ gebaut.
1999 ziehen die Franzosen ab
Als mit dem 20. Jahrhundert auch dieses Kapitel endet, verlassen gute Freunde die Stadt, nicht wenige Franzosen bleiben hier: Sie haben Wurzeln geschlagen. Für die Stadt beginnt eine neue Herausforderung: die Konversion der von den Franzosen genutzten Flächen. Aber dies ist eine ganz andere Geschichte.