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Schwarzwaldhochstraße

Hundseck: Abstieg vom mondänen Kurhotel zur traurigen Ruine

Die Schwarzwaldhochstraße mit ihren einstmals mondänen Höhenhotels ist längst ein Problemfall. Stellvertretend für die Misere steht das ehemalige Kurhaus Hundseck, das nach dem Teilabriss 2012 nur noch eine hässliche Ruine ist. Politik und Gerichte scheinen machtlos. Von der ruhmreichen Geschichte ist nichts geblieben.

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Das Ende einer Legende an der Schwarzwaldhochstraße: Der Bagger riss am 20. November 2012 das prägnante Turmdach des alten Kurhauses Hundseck weg. Foto: Ulrich Coenen

Wo Konrad Adenauer in den 1950er Jahren geschwommen ist, gibt es heute nur noch eine Ruine: das ehemalige Kurhaus Hundseck. Bekanntlich war Bühlerhöhe zwischen 1953 und 1957 das bevorzugte Ferienziel des ersten deutschen Bundeskanzlers.

Doch das Flaggschiff der Hotellerie an der Schwarzwaldhochstraße hatte damals noch kein Schwimmbad, Hundseck schon. In ihrem 2016 erschienen Polit-Thriller „Bühlerhöhe“, in dem Adenauer während seines Urlaubs von Terroristen ermordet werden soll, beschreibt die Kölner Schriftstellerin Brigitte Glaser Adenauers Schwimmbadbesuche in Hundseck. „Das war wie die höheren Weihen“, stellt sie in ihrem Bestseller fest.

Einstiger Glanz ist vergangen

Vom einstigen Glanz ist nichts geblieben. Kommunalpolitiker bezeichnen das frühere Kurhaus, das sich im Höhengebiet von Ottersweier befindet, allerspätestens seit dem Teilabriss im November 2012 als Schandfleck.

Die Stadt Bühl, die im Rahmen der Verwaltungsgemeinschaft mit der Gemeinde Ottersweier zuständige Baurechtsbehörde ist, ließ das seit 1982 fast durchgehend ungenutzte Gebäude wegen Einsturzgefahr abreißen. Bereits im Sommer 2011 hatte die Stadt das alte Kurhaus wegen erheblicher Sicherheitsbedenken hermetisch absperren lassen.

Alle Türen und Fenster wurden mit Brettern von Zimmerleuten gründlich verbarrikadiert, um leichtsinnige Jugendliche fernzuhalten, die regelmäßig durch die zertrümmerten Scheiben einstiegen, um Party zu machen. Durch das undichte Dach eindringendes Regenwasser hatte die Holzdecken morsch werden lassen. In der einstigen Nobelherberge herrschte Lebensgefahr.

Hundseck: Orkan wurde zum Schicksal

Die finale Katastrophe hatte am 13. November 2010 mit Orkan Carmen, der Teile des in die Jahre gekommenen Daches einfach wegriss, begonnen. Die beiden türkischen Eigentümer unternahmen nichts, obwohl die Nachbarn damals ihre Grundstücke nicht mehr erreichen konnten. Sie reagierten auch nicht auf die Aufforderungen der Behörden.

Wie konnte es so weit kommen? Hundseck ist die traditionsreichste Gaststätte an der Schwarzwaldhochstraße und wird im Grundbuch der Gemeinde bereits 1818 als strohgedeckte kaminlose Schwarzwaldhütte mit der Berechtigung zu einer Buschwirtschaft erwähnt.

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Dsa Kurhaus Hundseck war in seinen Glanzzeiten in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts eine der wichtigsten Adressen an der Schwarzwaldhochstraße. Foto: Stadtgeschichtliches Institut Bühl

Der Aufschwung kam ab 1886 mit dem neuen Eigentümer Andreas Hammer aus Neuses bei Bad Mergentheim. Er hatte kurz zuvor Sophie Wenk, die Tochter des wohlhabenden Bühler Brauerei- und Hotelbesitzers Hermann Wenk, geheiratet. Der hatte bereits 1869 die Zeichen der Zeit erkannt und sich vom renommierten Baden-Badener Villenarchitekten Julius Knoderer das Bühler Bahnhofshotel bauen lassen.

Bahnhöfe waren im 19. Jahrhundert das „Tor zur Welt“, in dessen Nähe die fortschrittsgläubigen Bürger ganz bewusst ihre prächtigen Villen bauten. Wenk wollte, wie viele Investoren der Zeit, mit seinem Hotel in dieser exklusiven Wohnlage von der modernen Form des industrialisierten Reisens profitieren.

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Das Bahnhofshotel Wenk in Bühl im frühen 20. Jahrhunderts. Foto: Stadtgeschichtliches Institut Bühl

„Stararchitekt” aus Baden-Baden plante

Andreas Hammer lernte schnell von seinem Schwiegervater. 1892 machte er Stefan Maushart zu seinem Teilhaber. 1896 tat er es seinem Schwiegervater nach und beauftragte mit Wilhelm Vittali einen der führenden Hotelarchitekten in Baden mit dem Ausbau des kleinen Gasthauses zu einem mondänen Höhenhotel. Vittali war später Partner des noch berühmteren Hermann Billing in Karlsruhe, der zu den bedeutendsten Architekten des Jugendstils in Deutschland zählte.

Vittali gab dem Kurhaus Hundseck die unverwechselbare Gestalt mit dem prägnanten viergeschossigen Eckturm am Abzweig von der Schwarzwaldhochstraße nach Hundsbach, die es bis zum Teilabriss 2012 behalten sollte. Die große dreiflügelige Hotelanlage hatte ein Untergeschoss aus aufwendig gearbeiteten Werksteinquadern und zwei mit Holz verschalte Obergeschosse, die sich wunderbar in die Schwarzwaldlandschaft fügten.

Lieber nach Bella Italia

Hundseck war bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkriegs eine Erfolgsgeschichte und entwickelte sich zu einem Zentrum des Wintersports. Im Sommer lockte das Freibad auf 884 Höhenmetern die Gäste. Nach dem Krieg wurde das Hotel bis 1947 von französischen Truppen beschlagnahmt, bevor es 1948 wiedereröffnet wurde.

Die letzte Blüte dauerte nur wenige Jahre, denn die Urlauber zog es jetzt lieber nach Italien als in den Schwarzwald. 1957 verkauften die Familien Hammer und Maushart Hundseck an die Ruhrknappschaft (die spätere Bundesknappschaft) in Bochum. Mit dem Niedergang des Bergbaus wurde auch die Kurklinik für die Kumpel obsolet. 1982 war Schicht.

Ein Eigentümer folgte jetzt dem anderen. Keiner hatte ein tragendes Konzept. Die Apartmentanlage einer Mannheimer Wohnungsbaugesellschaft wurde in den 1980er Jahren ebenso wenig eröffnet wie der Ashram eines Gurus in den 1990ern. Auch das Jugendhotel und das Ein-Sterne-Hotel kamen nicht zum Tragen. Wegen seines desolaten Zustands wurde Hundseck 1998 aus der Denkmalliste gestrichen.

2007 gab es die erste Zwangsversteigerung, weitere folgten. Sie zogen auch Glücksritter an, die nicht investieren konnten oder wollten. Der von der Stadt Bühl veranlasste und finanzierte Teilabriss im November 2012 machte die Sache nicht besser. Die Zukunft ist völlig offen.

Mit Haftbefehl gesucht

Das Thema Hundseck ist für juristische Laien inzwischen kaum mehr zu durchschauen. Nach dem Teilabriss 2012 fühlten sich die beiden Eigentümer, die sich zuvor nicht um ihre Immobilie gekümmert hatten, von den Behörden ungerecht behandelt. Sie riefen 2014 den Petitionsausschuss des Landtags an und klagten 2015 gegen die Stadt Bühl auf Schadensersatz. Beides war vergeblich.

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Kurz vor dem Abriss herrschte im Trepopenhaus des alten Kurhauses Lebensgefahr. Foto: Ulrich Coenen

Das Landratsamt Rastatt leitete 2013 ein Bußgeldverfahren gegen die Eigentümer ein, weil sie den Bauschutt nicht weggeräumt hatten. Den Widerspruch der Eigentümer wies das Regierungspräsidium Karlsruhe zurück. Das Landratsamt ließ den Bauschutt schließlich auf eigene Kosten abtransportieren und zwar im Wege der Ersatzvornahme, wie dies im Juristendeutsch heißt. Zwischenzeitlich wurde sogar einer der Eigentümer, der abgetaucht war, per Haftbefehl gesucht.

Machtlose Politik schaut zu

2015 startete ein Nachbar der Ruine eine vergebliche Petition. Er wollte die Gebäudereste auf der Grundlage der naturschutzrechtlichen Beseitigungsverfügung des Landratsamts Rastatts komplett abreißen lassen. Der „Runde Tisch“ mit Vertretern der Gemeinde Ottersweier, der Stadt Bühl, des Landratsamtes und den drei Landtagsabgeordneten im selben Jahr brachte keinen Durchbruch. Das Land will bis heute den Komplettabriss der Ruine nicht finanziell unterstützen.

Die unterschiedlichen Rechtsauffassungen von Regierungspräsidium Karlsruhe und Landratsamt Rastatt machen die Sache nicht einfacher. Dass Regierungspräsidium kassierte 2017 die Verfügung des Landratsamtes von 2013, die die Eigentümer verpflichteten sollte, die Gebäudereste abzubrechen.

Keiner wollte bieten

Im April 2017 sollte Hundseck vor dem Amtsgericht Baden-Baden zwangsversteigert werden. Der Verkehrswert wurde von einem Gutachter auf einen Euro taxiert. Ein Gebot gab es nicht, denn ein Bieter hätte wegen knapp 20 Sicherungshypotheken und der Abrisskosten von 325.000 Euro rund eine Dreiviertelmillion Euro in die Hand nehmen müssen.

Die Fenster des alten Kurhauses wurden wenige Monate vor dem Abriss im Auftrag der Baurechtsbehörde der Stadt Bühl verbarrikadiert, damit keine Jugendlichen mehr einsteigen.
Die Fenster des alten Kurhauses wurden wenige Monate vor dem Abriss im Auftrag der Baurechtsbehörde der Stadt Bühl verbarrikadiert, damit keine Jugendlichen mehr einsteigen. Foto: Ulrich Coenen

Außerdem gibt es seit dem Jahr 2008 eine Auflassungsvormerkung im Grundbuch. Der juristische Fachbegriff hat es in sich. Die beiden Eigentümer haben Hundseck damals an zwei Landsleute verkauft, der Eigentumswechsel wurde aber nicht vollzogen. Dennoch könnten die damaligen Käufer Hundseck jederzeit einfordern. „Die Vormerkung ist das Schlimmste, was einem Ersteigerer in einer Zwangsversteigerung passieren kann“, meinte Rechtspflegerin Angelika Pfistner, die die Versteigerung 2017 leitete.

Mangels Erfolgsaussichten beantragten das Landratsamt Rastatt und die Stadt Bühl sehr kurzfristig die Aufhebung eines neuen Zwangsversteigerungstermins, der auf den 5. Dezember 2019 terminiert war. Das Verfahren ruht nun für maximal ein halbes Jahr.

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