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Elektromobilität

Schaeffler stellt neues Entwicklungsgebäude in Bühl zurück

Die Nachricht schlug in Bühl ein wie eine Bombe. Am Dienstagmorgen informierte der Automobilzulieferer Schaeffler seine Mitarbeiter, dass das geplante Entwicklungsgebäude im Gewerbegebiet Bußmatten zumindest vorerst nicht gebaut wird. Aufsichtsratsvorsitzender Georg F. W. Schaeffler hatte im September 2018 im Rahmen eines Mitarbeiterfestes symbolträchtig den offiziellen ersten Spatenstich für das Prestigeprojekt gesetzt.

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Schaeffler verzichtet auf das neue Entwicklungsgebäude im Bühler Gewerbegebiet Bußmatten, für das die Baugenehmigung bereits erteilt war. Das Foto zeigt das Produktionsgebäude Bußmatten. Foto: Bernhard Margull

Hauptsitz der Automotive-Sparte

Bühl ist seit Januar 2018 Hauptsitz der weltweiten Schaeffler Automotive-Sparte. Die Unternehmensleitung hatte es damals mit dem Spatenstich sehr eilig, obwohl überhaupt noch keine Baugenehmigung für das 60 Millionen Euro teure Projekt durch die Stadt Bühl als zuständige Baurechtsbehörde vorlag. Die folgte im Frühjahr 2019. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich in der Folge des Dieselskandals die wirtschaftliche Lage für den mit 5 500 Mitarbeitern größten Arbeitgeber der Stadt eingetrübt. Das Aus kommt jetzt trotzdem völlig überraschend.

Abschwächung der EBIT-Marge

„Es ist richtig, der geplante Neubau für das neue Entwicklungsgebäude in Bühl wurde bis auf Weiteres zurückgestellt“, bestätigte Petra Wolf, Leiterin der Standortkommunikation bei Schaeffler in Bühl, auf Anfrage dieser Zeitung. „Die Entscheidung beruht im Wesentlichen darauf, dass wir nach wie vor mit Herausforderungen konfrontiert sind, die im vergangenen Geschäftsjahr 2018 zu einer deutlichen Abschwächung der EBIT-Marge unserer Automotive OEM-Sparte geführt haben.“ (EBIT ist eine englische Abkürzung und bedeutet operatives Ergebnis.) Nach Ansicht von Wolf spielen dabei externe und interne Faktoren eine Rolle. „Wie andere Unternehmen in unserer Branche spüren wir zum Beispiel die andauernden negativen Auswirkungen der Fahrzeugzulassungsprobleme durch den neuen WLTP-Zyklus in Europa, die anhaltenden Unsicherheiten bezüglich Handelszöllen und ein rückläufiges Marktwachstum in China“, sagt die Unternehmenssprecherin. (WLTP ist ein neues Abgastestverfahren.)

Hauptsächlich E-Mobilität

Der von Schaeffler zumindest auf die Zeitschiene geschobene Neubau sollte kein Produktions-, sondern ein Entwicklungsgebäude sein. Der Konzern hatte auf einer Fläche von rund 20 000 Quadratmeter Büroräume für rund 500 Personen, eine Kantine, einen Konferenzbereich sowie Prototypenbau und Prüfstände geplant. 350 Arbeitsplätze, hauptsächlich im Bereich E-Mobilität, sollten in den nächsten Jahren neu entstehen. Der von Wurm und Wurm (Bühl) geplante Neubau signalisierte bereits mit seiner anspruchsvollen Architektursprache eine Aufbruchstimmung.

Kein Stellenabbau

Petra Wolf erklärte auf Nachfrage, dass der Abschied von den Plänen für das Entwicklungszentrum „mit der E-Mobilität nichts zu tun hat“. Ein Stellenabbau am Standort Bühl sei außerdem aktuell nicht geplant.

Schichten fallen aus

Dass Schaeffler Probleme hat, hat diese Zeitung in ihrer Printausgabe bereits am 20. Dezember berichtet. Teilweise fielen Schichten aus. Matthias Zink, Vorstand Automotive OEM bei Schaeffler, betonte aber bei einer Pressekonferenz, dass sich die Lage beim größten Arbeitgeber der Stadt langsam normalisiere (wir berichteten am 1. Februar) . „Wir mussten unser Schichtsystem anpassen, sind aber teilweise bereits auf dem Weg zurück“, ergänzte Trudbert Kraus, Leiter Operations, damals. Neben den Abgasuntersuchungen nannte Zink den schwachen chinesischen Markt als Grund für die aktuelle Situation.

OB Schnurr war informiert

Die Stadt wurde von den zumindest vorerst gescheiterten Bauplänen des größten Arbeitgebers in Bühl nicht überrascht. „OB Hubert Schnurr war stets über die Entwicklung informiert und wurde von der Unternehmensleitung auf dem Laufenden gehalten“, erklärte Matthias Buschert, Pressesprecher der Stadt, auf Anfrage unserer Zeitung. „Es ist keine schöne Nachricht, und sie ist offensichtlich den aktuellen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen geschuldet.“ Im Bühler Rathaus hat man aber die Hoffnung auf das Entwicklungsgebäude, mit dessen spektakulärer Architektur Schnurr bereits im Juli 2018 bei der Ausstellung „Regionale Baukultur“ im Karlsruher Architekturschaufenster geworben hatte, nicht aufgegeben. „Aufgeschoben ist nicht aufgehoben“, meinte Buschert.

Kritik von der IG Metall

Norbert Göbelsmann, 2. Bevollmächtigter der IG Metall in Offenburg, erfuhr durch den Anruf dieser Zeitung von den gescheiterten Bauplänen in Bühl. „Ich bin dafür, dass Schaeffler sein Automotive Entwicklungsgebäude wie vorgesehen baut und dafür in geplantem Umfang investiert“, empfiehlt er. „Das ist unumgänglich.“

Wichtig für die Zukunft

Die Forschung für Brennstoffzellen-Technik betreibe der Schaeffler-Konzern in Homburg, während die Elektromobilitätsentwicklung in Bühl angesiedelt sei. „Sie ist vor allem auch wegen des chinesischen Marktes das Thema der nächsten zehn Jahre“, meint Göbelsmann. „Wer bei der Party nicht dabei ist, bleibt auch bei späteren Entwicklungen für die Mobilität der Zukunft mit anderen Technologien draußen.“

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