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Zukunft völlig unklar

Warum das Schloss Bühlerhöhe das Denkmal einer großen Liebe ist

Das Leben von Hertha Isenbart war Abenteuer und Tragödie zugleich. Das Schlosshotel Bühlerhöhe ist das Stein gewordene Vermächtnis der „Generalin“. Um dieses Erbe steht es nicht gut. Das Haus, jahrzehntelang das Flaggschiff der Hotellerie an der Schwarzwaldhochstraße, ist – von einer kurzen Unterbrechung abgesehen – seit 2010 geschlossen.

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In den Formen eines barocken Schlosses hat der Architekt Wilhelm Kreis die Talseite der Bühlerhöhe gestaltet. Foto: Ulrich Coenen

Bühlerhöhe ist ein Mythos. Grund ist nicht allein das traurige Schicksal der Bauherrin, sondern vor allem die spektakuläre Architektur von Wilhelm Kreis. Heute würde man den Düsseldorfer Professor einen Star-Architekten nennen.

Vor einem Jahrhundert befand sich Bühlerhöhe in einer ähnlichen Krise wie heute. Das Schloss im Schwarzwald wurde nämlich in den Jahren 1912 bis 1914 nicht als Hotel, sondern als Offiziersgenesungsheim erbaut. Das ging aber nie in Betrieb.

Ein riesiger Skandal erschütterte die Gesellschaft

Die Architektur Bühlerhöhes ist untrennbar mit der Bauherrin verbunden. Sie wurde 1871 als Tochter des reichen jüdischen Kaufmanns Julius Schottländer geboren und war in erster Ehe mit dem Bankier Carl Pringsheim verheiratet. Diese Beziehung ging in die Brüche, weil sie Oberst Wilhelm Isenbart kennenlernte.

Zum Entsetzen ihrer Eltern ließ sich Hertha scheiden, heiratete den Oberst und trat zum Protestantismus über. Nach diesem gesellschaftlichen Skandal wandte sich die Familie Schottländer von Hertha ab und enterbte sie. Das Pflichtteil betrug aber weit über drei Millionen Reichsmark.

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Die Bergseite Bühlerhöhes orientiert sich an Motiven des mittelalterlichen Burgen- und des neuzeitlichen Festungsbaus. Foto: Ulrich Coenen

Auch Wilhelm Isenbart brachte die Ehe mit der geschiedenen Jüdin kein Glück. Gesellschaftlich wurde das Paar geschnitten. Nach der Beförderung zum Generalmajor musste Isenbart den Militärdienst quittieren. Damit endete nicht nur seine militärische Karriere, auch Herthas großer Wunsch nach gesellschaftlicher Anerkennung in Adels- und Offizierskreisen wurde zerstört. Das Paar fand keinen Zugang zur gesellschaftlichen Oberschicht. So war es fast immer auf Reisen.

Der General starb in Ägypten

Der tragische Wendepunkt in Hertha Isenbarts Leben war der plötzliche Tod des Generals 1908 in Ägypten. Die Witwe war untröstlich. Sie lebte von diesem Zeitpunkt an nur noch für ein Ziel: Sie wollte ihrem geliebten Mann in Form eines Offiziersgenesungsheims ein Denkmal setzen. Dieses sollte dem deutschen Kaiser Wilhelm II. als Schenkung übereignet werden. „Vielen zur Genesung, einem zum Gedächtnis“ ließ sie später als Inschrift über dem Tor zum Schlosshof Bühlerhöhes anbringen.

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Das Treppenhaus Bühlerhöhes gejhört zu den wenigen Räumen im Inneren des Schlosses, die noch original erhalten sind. Foto: Ulrich Coenen

Hertha Isenbart kannte den Schwarzwald von ihren Aufenthalten in Baden-Baden. 1911 beauftragte sie Kreis mit dem Entwurf für ein Offiziersgenesungsheim. Im Innenministerium in Karlsruhe wunderte man sich über das aufwändige Projekt: „Auf den ersten Blick will es eigentümlich erscheinen, dass zur Unterkunft von etwa zwölf Genesung Suchenden eine Anlage in diesem Umfang und mit einem solchen Aufwand erstellt werden soll und zwar an einem landschaftlich bevorzugten Teil der Badener Berge.“

Finanzielle Engpässe gab es bereits während der Bauarbeiten in dem schwer zugänglichen Gelände in 800 Meter Höhe: Wegen der Misswirtschaft eines örtlichen Bauleiters, den Isenbart gegen den Willen von Kreis eingestellt hatte, konnte die Bauherrin das Schloss nicht in der ursprünglichen beabsichtigten Form vollenden. Der zentrale Rundturm erhielt ein Stockwerk weniger als beabsichtigt, und auch auf die grandiose Aussichtsplattform musste verzichtet werden.

Seine ursprüngliche zugedachte Aufgabe als Genesungsheim für Offiziere erfüllte Bühlerhöhe nie. Im September 1914 wollte Hertha Isenbart das Haus Kaiser Wilhelm II. übergeben. Doch einen Monat vorher brach der Erste Weltkrieg aus. Die Regierung hatte jetzt andere Probleme. „Hier stehe ich vor den Trümmern meiner Habe“, sagte die Generalswitwe zu Curt Rüschhoff, einem Assistenten von Kreis. Die Handwerker mussten in den Krieg ziehen. Das Schloss im Schwarzwald lag verlassen, die letzten Arbeiten konnten nur schleppend vollendet werden.

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Die Rotunde steht im Zentrum des Schlosses. Foto: Ulrich Coenen

Hertha Isenbart wurde immer häufiger von schweren Depressionen heimgesucht. Ihr Lebenswerk war verloren, das Millionenvermögen geschmolzen. Von einem Felsen in der Nähe Bühlerhöhes stürzt sie sich in die Tiefe und überlebte wie durch ein Wunder. Nach einem Krankenhausaufenthalt in Baden-Baden zog sie ins dortige Hotel Stephanie und litt erneut unter Depressionen.

Am 5. Juli 1918 nahm sie eine Überdosis Schlaftabletten und starb. Wenige Monate später, am 9. November 1918, dankte Wilhelm II. ab. Es gab kein Reich und keinen Kaiser mehr. Nach dem Tod der Bauherrin wurde das Offiziersgenesungsheim 1920 an private Investoren verkauft und 1921 zu einem Kurhaus umgebaut. Im Laufe der Jahrzehnte erfuhr das Gebäude durch die Hotelnutzung viele unglückliche Erweiterungen.

Bühlerhöhe ist ein imposantes Schloss mit zwei völlig unterschiedlichen „Gesichtern“. Dass seine Häuser zwei grundverschiedene Ansichten haben können, hatte Kreis bereits bei mehreren Villen im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts gezeigt. Die bedeutendste ist Haus Siersdorpp bei Eltville, der Geburtsstadt des Architekten.

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Schloss Stupingi bei Turin ist. das Vorbild für Bühlerhöhe. Foto: Ulrich Coenen

Diese Entwicklung fand ihren beispiellosen Höhepunkt in Bühlerhöhe. Der heiteren Architektur der Talseite in der Formensprache eines barocken Schlosses steht die strenge Bergseite gegenüber, die sich im Hinblick auf die geplante Aufgabe als Offiziersgenesungsheims am Festungs- und Burgenbau orientiert. Vorbild für Bühlerhöhe ist Schloss Stupinigi bei Turin, ein ehemaliges Jagdschloss der italienischen Königsfamilie aus dem 18. Jahrhundert.

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Ein Viadukt führt vom Schloss zum Wilhelmsturm. Foto: Ulrich Coenen

Doch es gibt auch andere Einflüsse. Das Schloss als Denkmal für eine Person oder eine Familie ist eine typische Bauaufgabe des 19. Jahrhunderts. Beispiele sind Burg Hohenzollern, der Stammsitz des preußischen Königshauses, und die Schlösser des bayrischen „Märchenkönigs“ Ludwig II. Bühlerhöhe ist also in prominenter Gesellschaft.

Hier geht es zur aktuellen Situation auf der Bühlerhöhe

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