Der Kauf einer Immobilie ist für die meisten Familien ein einmaliges Ereignis im Leben. Geht dabei wirklich alles schief, ist das für die betroffenen Menschen eine persönliche Katastrophe.
Vor den Trümmern ihrer Träume stehen seit vielen Monaten völlig ohne eigene Schuld gleich mehrere Familien im Baden-Badener Stadtteil Steinbach, die im historischen Städtl jeweils mehrere Hundertausend Euro investiert haben und jetzt vor einer Ruine oder zwei lediglich halbfertigen Gebäuden stehen.
Dass diese traurige Geschichte gleichzeitig eine denkmalpflegerische und städtebauliche Katastrophe ist, macht den doppelten Reinfall perfekt.
Bauträger gaben sich die Klinke in die Hand
Es geht um das schöne Ensemble nördlich des Steinbacher Rathauses, dessen Sanierung von Anfang an unter unglücklichen Vorzeichen hat. Wenig erfolgreiche Bauträger gaben sich die Klinke in die Hand. Insgesamt sind es bis heute drei.
„Wir besitzen eine Wohnung in einer Ruine, die nicht einmal ein Dach hat”, berichtet eine Käuferin. „200.000 Euro haben wir bereits bezahlt.” Der Rest der deutlich höheren Kaufsumme ist glücklicherweise noch nicht geflossen. „Wir haben vor Gericht in zwei Instanzen gegen den Bauträger gewonnen, aber unser Geld trotzdem nicht zurückerhalten. Jetzt streben wir die Zwangsvollstreckung an.”
Die Frau blickt traurig zurück. „Mein Mann und ich fanden das denkmalgeschützte alte Haus so schön und haben uns zum ersten Mal im Leben getraut, etwas zu investieren.”
Erstes Konzept gescheitert
Ein Blick zurück: Das erste Konzept eines Gaggenauer Investors hat diese Zeitung in ihrer gedruckten Ausgabe vom 27. März 2010 vorgestellt. Zwei damals bereits seit Jahren leer stehenden Barockhäuser aus dem 17. und 18. Jahrhundert und die benachbarte nicht denkmalgeschützte Schreinerwerkstatt aus dem frühen 20. Jahrhundert sollten zu acht Eigentumswohnungen und einem Ladenlokal umgebaut werden.
Nachdem 2013 noch kein einziger Kaufvertrag unterschrieben war, trennte sich der Investor von den Immobilien.
Seit 2014 versuchte der zweite Bauträger vergeblich sein Glück. Er übernahm das Konzept seines Vorgängers mit der Aufteilung der drei Häuser in nunmehr neun Wohnungen mit Flächen zwischen 156 und 74 Quadratmetern und Preisen zwischen 528 669 und 249 906 Euro. Auch dieser Bauherr hatte bei der Vermarktung der Wohnungen keinen Erfolg.
Kritik von Denkmalexperten
Das „Aus” für die Pläne der beiden ersten Investoren war alles andere als überraschend. Fachleute hatten vor dem Konzept der Aufteilung der drei Altbauten in ein Dutzend Wohnungen gewarnt. Sie hielten das nicht für nicht erfolgversprechend. Stadtkonservatorin Nicole Schreiber von der Stadt Baden-Baden sah das im Gespräch mit dieser Zeitung am 25. April 2015 ähnlich. „Drei Einfamilienhäuser würden Sinn machen“, meinte sie.
Der dritte Investor hat die Sanierung ab dem Spätjahr 2015 zunächst relativ zügig vorangetrieben. Auf seiner Homepage berichtete ein Karlsruher Makler schließlich, dass die zehn Wohnungen verkauft seien.
Dachstuhl einfach abgerissen
Im Sommer 2018 gab es dann einen handfesten Denkmalskandal. Das baden-württembergische Landesamt für Denkmalpflege musste die beiden denkmalgeschützten Häuser (Steinbacher Straße 49 und 53) aus der Denkmalliste streichen. Anlass waren nicht genehmigte Umbauten. Der Dachstuhl des Hauses 49 wurde innerhalb von nur wenigen Stunden von den Behörden unbemerkt abgerissen. Auch im Inneren gab es gewaltige Eingriffe.
Désirée Bodesheim, Pressereferentin der Landesdenkmalpflege, klagte am 18. Juli 2018 gegenüber dieser Zeitung über den „sehr hohen Verlust an durchaus instandsetzungsfähiger historischer Substanz” . „Die erhaltene beziehungsweise einbezogene Originalsubstanz liegt leider unter 50 Prozent”, berichtete sie.
Stadt verzichtet auf Bußgeld
Baden-Badens Bau-Bürgermeister Alexander Uhlig nannte den Denkmalfrevel in Steinbach ein „Unding“ und „absolut bedauerlich“. Auf ein Bußgeld verzichtete die Stadt allerdings. Am 10. Januar 2019 erteilte sie die Baugenehmigung für die Fortsetzung der Arbeiten. Oberbürgermeisterin Margret Mergen äußerte im Interview mit dieser Zeitung am 26. Februar 2019 Hoffnung, dass dadurch zumindest das wertvolle Stadtbild des Steinbacher Städtl erhalten werden könne. „Es gibt konkrete Auflagen für die Instandsetzung der beiden Gebäude, diese wurden im Bescheid formuliert”, sagte sie. Geschehen ist seitdem aber nicht viel.
Seit Frühjahr 2019 sind die Wohnungen im Haus 53 und in der ehemaligen Schreinerwerkstatt an der Rückseite des Hauses 49 bezogen. Die Fassaden sind aber noch unfertig, vor der Werkstatt steht ein Gerüst. Nach einem Jahrzehnt des Leerstands drohen diesen Häusern aber keine Schäden mehr durch Witterungseinflüsse. Gefährdet ist das wertvollste der drei Objekte (Nr. 49), das seit dem Sommer 2018 kein Dach mehr trägt.
Fast komplett bezahlt
Die Käufer, deren Wohnungen sich in der alten Schreinerwerkstatt und im Haus Nr. 53 befinden, können diese zumindest nutzen, wenn auch mit erheblichen Einschränkungen. „Ich habe bis auf fünf Prozent des Kaufpreises alles bezahlt”, berichtet ein Mann. „Meine Wohnung im halb fertigen Haus ist vermietet. Natürlich muss ich wegen der unzumutbaren Einschränkungen Mietkürzungen hinnehmen. Die von mir eingeplante steuerliche Abschreibung wegen Denkmalschutz war bisher auch nicht möglich.”
Damit die Bewohner der beiden halbfertigen Häuser einigermaßen zurecht kommen, haben die Eigentümer die Sache selbst in die Hand genommen. „Ein Mieter ist auf dem unbefestigten, nur teilweise gepflasterten Hof gestürzt”, berichtet der Käufer. „Wir haben nun mit Fliesbahnen Gehwege ausgelegt, damit die Leute sicher zu ihrer Haustür kommen. Außerdem haben wir ein Regenfallrohr montiert.”
„Ein Trauerspiel” nennt Rebland-Ortsvorsteher Ulrich Hildner die Entwicklung in seinem Städtl. Roland Seiter, Pressesprecher der Stadt Baden-Baden äußert sich gebremst optimistisch: „Die Stadt steht in Kontakt mit dem Rechtsanwalt des Bauherrn. Wir haben die Information, dass die Arbeiten am Gebäude Steinbacher Straße 49 noch in diesem Quartal wieder aufgenommen werden sollen. Die nach dem Orkan Sabine abgelösten oder aufgerissenen Planen müssen wieder geschlossen beziehungsweise gesichert werden, damit das Gebäude nicht weiter leidet, es also auch nicht hineinregnet. Es darf auch keine Gefahr von den losen Planen ausgehen.”
Vom Bauträger war keine Stellungnahme zu erhalten.
Das Steinbacher Städtl ist ein Ensemble, das durch die in großen Teilen erhaltene mittelalterliche Stadtmauer und Ackerbürgerhäuser des 17. bis 19. Jahrhunderts geprägt wird. Oberkonservator Martin Wenz vom Landesamt für Denkmalpflege bezeichnete das Städtl im Interview mit dieser Zeitung am 26. Februar 2011 als „Mini-Rothenburg. Für die mittelbadische Kulturandschaft, in der 1689 durch französische Truppen fast alles zerstört wurde, ist das Städtl in jedem Fall ein besonderes Ensemble. Die beiden denkmalgeschützten Barock-Häuser des späten 17. und 18. Jahrhunderts, die unter der aktuellen Sanierung gelitten haben, sind wichtige Elemente, ohne die die Altstadt viel von ihrer Attraktivität verlieren würden. Das inzwischen ruinöse Haus ohne Dach i st übrigens das älteste erhaltene Fachwerkgebäude und das erste, dass nach der verheerenden Zerstörungen des Krieges von 1689, wieder aufgebaut wurde. Das einstmals repräsentative Haus trug das einzige Mansarddach im Städtl.