Ramona Kühn (58) sitzt an ihrem Laptop, vor ihr ein Geburtshoroskop, für den Laien nur ein Gewirr aus Linien und Symbolen. „Ich könnte ein Horoskop selbst zeichnen, die reine Berechnung per Programm ist aber verlässlich“, bei der Deutung werde es individuell. „Da würde ich nie ein Programm einsetzen.“ 1996 bis 2000 hat sie ihre astrologische Ausbildung gemacht. Die Sternenkonstellationen zum Zeitpunkt der Geburt sind beliebte Grundlage zur Einschätzung eines Menschen. In der Astrologie lebe man mit Vorurteilen und müsse gegen ein zurecht schlechtes Image von Abzockern ankämpfen. Wenn sie etwa Schnellschüsse bei Telefon-Hotlines oder TV Astro-Shows sieht, bei denen minütlich das Geld Rat Suchender abgezogen wird, setze Kopfschütteln ein.
Soll ich den Job kündigen?
„Trennt er sich von seiner Frau und kommt zu mir?“, „Ist das der richtige Partner?“, „Soll ich den Job kündigen?“ Daten würden in Windeseile angeschaut und dann ein Rat erteilt. „Das ist sehr grenzwertig“, denn Ja-oder Nein-Antworten könnten schnell in Not bringen. Verzweifelte Menschen seien leicht zu manipulieren, eine Art Sucht könne entstehen. „Der Kunde darf nicht abhängig von mir werden – man hat eine Verantwortung“, betont sie. Die Astrologie könne aber konkret „Hilfe zur Selbsthilfe“ bieten.
Kritik an Auswirkungen der Technisierung
Dass der Blick sich auf Astrologie richtet, sei auch der rasanten Technisierung zuzuschreiben. „Das Menschliche wurde vernachlässigt, in erster Linie zählen oberflächliche Werte, man soll funktionieren.“ Ein Beispiel sei die Partnerschaft. Trotz diverser technischer Hilfen zur Anbahnung werde es gerade für viele junge Menschen immer schwieriger, einen passenden Partner zu finden, sich langfristig einlassen zu können und zu vertrauen.
Das Funktionieren als enormer Druck
Sich selbst im Alltag finden, das sei oft Ziel der astrologischen Beratungen, so Kühn. Sie ist auch ausgebildete Tagesmutter und Hospizbegleiterin. „Es ist in Deutschland nicht mehr schick, dass jemand Probleme hat – es muss alles gut sein.“ Ob in Beruf, Familie oder beim eigenen Ich. Der Druck sei enorm. Horoskope, den Blick in die Sterne, sehen seriöse Astrologen als Lösungsvorschläge fürs Leben. "Der Mensch muss sich aber bewegen", betont Kühn. "Ein Horoskop will gelebt werden, von nichts kommt nichts." Nur kurzfristig wirkende "Pillen" etwa mit der Aufschrift "Wellness" zu nehmen und dann weiter zu machen wie bisher, das führe in der Regel nicht zu mehr Zufriedenheit.
Mehr zum Thema:Suche nach Charakter und Talenten
Das Sternzeichen ist Mittelpunkt eines jeden Horoskops - die Astrologie ordnet den zwölf Sternzeichen (in welchem Zeichen die Sonne zum Geburtszeitpunkt stand) bestimmte Charakter- und Wesensmerkmale zu. Eigenschaften, Verhaltensweisen und Talente sollen sich ableiten lassen, diverse Einflüsse weiterer Geburtsplaneten fließen mit ein und sollen ein individuelles Gesamtbild ergeben. Der Begriff Horoskop setzt sich im Übrigen aus den altgriechischen Begriffen hora (Stunde) und skopéin (beobachten) zusammen. Nahezu alle Deutschen kennen Erhebungen zufolge ihr persönliches Sternzeichen.
Fordernde Sternenkonstellationen 2020
Und was erwartet uns 2020? Ein Jahr der Entscheidungen. Mit einer Saturn/Pluto-Konstellation ab 12. Januar könne es um die Frage gehen, wo es hakt. „Ängste werden offenbar“, erklärt Ramona Kühn die ersten Wochen des Jahres. Sie erwartet heftige Nachrichten, die Gefahr schneller Urteile und noch stärkeres Schwarz-Weiß-Denken. Die Astrologin warnt indes vor Schnellschüssen. Ab Ende März könne das Arbeiten
an neuen Strukturen und Konzepten dann funktionieren, zur Jahresmitte werde Erkenntnis und Kompromissfähigkeit gefördert. Teilweise lägen Sternenkonstellationen vor, die Astrologen teils "so noch nicht erlebt haben". Dass Pluto nach 240 Jahren wieder in den Steinbock wechsle, das stehe für Umbruch, Erneuerung, Loslassen. „Es liegt ein großer Neuanfang vor uns allen – im Weltgeschehen und im Kleinen.“
In der Not halten Menschen zusammen
Schattenseiten könnten noch mehr sichtbar werden, auch Lügen. "Trump etwa ist nur ein Spiegel. Er sagt, was er denkt", so Ramona Kühn. Das Schild "Fake News" hoch zu halten sei letztlich ein Wegschauen. "Das geht nicht mehr." Sie sieht in den astrologischen Konstellationen einen "energetischen Aufruf". Fridays-for-Future etwa sei letztlich "eine große spirituelle Bewegung". In diesen Zeiten müsse man aus dem Sessel aufstehen, aus der Komfort-Zone heraus. Es sei ein Jahr voller Hausaufgaben, bis Ende 2020 könnten "Dinge leichter anrollen". Mut sei gefragt. Die Hoffnung der Astrologin in diesen fordernden Zeiten: "In der Not halten die Menschen zusammen, gegen den Egoismus", der Pluto-Einfluss verhindere jetzt das Wegschauen.
Stichwort Astrologie: Die Tierkreiszeichen hatten die Babylonier bereits im 7. Jahrhundert vor Christus festgelegt, die Astrologie entstand um 500 vor Christus. Unter Einfluss der Griechen begannen die Babylonier, Schicksale Einzelner herauszulesen. Römische Astrologen brachten es später zu hohem Ansehen, weil sogar die Kaiser ihre Aktionen mithilfe der Sterne planten. Das älteste deutsche Horoskop gehörte Kaiser Barbarossa, erstellt 1164 für seinen Sohn. Im ausgehenden Mittelalter spaltete sich die Astronomie ab, die sich Entstehung, Eigenschaften und Beobachtung des Universums widmete. Erstmals erschien ein Horoskop am 24. August 1930 in einer Zeitung: Im Londoner Sunday Express für die neu geborene Prinzessin Margaret.