Bei Kämmerin Sabine Zenker wurde während der vier Kandidatenvorstellungen eine Liste mit vielen Versprechungen präsentiert, Egon Nagel verteilt Flugblätter, dass er auf alle Fälle die Therme (Kostenaufwand 14 Millionen Euro) sanieren wolle, Klaus Hoffmann hält sich eher bedeckt, und Marc-Yaron Popper will mit den Stadtwerken über die Finanzen wegen der Therme neu verhandeln.
Schulden abbauen - aber wie?
Sabine Zenker, seit zehn Jahren Kämmerin in der Kurstadt, hält sich dezent zurück bei der Frage, wie man den Schuldenstand abbauen könnte: So will sie die Wirtschaftlichkeit der Herrenalber Infrastruktur erhöhen und öffentliche Einrichtungen höher auslasten, plädiert für maßvolles und gesundes Wachstum der Einwohnerzahl sowie die Ansiedlung und den Ausbau von Gewerbe.
Bei Klaus Hoffmann heißt es: Schulden abbauen durch Erhöhung von Einnahmen und Ausgaben. Er verspricht, neue Einnahmen durch Stärkung von Handel, Gewerbe und Tourismus zu erschließen. Zusätzlich kündigt er an, im Falle seiner Wahl „alles auf den Prüfstand zu stellen“.
Bürgerabstimmung als Ausweg?
Marc-Yaron Popper wird noch konkreter: Er will die Bürger darüber abstimmen lassen, wie es mit der hochdefizitären Therme weitergeht. Allerdings ist er sich auch nicht zu schade, bei seinem Auftritt in Bernbach anzukündigen, dass er den Umbau der Mehrzweckhalle angehen wolle, ebenso den Neubau eines Kindergartens oder des dortigen Feuerwehrgebäudes.
Klaus Hoffmann, seit kurzem Gemeinderat, ist mit seinen Versprechungen bezogen auf alle Kandidaten vorsichtiger. Vielleicht in Kenntnis eines Papiers, das seit wenigen Tagen Verwaltung und Gemeinderat von der Rechtsaufsicht vorliegt, und über das vermutlich erst drei Tage nach der Wahl im Gemeinderat berichtet und entschieden wird. Bei der Kandidatenvorstellung in Neusatz fragte ein Bürger Kämmerin Sabine Zenker, ob denn der Haushalt 2019 genehmigt sei.
Im Frühsommer rechtswidrigen Haushalt vorgelegt
Formal korrekt antwortete sie, dass die Genehmigung des zuständigen Landratsamts Calw seit wenigen Tagen vorliege. Dabei verschwieg sie allerdings, dass der Gemeinderat in seiner Mehrheit das Zahlenwerk absegnen muss (was wahrscheinlich ist), dass es rechtskräftig wird. Was sie allerdings auch verschwieg ist, dass sie im Frühsommer dem Landratsamt Calw einen rechtswidrigen Haushalt vorlegte. Vermutlich wissen dies bis heute die meisten Gemeinderäte nicht, weil die nach langem kommunalpolitischem Gewürge erst am 22. Mai für 2019 verabschiedete Haushaltssatzung mittlerweile durch einen Nachtragshaushalt (Anfang September) abgelöst ist.
Dieser Nachtragshaushalt ist rechtskonform, weil, wie aus der Darstellung der finanziellen Gesamtsituation zu entnehmen ist, durch nicht erfolgte Investitionen sich die Finanzlage der Kurstadt nicht verschlechtert hat. So hat die Stadt Bad Herrenalb 2019 zahlreiche große finanzielle Investitionen aufgeführt, die im Wesentlichen durch Zuschüsse hätten finanziert werden sollen. Die Maßnahmen durften nicht begonnen werden, um eine möglicherweise noch eintretende Förderung sowie die Finanzierung nicht zu gefährden. Mit anderen Worten: Fehlende Zuschüsse, was beispielsweise zu Lasten des Baubeginns für den geplanten Neubau des Kindergartens Neusatz/Rotensol ging, sorgten dafür, dass die Etatzahlen der Kurstadt nicht mehr rechtswidrig sind.
Schuldenabbau ist oberste Priorität
Und was schreibt die Rechtsaufsicht Landratsamt noch der Stadtverwaltung Bad Herrenalb bei ihrem Prüfungsbericht zum rechtskonformen Nachtragshaushalt ins Stammbuch? „Die Reduzierung der Gesamtverschuldung ist von der Stadt zwingend mit erster Priorität weiter zu verfolgen. Es sollte angestrebt werden, dass die durch die Stadtkernsanierung im Zusammenhang mit der Gartenschau aufgenommenen Kredite bis 2025 zu einem wesentlichen Teil wieder abgebaut werden. Daraus ist ersichtlich, dass der Stadt mittelfristig wenig finanzielle Spielräume bleiben, um andere größere Investitionsprojekte anzugehen.“
Pro-Kopf-Verschuldung bei fast 3.800 Euro
Die finanzielle Lage der Stadt Bad Herrenalb dürfte angesichts anstehender Pflichtaufgaben, wie dem Bau neuer Kindergärten, dramatischer sein als mancher der Bürgermeisterkandidaten den Bürgern erzählt. Bei der Pro-Kopf-Verschuldung liegt die Kurstadt zum Jahresende bei 3 793 Euro. Der Durchschnitt der Pro-Kopf-Verschuldung von Gemeinden der gleichen Größenordnung (bis 10 000 Einwohner) lag Ende 2017 bei 869 Euro. Kein Wort bei den Kandidatenvorstellungen, auch nicht von der Kämmerin, über die wirkliche Lage der Kurstadt.
So schreibt der Calwer Landrat Helmut Riegger über die Haushaltssituation: „Im Haushaltsjahr 2019 und im Finanzplanungszeitraum bis 2022 werden keine positiven Zuführungsraten erwartet, dies bedeutet, dass der Verwaltungshaushalt mittelfristig in keinem Haushaltsjahr die ordentliche Tilgung in Höhe von 700.000 Euro der Kredite erwirtschaften kann … .“ Folglich werde bis 2022 eine negative Nettoinvestitionsrate eintreten. Will heißen: Es gibt kein Geld für Investitionen. Schlimmer noch: Ende des Jahres wird der Eigenbetrieb Gartenschau aufgelöst. Das heißt, der städtische Haushalt von Bad Herrenalb bekommt noch einmal einen Verlust in Höhe von 600 000 Euro zugewiesen.