Daran, den Flickenteppich im Einzelhandel zu beseitigen, hätten sich schon seine Vorgänger die Zähne ausgebissen, erzählt Rissel, der selbst zwei Schuhgeschäfte in Ettlingen hat. Und jetzt, in der Corona-Zeit, schließen manche Geschäfte sogar noch früher.
Rissel sagt: Sie legen ihre Öffnungszeiten in „kundenunfreundliche Bereiche“. Wer seinen Laden so früh zumache, dass die Käuferschicht, die noch arbeite und somit Geld zum Ausgeben habe, gar nicht mehr zum Einkaufen komme, der brauche sich nicht zu wundern, dass die Umsätze ausbleiben. „Dann braucht man auch nicht jammern“, meint er.
Ich bin ja auch von morgens bis abends da.Christian Rissel, Vorsitzender der Ettlinger Werbegemeinschaft
Klar, die Krise treffe jeden, aber es gebe ja Mittel wie Kurzarbeit, um sie zu abzufedern. Und Solo-Selbstständige oder kleine Betriebe, die von diesem Mittel nicht profitieren – weil sie alleine sind oder nur Aushilfen beschäftigen, bei denen Kurzarbeit keine Option ist – müssten eben einfach länger arbeiten. „Ich bin ja auch von morgens bis abends da“, sagt Rissel. Er sehe das auch als seine unternehmerische Pflicht.
Widerstand aus den eigenen Reihen
Wie aber alle anderen dazu bringen, genauso zu denken? Rund 50 Einzelhändler sind in der Werbegemeinschaft organisiert. Der Vorstand will die Kernöffnungszeiten und ist laut Rissel mit dem Citymanagement und OB Johannes Arnold im Gespräch. Bei einigen Mitgliedern stoße er aber weiter auf Widerstand.
In der Leopoldstraße schließen an Samstagen fast alle schon um 14 Uhr.Christian Rissel
Rissel erklärt sich das damit, dass „sich viele in einem bequemen Fahrwasser bewegen“: Wenn die Umsätze passen, warum dann noch länger, bis in den Abend hinein schuften? Es geht Rissel auch um den Solidaritätsgedanken. Am Beispiel der Leopoldstraße erklärt er, wie einzelne Läden, die länger geöffnet bleiben wollen, von anderen eingeschränkt werden, die früh die Läden runterlassen – nach den Frequenzmessungen im Handel, auf die er sich bei seinen Kernzeitforderungen bezieht, zu früh.
„In der Leopoldsstraße schließen an Samstagen fast alle schon um 14 Uhr. Für einzelne Läden macht es also gar keinen Sinn, länger zu öffnen, weil niemand mehr kommt.“ Durch die Einkaufsstraße bummeln, in der nur zwei Geschäfte geöffnet haben? Das locke wohl kaum jemanden.
Bis 16 Uhr muss man mindestens geöffnet haben, damit die Leute überhaupt in die Stadt kommen.
Vor allem am Haupteinkaufstag, dem Samstag, müsse sich in Ettlingen noch vieles ändern, findet Rissel. Die Menschen machten sich heute oft erst gegen Mittag auf zum Shoppen, nachdem sie ausgeschlafen und gefrühstückt haben. „Bis 16 Uhr muss man mindestens geöffnet haben, damit die Leute überhaupt in die Stadt kommen“, sagt er.
Man muss jetzt flexibel sein- es zählt doch jeder Euro.Rita Gertz, Co-Inhaberin Bella Scarpa
Auch Rita Gertz, Co-Inhaberin des Modegeschäfts Bella Scarpa in der Marktpassage, kann nicht verstehen, warum ausgerechnet in der Corona-Zeit Läden noch früher schließen als sonst. Sie würde eher abends noch eine Stunde länger bleiben: „Man muss jetzt flexibel sein – es zählt doch jeder Euro“.
Länger öffnen lohnt sich nicht immer
Nadine Eisele, Inhaberin des Modegeschäfts „Lykke“ in der Leopoldstraße, schließt ihren Laden samstags um 14.30 Uhr. Es lohne sich einfach nicht, viel länger zu bleiben, sagt sie. „Danach ist die Kundschaft weg.“ Der Grund: Fast alle Geschäfte in der Leopoldstraße hätten nur bis 14 Uhr geöffnet – und das nicht erst seit Corona, sagt Eisele.
Das Lykke liegt im hinteren Teil der Straße. Kaum jemand verirre sich am späten Nachmittag noch dorthin. Eisele wünscht sich einheitliche, längere Öffnungszeiten: „Das wäre toll, wenn das in ganz Ettlingen funktionieren würde.“
Bei Charlotte Ochs, Geschäftsführerin des Modehauses Streit, rufen mittags oft Menschen an, die fragen: „Wie lange haben sie noch geöffnet? Und wie lange die anderen? Lohnt es sich noch, nach Ettlingen zu kommen?“ Ochs fände einheitliche, verlässliche Öffnungszeiten gut - hat aber auch Verständnis für kleinere Läden, die in der Corona-Zeit früher schließen, weil die Kunden ausbleiben.