Was „richtiges“ Ausgehverbot heißt, beschreibt Claudia Förster, die auch Mitarbeiter unserer Redaktion ist. Aus der berühmten spanischen Universitätsstadt Salamanca. Sie schreibt über ihre Erfahrungen mit der verschärften Ausgangssperre, den Anordnungen des spanischen Ministerpräsidenten Sanchez und wie es ist, wenn auf der Straße plötzlich die Polizei vor einem steht.
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Claudia Förster kommt aus Ettlingen-Oberweier und studiert Psychologie. Sie ist seit September mit dem Erasmus-Programm der Europäischen Union in Salamanca.
Förster war also hautnah dabei, als sich die Entwicklung in Spanien verschärfte. Am 12. März überstürzten sich nach einer Riesen-Infektionswelle in Madrid die Ereignisse: Universität zu. Alle Restaurants schlossen. Knallhartes Ausgehverbot.
Die Panik der Spanier ist verschwunden
Dass sich die Worte Ausgangssperre und Polizeikontrollen von außen dramatisch anhören müssen, ist verständlich, findet Förster. Doch womöglich täuscht der Eindruck. Die Panik, die am Anfang des letzten Wochenendes auf den Straßen von Salamanca zu spüren war, sei mit Erlass des Dekrets der spanischen Regierung verschwunden.
"Im Allgemeinen sind meine spanischen Bekannten sehr zufrieden mit der Reaktion des spanischen Präsidenten Sánchez, zufrieden mit der Klarheit und Entschiedenheit, mit der er sich für eine Linie entschied", schildert Förster.
Seitdem diese Linie klar ist, bewahrten die Spanier größtenteils einen kühlen Kopf. Psychologisch gesehen ergebe das Sinn, denn Angst und Irrationalität gewinnen vor allem dann, wenn die Situation ungewiss und nicht kalkulierbar ist, erklärt die Psychologie-Studentin. Und beobachtet: Menschen haben eine erstaunliche Fähigkeit, sich an verschiedenste Situationen anzupassen, doch das können sie nur, wenn sie wissen, was auf sie zukommt.
Und das ist nun klar: Die Wohnung darf nur verlassen werden, um einkaufen oder zur Apotheke zu gehen. Wer von der Polizei beim Spazierengehen erwischt wird, muss mit hohen Geldstrafen rechnen. Klar, ist es seltsam, Spaniens sonst so vor Leben gefüllte Straßen menschenleer zu sehen.
In Salamanca gibt es Lebensmittel im Überfluss
Selbstverständlich verkrampfe sich der Magen beim Anblick von Polizisten, wenn man zum Einkaufen einen längeren Weg nimmt als nötig und in Gedanken schon mit Erklärungen ringt. Und natürlich gebe es einem ein mulmiges Gefühl, nicht zu wissen, wie lang man noch in seiner kleinen Wohnung ausharren muss.
Doch jetzt, wo den Spaniern eine klare Strategie versprochen wurde und alle an einem Strang ziehen, sei die Panik im Alltag so gut wie verschwunden, beobachtet Förster. In den Supermärkten gebe es Lebensmittel im Überfluss, Hamstereinkäufe seien in Salamanca kaum zu beobachten.
Sorge vor langfristigen Konsequenten
In Försters Bekanntenkreis ist die irrationale Panik und Angespanntheit von letzter Woche nun der Sorge vor langfristigen Konsequenzen gewichen. Denn noch spürbar sind die Folgen der Wirtschaftskrise von 2008.
Jeder dritte Jugendliche und junge Erwachsene ist, oft trotz guter Ausbildung, arbeitslos. Försters Mitbewohnerin und einige ihrer Freunde wurden in der vergangenen Woche gekündigt, Stipendiaten wurden die Zuschüsse gestrichen.
Die allgemeine Stimmung passe sich dem grauen Himmel in Salamanca an: Gedrückt, etwas deprimiert, ein wenig ängstlich. Trotzdem seien Försters spanische Mitbewohnerinnen sogar etwas stolz auf die Konsequenz und Entschiedenheit der spanischen Politiker, auf die sie sonst so schimpfen.
Zum ersten Mal schauten sie nicht mehr auf zum deutschen System, das sie für gewöhnlich als vorbildlich erachten.
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