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Schäden wecken Erinnerungen

Vier Häuser in Karlsruhe und Ettlingen verschmutzt: Ist der Ölschmierer zurück?

Nach der ersten Altöl-Attacke schrillten bei den Ermittlern sofort die Alarmglocken. Mittlerweile wurden in Karlsruhe und Ettlingen vier Häuser von Personen aus Justiz und Politik mit Altöl beschmiert. Bei der Staatsanwaltschaft Karlsruhe laufen die Ermittlungen deswegen derzeit auf Hochtouren.

Vier Häuser in Karlsruhe und Ettlingen wurden mit Öl beschmiert und müssen gereinigt werden (Symbolbild).
Vier Häuser in Karlsruhe und Ettlingen wurden mit Öl beschmiert und müssen gereinigt werden (Symbolbild). Foto: Imago

Auch wenn Pressesprecher Tobias Wagner aus ermittlungstaktischen Gründen keine Details zu den neuerlichen Altöl-Schmierereien in Karlsruhe und Ettlingen verraten will, verdichten sich doch die Hinweise, dass nach über 15 Jahren der sogenannte „Ölschmierer“ – oder zumindest ein Nachahmer – wieder zugeschlagen hat.

Ähnliche Ölschmier-Fälle in Karlsruhe zur Jahrtausendwende

Rückblick: Zwischen 1998 und 2004 wurden in und um Karlsruhe die Fassaden von zahlreichen Häusern mit Altöl oder Farbe beschmiert und vor diesen Häusern auch regelmäßig Autoreifen zerstochen. Weil es sich bei den Opfern dieser Anschlagsserie meistens um Personen aus Politik, Justiz, Bürgervereinen und der öffentlichen Verwaltung handelte, fahndeten Staatsanwaltschaft und Polizei jahrelang mit Hochdruck nach dem möglichen Täter.

Im Jahr 2004 verdichteten sich die Hinweise, dass es sich dabei um einen ehemaligen Mitarbeiter der Karlsruher Stadtverwaltung handeln könnte. Nach einer mehrwöchigen Observation durch eine Spezialeinheit wurde der Mann nach einem Altöl-Anschlag in Bruchsal in seinem Wohnhaus in Grötzingen verhaftet.

Angeklagter hatte Taten während drei Prozessen bestritten

Zweimal wurde der Mann von Amtsgericht und Landgericht anschließend zu Freiheitsstrafen verurteilt, und zweimal legte er erfolgreich Rechtsmittel ein. Erst am 26. September 2008 endete der Justizmarathon. Vom Landgericht wurde er im Alter von 76 Jahren wegen Sachbeschädigung in 65 Fällen zu einer Freiheitsstrafe von zweieinhalb Jahren verurteilt. Der Angeklagte hatte die Taten während allen drei Prozessen bestritten.

Fast noch aufsehenerregender als die Taten an sich waren rückblickend aber die Hauptverhandlungen. Alleine beim dritten Verfahren wurden in 36 Verhandlungstagen knapp 100 Zeugen gehört.

Für die großen Auftritte sorgte jedoch der Angeklagte höchstpersönlich. Nach Einschätzung der Richter fühlte sich der „Ölschmierer“ nämlich von vielen Menschen zu Unrecht schlecht behandelt und beging seine Taten aus Rachsucht und verletztem Stolz.

Rentner redete sich vor Gericht in Rage

Während der Verhandlungen machte der renitente Rentner aus seinen Überzeugungen keinen Hehl und holte bei seinen Einlassungen immer wieder zu ausschweifenden Rundumschlägen gegen Politik, Verwaltung und Justiz aus. Laut seinen eigenen Ausführungen hatte der „Ölschmierer“ seinen Job als Bauingenieur wegen politischer Äußerungen während eines Oberbürgermeister-Wahlkampfs verloren.

Weil der Mann niemals auf frischer Tat ertappt wurde, gestaltete sich die Beweisaufnahme extrem aufwendig. Und obwohl der „Ölschmierer“ aus persönlichen Motiven gehandelt haben soll, konnte sich kaum eines der Anschlagsopfer an den Mann erinnern. Einigen war er sogar komplett unbekannt.

Schlussworte des Angeklagten im Ölschmierer-Prozess dauerten mehrere Tage

Beinahe legendär sind in der Karlsruher Justizszene auch die ausufernden Schlussworte des „Ölschmierers“. Beim zweiten Prozess legte er geschlagene 15 Verhandlungstage lang seine Sicht der Dinge dar und unternahm dabei einen wahren Rundumschlag gegen das deutsche Justizsystem. Beim dritten Landgerichtsprozess dauerte das Schlusswort dann lediglich noch fünf Verhandlungstage.

Wie Journalist Marcus Dischinger seinerzeit für die BNN berichtete, legte der Angeklagte nach einer zweistündigen Grundsatzrede über die Justizirrtümer in der deutschen Rechtsgeschichte von den Hexenverfolgungen bis zum Radikalerlass im Jahr 1972 für jede einzelne der 65 angeklagten Taten dar, warum er als Täter nicht in Frage kommen könne.

Nach der damaligen Einschätzung von Richter Thomas Kleinheinz konnte der Angeklagte übrigens vermeintliche persönliche Kränkungen schlichtweg nicht ertragen – das habe er auch während des Mammutverfahrens bei zahlreichen emotionalen Ausbrüchen immer wieder unter Beweis gestellt.

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