Im Schwarzwald droht ein massenhafter Befall der Bäume durch den Borkenkäfer. Die Lage ist dramatisch: Der milde Winter, große Mengen Sturmholz und das warme Frühjahr bieten dem Käfer ideale Lebensbedingungen. Durch Kurzarbeit in den Sägewerken wegen der Corona-Pandemie brechen zudem die Holzpreise ein. Nun wollen Wissenschaftler den Schädling mit seinen eigenen Waffen schlagen.
„Ich kann mich nicht daran erinnern, dass der Schwärmflug der Borkenkäfer bis in die Höhenlagen des Schwarzwaldes schon mal so früh begonnen hat“, sagt der Gaggenauer Forstbezirksleiter Markus Krebs.
Borkenkäfer befällt Fichten
Der Borkenkäfer befällt vor allem Fichten. In unterschiedlichen Entwicklungsstadien, von der Larve bis zum Jungkäfer, überwintert er in der Rinde.
Nur strenger Frost über einen längeren Zeitraum wird ihm gefährlich – und der blieb in diesem Winter aus. Der Borkenkäfer kam so gut durch die (eigentlich) kalte Jahreszeit.
Klimawandel begünstigt Borkenkäfer
Das Sturmholz in den Wäldern, besonders durch Orkan „Sabine“ , ist für die Käfer ein perfekter Brutraum. Der Klimawandel begünstigt die nur wenige Millimeter großen Tiere, die ab einer Temperatur von 16 Grad zu Abermillionen ausfliegen.
Sie bohren sich unter die Rinde der Fichten. „Gesunde Bäume produzieren ausreichend Harz und wehren so die Angriffe ab“, erklärt Krebs.
300 bis 500 Borkenkäfer reichen aus, um eine Fichte zum Absterben zu bringen.Markus Krebs, Forstbezirksleiter Gaggenau
Nach Stürmen und in langen Trockenphasen wie in diesem Frühjahr sind sie dagegen geschwächt und können keinen Baumsaft erzeugen. Die Insekten haben dann leichtes Spiel: „300 bis 500 Borkenkäfer reichen aus, um eine Fichte zum Absterben zu bringen.“
Bis zu 100.000 Nachkommen pro Weibchen
Stark befallene Bäume werden von mehr als 10.000 Tieren bevölkert und haben keine Überlebenschance. Hinzu kommt: Ein einziges Weibchen kann in einer Saison für 100.000 Nachkommen sorgen. Allein im Gaggenauer Forstbezirk wurden 2019 rund 24.000 Kubikmeter Holz über Plan geerntet. Das entspricht 1.000 vollgeladenen Langholz-Lkw. Die Hauptursachen: Dürreschäden – und der Borkenkäfer. Bei den Fichten waren 60 Prozent befallen.
Auch Tannen sind vom Borkenkäfer betroffen
Auf die Forstexperten wartete zudem eine beunruhigende Überraschung: „Auch jede dritte Tanne war durch den Käferbefall geschädigt“, berichtet Krebs. Der Schwarzwälder Charakterbaum galt wegen seiner tiefen Wurzeln bislang als wenig anfällig.
Die Corona-Krise verschärft die Situation zusätzlich. „Das große Ziel ist es, das befallene Holz schnellstmöglich aus dem Wald zu bringen“, erklärt Krebs.
So kann sich der Käfer nicht ungebremst ausbreiten. Durch die riesigen Schadholzmengen und die Kurzarbeit in den Sägewerken stockt der Transport indes gewaltig.
„Der Holzmarkt ist für Nadelholz kaum noch aufnahmefähig“, sagt Krebs. Mit den Beschränkungen an der Grenze ist auch der Absatzmarkt in Frankreich fast komplett weggebrochen. „Wir mussten 100 Lkw-Ladungen Käferholz in unkritische Laubwälder umlagern“, berichtet der Bezirksleiter.
Die Holzpreise sind auf ein Zehn-Jahres-Tief abgestürzt. Der baden-württembergische Forstminister Peter Hauk (CDU) spricht von einem „ruinösen Niveau“.
Land verlängert Einschlagestopp im Schwarzwald
Das Land hat deshalb den bereits geltenden Einschlagestopp für Nadelholz im Staatswald weiter verlängert. So will man die Märkte entlasten.
Außerdem unterstützt es die Waldbesitzer nach eigenen Angaben mit einem Maßnahmenpaket von rund 29 Millionen Euro bei der Bewältigung der Schäden.
Forscher wollen Borkenkäfer überlisten
Einen anderen Ansatz verfolgen Forscher aus dem Raum Freiburg: Sie wollen den Borkenkäfer überlisten. Pheromone, artspezifische Duftstoffe, sollen dem Schädling glauben machen, dass geschlagene oder umgefallene Bäume, die er besiedeln will, bereits von Artgenossen in Übermenge besetzt sind.
Krebs ist skeptisch: „Auf den riesigen Flächen des Schwarzwaldes hat diese Verwirrtaktik noch keine Praxisreife erreicht.“
Bei der Vielzahl an Waldbesitzern müssten zudem alle zu diesem Mittel greifen, „sonst würde man die Käfer so zu seinem Nachbarn schicken.“
Experte befürchtet massive Ausbreitung
Für die kommenden Monate rechnet Krebs mit einer massiven Ausbreitung. Selbst bei einem nasskalten Frühsommer müsse man sich auf ein „Borkenkäfer-Jahr“ einstellen.
Bereits 2018 und 2019 hatten sich die Tiere massenhaft vermehrt. „Die Entwicklung verläuft in Wellen“, so Krebs: „Jetzt steuern wir auf einen vorläufigen Höhepunkt zu.“