Listige Bienen, faule Falter und furzende Fische: Viele Tiere am Mittleren Oberrhein greifen auf erstaunliche Überlebenstricks zurück. Ihrer Raffinesse sind keine Grenzen gesetzt. Es gibt Insekten, die ihren Nachwuchs von anderen Arten großziehen lassen. Eine Biene, die keinen Nektar mag. Einen Fisch, der kein Wasser braucht. Und einen Raubvogel mit einer Vorliebe für eine gefährliche Delikatesse. Die BNN stellen die ungewöhnlichsten heimischen Tiere vor:
Wiesenknopf-Ameisenbläuling
Der unscheinbare Schmetterling ist in seiner Lebensweise hoch spezialisiert und besonders clever. Auf dem Wiesenknopf, einem Rosengewächs, verbringt er fast sein ganzes Leben. Er ernährt sich von seinem Nektar, schläft, balzt und paart sich auf ihm.
Schmetterling trickst Ameisen aus
Kaum zu glauben: „Seine Larven lassen sich auf den Boden fallen und locken mit einem Honigsekret die Rotgelbe Knotenammeise an“, erklärt Martin Klatt, Geschäftsführer des Nabu-Kreisverbandes Rastatt. Damit imitieren sie offenbar den Duft der Ameisenbrut. Außerdem nehmen sie deren Gestalt an, indem sie ihre vorderen Körperteile aufblähen.
Fremde Kinderstube
So führt der Schmetterlings-Nachwuchs die Ameisen gezielt hinters Licht: Die fleißigen Arbeiter schleppen die Larven in ihren Bau, die sich dort ungehemmt an ihrer Gastgeber-Brut stärken. Zehn Monate lang bleiben die kleinen Ameisenbläulinge in ihrer geschützten Kinderstube, bis sie sich im Juni verpuppen und 25 Tage später schlüpfen. Aber Achtung: Weil ihre Tarnung als Schmetterling auffliegt, müssen die dreisten Gäste den Ameisenbau schnell verlassen.
Schlammpeitzger
Beheimatet in Flussauen, ist der aalförmige Fisch eine kuriose Kreatur: Er ist Darmatmer. „Er kann Luft an der Oberfläche schlucken oder über seine Haut aufnehmen“, weiß Klatt. Damit nicht genug: Über seinen Darm atmet der Fisch sie wieder aus.
Dabei macht er ein gut hörbares Geräusch, das Menschen mit unangenehmen Gerüchen in Verbindung bringen. Dieses Markenzeichen brachte dem Schlammpeitzger im Volksmund den Beinamen „Furzgrundel“ ein. „Ein verrückter Fisch“, findet Klatt.
Überlebenskünstler bei Trockenheit
Und ein gewiefter Überlebenskünstler: „Durch seine Atemtechnik kann er auch dann längere Hitzeperioden überleben, wenn Gewässer austrocknen.“ Der Fisch harrt dann, daher sein Name, im Schlamm aus. „Der muss allerdings zumindest feucht sein“, so Klatt.
Kuckucksbiene
Die Insekten – zur Familie zählen mehrere Arten – sind überaus listige Faulpelze. Wie ihr gefiederter Namensgeber machen sich die Bienen keine Mühe, ihren Nachwuchs selbst zu versorgen. Sie bauen keine eigenen Nester und legen keine Nahrungsvorräte an.
Gefiedertes Vorbild
Stattdessen dringen sie unbemerkt in die Nester von anderen Wildbienen ein, um dort ihre eigene Brut unterzubringen. Am Ende sind, wie auch beim Kuckuck, die falschen Kinder die einzigen Überlebenden.
Tödliche Schmarotzer
Die Eindringlinge töten die Larve ihres Wirts und ernähren sich fortan vom fremden Vorrat. Dieses Schmarotzertum ist durchaus verbreitet: „Ein Viertel der Wildbienen lebt so“, erklärt Klatt.
Wespenbussard
Der Greifvogel ist auf eine wehrhafte Beute spezialisiert: Wespen. „Er läuft wie ein Huhn über den Boden und gräbt ihre Nester aus“, sagt Klatt. Mit den Larven ernährt der Bussard seine Brut, nascht aber auch selbst davon.
Schutz vor Stachel
Die Wespen machen gegen den Greifvogel keinen Stich. Ihre Stachel dringen nicht durch seine schuppenartigen Kopf- und Halsfedern. „Die Wespen passen mit ihrem Hinterteil auch nicht in seine schmalen Nasenlöcher“, erklärt Klatt, „und können ihn deshalb nicht stechen.“
Augen zu und durch
Sein langer Schnabel ist für das Herausziehen von Wespenlarven optimiert. Und sein Motto beim Graben ist: Augen zu und durch. So können die Insekten auch dort keinen Gegenangriff starten.
Auen-Schenkelbiene
Die Wildbiene des Jahres 2020 lebt (fast) nektarfrei. Wie das geht? Sie zapft den Gilbweiderich an, ein Primelgewächs mit gelben Blüten. Sein Pflanzenöl vermischt die Auen-Schenkelbiene mit Pollen zu einem Ölkuchen. „Das Öl hat einen größeren Energiegehalt als der Nektar“, sagt Klatt.
Weil der Gilbweiderich auch dort vorkommt, ist die Biene ein häufiger Gast in den menschlichen Gärten. Ganz ohne Blütensaft kann sie dann aber doch nicht: Als schnell verfügbaren „Treibstoff“ braucht die Schenkelbiene ihre Nektar to go.
Öl für die Larven
Die Weibchen tragen an ihren Hinterbeinen eine krümelige Masse aus Pollen und Öl, die sie als Larvenvorrat in ihr Nest transportieren.