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Aber immer noch unter 30.000

Gaggenau wächst stärker als Bühl

Seit einigen Monaten kratzt Gaggenau immer wieder an der 30.000-Einwohner-Marke. Den Bürgermeister freut's, denn der dürfte bald mehr Geld bekommen. Ganz anders in Bühl – dort stagnieren die Zahlen seit 2016. Das sind die Gründe.

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Gaggenau Foto: som
Seit Anfang 2015 kennt die Bevölkerungsentwicklung in Gaggenau nur eine Richtung: nach oben. Zwischen Neujahr 2015 und Ende August 2018 ist die Einwohnerzahl der Großen Kreisstadt im Schnitt um rund 4,1 Prozent gewachsen. Das sind fast drei Prozentpunkte mehr als in Bühl, das ebenfalls immer mal wieder an der „magischen Grenze“ von 30.000 Einwohnern kratzt. Dort stagnieren die Einwohnerzahlen seit 2016. Der Landesschnitt lag in diesem Zeitraum bei knapp 3,3 Prozent.

Neue Zahlen des Statistischen Landesamts zeigen jedoch, dass dieser Trend zumindest vorläufig gestoppt ist: Ende 2018 hatte Gaggenau mit einer Bevölkerung von 29.793 Menschen erstmals seit mehr als vier Jahren wieder weniger Einwohner als in den Vormonaten. Zwar liegen dem Statistikamt derzeit nur Zahlen zum 30. November vor; Werner Brachart-Schwarz vom Statistischen Landesamt glaubt aber nicht daran, dass die Stadt die 30.000-Einwohner-Grenze noch unverhofft knacken könnte. „Dass die Stadt in den Zahlen vom 31. Dezember 2018 plötzlich 200 Einwohner mehr hat, halte ich für ausgeschlossen“, sagt der Volkswirt und Referatsleiter Bevölkerungsstatistik im BNN-Gespräch.

Tendenziell dürfte es sich aber nur um einen „Ausrutscher“ auf dem erhofften Weg handeln. Brachart-Schwarz zufolge ist es nichts Ungewöhnliches, dass in den Wintermonaten die Bevölkerungszahlen rückläufig sind.

Das ist ein landesweiter Trend: Im Sommer gehen die Zahlen hoch, im Winter zurück.

Zwar gebe es Ausnahmen, etwa wenn einzelne Gemeinden Neubaugebiete erschließen. Im Falle Gaggenaus sorgten nicht zuletzt Migranten dafür, dass die Stadt in den vergangenen vier Jahren so stark wuchs. Die Zahl der Gaggenauer mit deutschem Pass ist im selben Zeitraum leicht zurückgegangen.

Mehr Flüchtlinge in Gaggenau

Aktuelle Zahlen zu Flüchtlingen vom 30. April zeigen den deutlichen Unterschied zu Bühl: In Gemeinschaftsunterkünften wurden für Gaggenau laut Landratsamt Rastatt 93 Personen registriert (die Sammelunterkunft befindet sich im früheren Gasthaus „Ochsen“ in Bad Rotenfels), in Bühl ist derzeit keine Gemeinschaftsunterkunft belegt. Auch bei der Anschlussunterbringung ist die Zahl für Gaggenau (444 Menschen) im Vergleich zu Bühl (373) höher.

Darum gibt es im Sommer mehr Geburten

Neben sinkenden Migrantenzahlen führen im Winter dem Statistischen Landesamt zufolge auch Sterbefälle infolge von Infektionskrankheiten zu sinkenden Bevölkerungszahlen. „Ende des Jahres werden außerdem deutlich weniger Kinder geboren als etwa im Spätsommer“, erklärt Brachart Schwarz. „Warum das so ist, weiß niemand genau. Vermutlich planen Familien die Geburt ihres Kindes stärker als noch vor 40 Jahren.“

Zurück zu den Zahlen für Gaggenau: Die Zahlen jeweils zum Jahresende belegen den kontinuierlichen Anstieg, der höher ausfällt als im fast gleich großen Bühl: Von 28.633 (Ende 2014) über 29.032 (2015), 29.315 (2016) auf 29.615 (Ende 2017).

Weiter in Richtung 30.000?

Auch 2018 hält der stetige Zuwachs an, betrachtet man die bereits vorliegenden Quartale: 29.653 (Ende erstes Quartal), 29.711 (zweites Quartal), 29.814 (Ende drittes Quartal). Dann folgt die bereits erwähnte kleine „Delle“ mit 29.793 Menschen zum Stichtag 30. November 2018. Die aber sollte gemäß statistischer Wahrscheinlichkeit inzwischen bereits überwunden und der weitere Weg in Richtung der 30.000 eingeschlagen sein. Gut möglich, dass Gaggenau bereits im laufenden Monat die Hürde genommen hat – aber der Beleg des Statistischen Landesamtes fehlt eben noch. Und nur der zählt. Zum Vergleich: Das Gaggenauer Bürgerbüro meldete für den 30. September 2018 bereits 30.217 Einwohner – dies zählt „offiziell“ aber nicht.

In der Stadtverwaltung freut man sich über die insgesamt stabile Entwicklung: „Das ‚Knacken‘ dieser magischen Grenze ist für Gaggenau deshalb bedeutungsvoll, weil es unterstreicht, dass die Bemühungen von Politik und Verwaltung Erfolg haben und Gaggenau über eine große Anziehungskraft verfügt,“ heißt es aus der Pressestelle der Verwaltung.

Mehr Geld für den Bürgermeister...

Neben dem Imagegewinn gibt es aber auch direkte Auswirkungen: Laut Gemeindeordnung erhöht sich die Anzahl der Gemeinderäte von 26 auf 32; in der Hauptsatzung kann aber eine nächsthöhere oder nächstniedrigere Zahl festgelegt werden. Die Besoldung von Oberbürgermeister und Bürgermeister erhöht sich entsprechend der neuen Eingruppierung in die Kategorie „Städte 30.000 bis 50.000 Einwohner“, dann winkt beiden jeweils rund ein Tausender im Monat mehr.

...aber auch mehr Pflichten

Bei mehr als 30. 000 Einwohnern erhält die Kommune zudem die Zuständigkeit für die Straßenbaulast. Das bedeutet, dass Gaggenau für die Ortsdurchfahrten mit Landes- und Kreisstraßen unmittelbar zuständig wird – allerdings nur „baulich“, was Unterhaltungs- und Sanierungsarbeiten angeht. Eine Tempo-30-Ausweisung für Ortsdurchfahrten in städtischer Eigenregie wird auch zukünftig nicht möglich sein.

Woher weiß man überhaupt, wie viele Menschen in einem Ort wohnen? Das ist für den Staat gar nicht so einfach zu erfassen. Ständig nachzählen ist teuer, weshalb Statistiker in der Regel auf die An- und Abmeldeformulare der kommunalen Melderegister zurückgreifen. Jeder Einwohner, der hier geführt wird, bedeutet für die jeweilige Gemeinde bares Geld, jeder Wegzug verursacht Ausfälle.

Auch die Zahl der Gemeinderatsmitglieder und das Gehalt des Bürgermeisters sind an die amtliche Einwohnerzahl gekoppelt. Allerdings sind nicht alle Menschen meldepflichtig – und nicht jeder, der angemeldet ist, meldet sich bei einem Wegzug ins Ausland auch wieder ab.

Für Deutsche mit Zweitwohnsitz beispielsweise gibt es Ausnahmeregelungen, ebenso für Ausländer, die sich weniger als drei Monate in Deutschland aufhalten. Auf dieser Datengrundlage (der Einwohnermeldeämter) erstellen Fachleute der Statistikämter die sogenannte Wanderungsstatistik.

Diese Statistik registriert sämtliche Zu- und Fortzüge. Für das Berichtsjahr 2016 traten gravierende Fehler auf – was zur Folge hatte, dass niemand so genau wusste, wie viele Menschen in den deutschen Kommunen eigentlich gerade leben.

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