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Staatsanwaltschaft entscheidet

Nach Todesfahrt in Gaggenau: Darum musste der Täter nicht gleich ins Gefängnis

Im Mai ist der Unfallfahrer, der am 13. Juli 2018 mit seinem Auto in der Gaggenauer Goethestraße auf dem Gehweg zwei Menschen erfasst und tödlich verletzt hat, zu zweieinhalb Jahren Freiheitsentzug verurteilt worden. Die Strafe musste aber nicht gleich angetreten werden. Die BNN beleuchten die Hintergründe nach dem Urteil.

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An der Unfallstelle in Gaggenau wird auch eineinhalb Jahre nach der folgenschweren Pkw-Fahrt, bei der eine 54-jährige Frau und ihr sieben Monate alter Enkel getötet wurden, an die Opfer erinnert. Der Verursacher sitzt inzwischen im Gefängnis. Foto: Dorscheid

Im Mai ist der Unfallfahrer, der im Juli 2018 mit seinem Auto in der Gaggenauer Goethestraße auf dem Gehweg zwei Menschen tödlich verletzt hat , zu zweieinhalb Jahren Freiheitsentzug verurteilt worden. Die Strafe musste aber nicht gleich angetreten werden. Die BNN beleuchten die Hintergründe nach dem Urteil.

Im Sommer 2019 wurde das Urteil des Schöffengerichts Rastatt gegen den Unfallfahrer rechtskräftig , nachdem der zum Tatzeitpunkt 47-Jährige seine Berufung vor dem Landgericht Baden-Baden zurückgezogen hatte. Inzwischen sitzt er im Gefängnis, die "Ladung zum Haftantritt" erhielt er im Oktober.

Warum musste der Mann nicht gleich nach dem Urteil ins Gefängnis? Welche Gründe können zu einem Haftaufschub führen – und wer entscheidet das? BNN-Redakteur Thomas Dorscheid geht mit Unterstützung von Michael Klose, Erster Staatsanwalt und Pressesprecher der Staatsanwaltschaft Baden-Baden, auf einige Fragen ein, die die Menschen weiterhin bewegen.

Ist der Unfallfahrer, der die Fahrt mit tödlichem Ausgang am 13. Juli 2018 zu verantworten hat, inzwischen in Haft?

Ja, die „Ladung zum Haftantritt“, wie sie offiziell heißt, ist im Oktober 2019 an den Verurteilten gesandt worden. Der Mann sitzt inzwischen in Haft; das erkennt die Staatsanwaltschaft, die weiterhin seine Akte führt, an seiner neuen Adresse – die lautet jetzt auf die Vollzugsanstalt. Welche das ist, sagt die Behörde nicht, weil sie hierin kein öffentliches Interesse erkennt. Möglich ist beispielsweise Offenburg oder Bruchsal.

Grundsätzlich gilt: Ein Ersttäter – wie im Fall Gaggenau – hat bei guter Führung nach dem Verbüßen von zwei Dritteln der Haftzeit Anspruch auf eine Haftprüfung; fällt diese positiv aus, kann der Rest der Strafe zur Bewährung ausgesetzt werden. Heißt im Gaggenauer Fall: Sitzt der Mann seit Oktober 2019 im Gefängnis, endet der Vollzug regulär nach zweieinhalb Jahren, also im April 2022; Haftprüfung wäre bereits nach zwei Dritteln, also im Juni 2021 – dann könnte er frühestens entlassen werden.

Wer ist zuständig für die „Ladung zum Haftantritt“?

Das ist die Vollstreckungsabteilung bei der zuständigen Staatsanwaltschaft, meist ein Rechtspfleger. Ist ein Urteil rechtskräftig (also der Rechtsweg ausgeschöpft), setzt das zuständige Gericht – hier: das Amtsgericht Rastatt – einen Rechtskraftvermerk unter die Akte und schickt diese an die Staatsanwaltschaft.

Kerzen stehen am Unfallort in Gaggenau
Mit Trauer und Bestürzung reagierte Gaggenau im Juli 2018, als vor Tor 12 des Mercedes-Werks eine Frau und ihr Enkelkind totgefahren wurden. Der Fahrer flüchtete, verlor aber ein Auto-Kennzeichen. Foto: N/A

Gibt es Ermessensspielräume?

Ja, die gibt es. Erster Staatsanwalt Klose betont, dass es jeweils um eine Einzelfallentscheidung geht. Geht die „Ladung zum Haftantritt“ heraus, hat der Betroffene im Regelfall noch bis zu zwei Wochen Zeit, seine persönlichen Dinge zu regeln, etwa eine Wohnung aufzulösen. Anderes Beispiel: Steht jemand kurz vor Ende seiner Ausbildung, darf er diese im Regelfall noch abschließen (mit Blick auf seine spätere Perspektive der Wiedereingliederung).

Hier greift der Grundsatz der Resozialisierung, der im deutschen Strafrecht neben den Grundsatz der Bestrafung tritt. In eng begrenzten Fällen ist ein Aufschub aus persönlichen Gründen auch auf dem Gnadenweg möglich, dann wird die Staatsanwaltschaft in gewissem Umfang zur Gnadenbehörde. Dennoch darf man sich kein „Wunschkonzert“ vorstellen: Eine Haft beispielsweise erst nach Weihnachten antreten zu wollen, wird nicht akzeptiert.

Warum musste der Gaggenauer Unfallfahrer nach dem rechtskräftigen Urteil nicht gleich in Haft?

Der Mann hatte zum Zeitpunkt des Prozesses in Rastatt im April/Mai 2019 bereits eine Alkohol- und Drogenentzugstherapie, die sich in mehrere Phasen gliederte, begonnen. Da er diese ordnungsgemäß weiterführte, ist es sehr wahrscheinlich, dass er diese Therapie auch nach dem Prozessabschluss zu Ende führen durfte – und deshalb erst im Anschluss ins Gefängnis musste.

Warum musste der Mann, der ja noch in der Tatnacht im Juli 2018 gefasst wurde, damals nicht in Untersuchungshaft?

Weil aus Sicht der Staatsanwaltschaft Baden-Baden kein Haftgrund vorlag. Dieser liegt unmittelbar bei schweren Straftaten wie dem Versacht auf Mord oder Totschlag vor. Grundsätzlich werden als Haftgründe geprüft: Besteht ein dringender Tatverdacht? Besteht Flucht- oder Verdunkelungsgefahr? Besteht Wiederholungsgefahr (vor allem bei Sexualtätern)?

In jedem Einzelfall ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit anzuwenden. Im Fall Gaggenau handelte sich um eine fahrlässige Tötung im Straßenverkehr, nicht um eine vorsätzliche Tat – bei allem persönlichen Leid ein großer Unterschied. Zudem hatte der Unfallfahrer eine Arbeitsstelle und einen festen Wohnsitz, auch diese Sachverhalte werden berücksichtigt.

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