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40.000 Euro Verlust – im Monat

Gastronomen im Murgtal kämpfen in der Corona-Krise ums nackte Überleben

Die Gastronomen im Murgtal fürchten wegen der Corona-Pandemie um ihre Existenz. Ihre Bücher sind seit einigen Tagen leer: Hochzeiten, Kommunsionsfeiern, Geburtstagsessen und Versammlungen – abgesagt. Die Gastwirte rechnen mit drastischen Verlusten. Ein Sternekoch wendet sich in einem Hilferuf an die Öffentlichkeit.

Leere Tische: Auf der Terrasse von Schloss Eberstein herrscht im Frühling normalerweise Hochbetrieb. Derzeit sind das Hotel und beide Restaurants wegen der Corona-Pandemie geschlossen. Pächter Bernd Werner macht sich große Sorgen.
Leere Tische: Auf der Terrasse von Schloss Eberstein herrscht im Frühling normalerweise Hochbetrieb. Derzeit sind das Hotel und beide Restaurants wegen der Corona-Pandemie geschlossen. Pächter Bernd Werner macht sich große Sorgen. Foto: Reinhold Bauer

Bernd Werner ist geschockt. Seine bekannte Sterneküche auf Schloss Eberstein – dicht. Die Terrasse mit Weitblick über das Murgtal – verwaist. Das Auftragsbuch – leer. Die Corona-Pandemie hat das Leben des hochdekorierten Gastronomen schlagartig verändert. „Die Lage ist dramatisch: ein freier Fall ohne Gurt“, sagt Werner.

90 Hochzeiten abgesagt, die meisten der 70 Angestellten zu Hause. Werner rechnet in den kommenden Monaten mit einem Verlust von mehreren 100.000 Euro: „Wir werden diese Situation nicht lange durchhalten.”

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Bis zum Ausbruch der Corona-Pandemie liefen die Geschäfte gut. Mit seinen beiden Restaurants, eines trägt einen Stern, das andere ist gut-bürgerlich, seinem Hotel und dem Catering machte Werner einen Jahresumsatz von 3,5 Millionen Euro.

Sternekoch erwartet heftige Verluste

Nun drohen ihm massive Einbußen. Noch vor einer Woche war sein Auftragsbuch prallvoll. „Das Telefon steht nicht still“, berichtet Werner. Hochzeiten, Kommunionsfeiern und Geburtstagsessen – alles storniert. Die ersten Monate des Jahres sind traditionell umsatzschwach, danach zieht das Geschäft deutlich an. Eigentlich.

Wir befinden uns im Krieg gegen einen unsichtbaren Gegner.
Bernd Werner, Sternekoch vom Schloss Eberstein

Die Corona-Krise trifft Werner bis ins Mark. In einem Facebook-Video wendet er sich mit drastischen Worten an die Öffentlichkeit. Ein verzweifelter Hilferuf.

„Wir befinden uns im Krieg gegen einen unsichtbaren Gegner“, sagt der Sternekoch, „wir sind unfassbar traurig und brauchen dringend Unterstützung“.

Pachtkosten laufen weiter

Hilfe, die über die staatliche Einmalzahlung von mehreren tausend Euro hinausgeht. Der Politik macht Werner keine Vorwürfe: „Ihre Maßnahmen sind richtig.“

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Ein Bild aus besseren Zeiten: Bernd Werner (vorne) mit seinem Küchenteam. Foto: vrh

Allerdings sei die Finanzspritze, wenn auch gut gemeint, „nur ein Tropfen auf den heißen Stein“. Die laufenden Pachtkosten und Bankverbindlichkeiten schnüren ihm die Luft ab.

Champagner bis an die Haustür

Werner hofft nun vor allem auf seine Kunden. Ab 1. April bietet das Schloss Eberstein Tagesgerichte zum Abholen an.

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Gute Adresse: Das Schloss Eberstein in Gernsbach. Foto: Hertweck

Sie werden auch bis an die Haustür geliefert. Dazu vakuumierte Speisen mit einer Anleitung zum Erwärmen, Weine, Sekt und Champagner.

Bernd Werner hofft angesichts von Covid-19 auf Solidarität Kunden

„Wenn uns die Menschen unterstützen, kommen wir da wieder raus“, sagt Werner. Der Zusammenhalt in seiner Familie und seinem Team macht ihm Hoffnung. Dennoch leidet der Gastronom unter der Krise: „Ich stehe in einem Geisterschloss. Spaß macht das nicht.“

Die Ungewissheit ist für uns eine extreme psychische Belastung.
Matthias Schmauser, Gastronom

Auch Matthias Schmauser sorgt sich um sein Geschäft. Seit zwei Jahren betreibt er mit Robin Schneider die Sportgaststätte in Ottenau. „Wir hängen komplett in der Luft“, klagt Schmauser, „die Ungewissheit ist für uns eine extreme psychische Belastung.“

Gastronomen fürchten wegen Coronavirus um ihre Existenz

Die beiden Jung-Gastronomen trifft die Krise besonders hart. Rücklagen haben sie kaum. „Wir haben erst vor einigen Jahren angefangen und deshalb wenig Polster.“ Schmauser hat Angst um seine Existenz. „Wir können das nicht ewig aushalten“, sagt er mit Blick auf die von der Politik verordneten Restaurantschließungen.

Verein will Pächtern helfen

Immerhin kommt die Spvgg Ottenau ihren Pächtern entgegen. „Wir werden in diesen schwierigen Monaten auf einen Großteil der Pacht verzichten“, kündigt Vorsitzender Manfred Striebich gegenüber den BNN an. Mit Schmauser und Schneider sei man sehr zufrieden und hoffe deshalb auf Kontinuität. Allerdings geht die Corona-Krise auch am Verein nicht spurlos vorbei. „Die Pachteinnahmen machen zehn bis 20 Prozent unseres Jahresbudgets aus“, sagt Striebich.

Finanzspritze vom Bund

Vier 450-Euro-Kräfte und zwei Festangestellte arbeiten in Normalzeiten im „Schmausers“. Alle befinden sich jetzt in Kurzarbeit. Die Grundbesetzung übernehmen Schmauser und Schneider selbst.

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Lächeln trotz Krise: Die Jung-Gastronomen Matthias Schmauser (Mitte) und Robin Schneider versorgen einen Kunden in Ottenau mit Speisen. Foto: Reinhold Bauer

„Wenn das Geschäft wieder anzieht, holen wir uns Unterstützung.“ Vom Bund erhalten die Gastronomen eine Einmalzahlung in Höhe von 9.000 Euro für die kommenden drei Monate.

Abholservice soll Überleben sichern

Auf die Corona-Krise haben die beiden bereits reagiert und bieten ihren Kunden seit einigen Tagen fertige Speisen zum Abholen und zum Daheimkochen an. An der Restauranttür händigen sie in Schutzhandschuhen Kroketten, Maultaschen und Wurstsalat aus.

40.000 Euro Verlust im Monat

Der Abholservice lindert ihre Not ein wenig. Auf die Einnahmen von Kommunionsfeiern und Versammlungen müssen die Gastronomen aber verzichten.

Ein Monat ohne Restaurantbetrieb kostet sie 40.000 Euro. „Wenn auch das Ostergeschäft ausfällt, wird es schwierig“, sagt Schmauser.

Landratsamt appelliert an Bürger

Unterdessen wendet sich das Landratsamt Rastatt mit einem Appell an die Bürger. In einer gemeinsamen Pressemitteilung rufen Landrat Toni Huber und die Bürgermeister im Kreis dazu auf, die Liefer- und Abholdienste der Gastronomen zu nutzen, „um den Betrieben in der schweren Krise zu helfen“.

Die Kommunalpolitiker weisen ausdrücklich darauf hin, „dass die ausgezeichnete Küche in unserer Region und die herzliche Gastlichkeit zur Attraktivität und Lebensqualität in unserem Landkreis entscheidend beitragen“.

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