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Nächste Corona-Lockerung

Gastronomie öffnet noch vor Pfingsten: Stimmen aus der Region

Erst draußen, dann auch drinnen: Vor Pfingsten soll die Gastronomie in Baden-Württemberg wieder öffnen dürfen. Die ersehnte Perspektive für die durch die Corona-Pandemie schwer getroffene Branche ist also da. Die Frage, die die Gastronomen umtreibt, ist: Unter welchen Bedingungen?

Noch im Mai kann wieder bestuhlt werden.
Noch im Mai kann wieder bestuhlt werden. Foto: jodo

Erst draußen, dann auch drinnen: Vor Pfingsten soll die Gastronomie in Baden-Württemberg wieder öffnen dürfen. Die ersehnte Perspektive für die durch die Corona-Pandemie schwer getroffene Branche ist also da. Die Frage die Gastronomen umtreibt, ist: Unter welchen Bedingungen darf der Betrieb laufen?

Roxani Maiou sitzt auf der leer geräumten Außenfläche des „Sokrates“ in Karlsruhe und legt ihre rechte Hand aufs Herz. „Wirklich: Jeden Tag sein leeres Restaurant zu sehen, das tut weh“, sagt Maiou.

Die unbesetzten Tische drinnen illustrieren den seit März herrschenden Stillstand. Die Gäste, die den Abholservice nutzen, kriegen ihre Pakete durchs Fenster der beliebten griechischen Taverne in der Karlsruher Südweststadt gereicht.

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Maiou sieht das mit zwiespältigen Gefühlen. Sicher: Da ist die Gewissheit, zumindest etwas Umsatz zu machen. Und die Freude über die Treue ihrer Gäste. Aber eben auch das Bedauern, die Menschen nicht bei sich bewirten zu können. Immerhin ist nun klar: Bald wird dies wieder möglich sein.

Vor Pfingsten darf wieder aufgetischt werden

Die von der Branche geforderte Öffnungsperspektive ist da, vor Pfingsten darf in Baden-Württemberg wieder Platz genommen werden – zunächst mal nur draußen, dann auch drinnen. Die Frage, die die Gastronomen umtreibt, ist: Unter welchen Bedingungen?

In der Schweiz, in der Lokale ab dem 11. Mai öffnen dürfen, regelt ein detailreiches Papier die Grundlagen. Nicht nur die Höhen etwaiger Trennwände zwischen Tischen sind da zentimetergenau geregelt.

Maiou hofft hier im Land auf praktikable Regelungen – und auf einen nicht allzu großen bürokratischen Aufwand. Schweizer Betriebe müssen nicht nur die Kontaktdaten jedes Gastes aufbewahren, sondern auch für 14 Tage dokumentieren, wer wo saß und von wem bedient wurde.

Wie viel Abstand darf es sein: Ein oder zwei Meter?

Sicher dürfte hierzulande sein, dass die Personenzahl beziehungsweise die Auslastung begrenzt wird. In Österreich, das ab dem 15. Mai aufsperrt, sind es vier Erwachsene plus etwaige Kinder pro Tisch. Ähnlich geregelt ist es in der Schweiz.

In Niedersachsen, wo ab dem 11. Mai aufgetischt werden darf, gilt eine maximale Auslastung von 50 Prozent. Zudem wird es zum Beispiel in Rheinland-Pfalz, das ab 13. Mai aufsperrt, Vorbuchungspflicht geben. Und natürlich wird mit Abstand zu anderen Besuchern gespeist werden müssen. Ein Meter zwischen Gästegruppen sind es in Österreich, deren zwei in der Schweiz.

Draußen werden wir nur die Hälfte der Tische aufstellen
Roxani Maiou, "Sokrates" Karlsruhe

„Draußen werden wir nur die Hälfte der Tische aufstellen“, sagt Maiou, die das Lokal seit 2008 zusammen mit ihrem Mann Evangelos Liakonas führt. Im eigentlich für 130 Plätze ausgelegten Innenbereich des „Sokrates“ werden, um Abstand zu wahren, dann nur einzelne Tische besetzt werden können. Ob sich das dann alles lohnt, diese Frage stellt sich angesichts nur schlechterer Alternativen nicht.

„April und Mai sind für die Biergärten sehr starke Monate. Deswegen ist es gut, dass es bald losgeht“, sagt Daniel Nikolic. Der Pächter des Karlsruher Kaisergartens hat die vergangenen Tage bereits zur Vorbereitung seiner Außengastronomie genutzt und die Tische weit genug auseinandergestellt.

Schließung oft für Renovierung genutzt

„Wir haben zum Glück genügend Platz“, sagt Nikolic. In den kommenden Tagen wolle der die restlichen Vorgaben zur Hygiene umsetzen. Dank der staatlichen Unterstützung und der Kurzarbeiterregelung habe er den mehrwöchigen Lockdown ganz gut überstanden, sagt Nikolic. „Außerdem haben wir die erzwungene Schließung für einige Renovierungen genutzt“.

Für den Karlsruher Dehoga-Kreisvorsitzenden Waldemar Fretz ist der jetzige Fahrplan der Landesregierung nur der erste Schritt für eine mögliche Entspannung in der Gastronomiebranche. „Die Wiedereröffnung kam vielleicht schneller als erwartet. Aber es wurde von der Branche auch sehr viel Druck aufgebaut“, betont Fretz.

Als nächstes müsse nun unbedingt die Sinnhaftigkeit der Hygiene-Vorschriften auf den Prüfstand gestellt werden. „Gerade kleine Lokale können mit allzu strengen Abstandsregelungen nicht mehr wirtschaftlich arbeiten“, so Fretz. Außerdem sollen die Bundesregierung in naher Zukunft einen Gastronomiefonds auf den Weg bringen.

Bernd Werner, Chef des Gourmetbetriebs Schloss Eberstein in Gernsbach, hat es etwas einfacher. Im Sterne-Restaurant ist der Abstand Corona-unabhängig gegeben und auf der weitläufigen wie „schönsten Terrasse des Murgtals“ (Werner) können die Tische entsprechend auseinandergezogen werden.

Die trostlose Leere im Restaurant: "Ich kann das nicht mehr sehen."

Auch für Werner ist klar: „Sobald wir grünes Licht haben, entwerfen wir einen Schlachtplan, was entsprechend der Regelungen geht und was nicht.“ Der Sternekoch sprüht vor Tatendrang, er hat die trostlose Leere seines Betriebs ebenfalls satt: „Ich kann das nicht mehr sehen.“

Ehab Schmiedinger vom Hotel Schwert in Rastatt („Wir freuen uns sehr, wenn es bald wieder losgeht“) betont, dass das Hotel schnell wieder hochgefahren werden könne. Am Mittwoch befanden sich zehn Gäste im Hotel, statt Frühstück war nur ein Lunchpaket möglich. „Am letzten Wochenende hatten wir gar keinen Gast.“

„Seit Wochen keine Gäste, seit Wochen kein Umsatz. Das ist auf Dauer nicht durchzuhalten. Ich freue mich sehr, aber noch schöner wäre es, wenn ich gleich nächste Woche wieder aufmachen dürften. Denn wir sind langsam am Limit“, berichtet der Inhaber des Hotels am Schloss und der Schlossgaststätte, Marco Wittmann. „Inzwischen sind alle Reserven aufgebraucht sind.“ Jetzt müsse man schauen, unter welchen Bedingungen und mit welchen Auflagen die Öffnung über die Bühne geht, gibt Wittmann zu bedenken, dass infolge der Abstandsregeln natürlich deutlich weniger Leute in die Gaststätte dürften – „und das bedeutet weniger Umsatz“.

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Die Zwangspause nutzte Wittmann nicht nur für Reinigungsarbeiten „Ich habe auch die ganze Zeit über für die Caritas-Einrichtungen gekocht, aber das war finanziell nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Wenn die Leute jetzt zu uns kommen und nicht den Lokalen fernbleiben, werden wir schon irgendwie überleben.“

In den Startlöchern steckt auch Karl-Ludwig Hauns. Der Inhaber des Café am Schloss und des Hotels Zum Goldenen Mann hatte während der Zwangspause das Glück, dass er im eigenen Haus arbeitet, keine Pacht bezahlt und im Café einige Stunden pro Tag Kuchen verkaufen durfte. „Aber wirtschaftlich war das ein Flop, quasi eine Art Beschäftigungstherapie“, sagt Hauns, der wie Kollege Wittmann einen Totalausfall sowohl im Café als auch im Hotel beklagt.

Der Neustart wird für die Gastronomen jedoch von Ungewissheit geprägt sein. Kommen die Gäste sofort und in großer Anzahl? Oder erst nur zögerlich? Maiou kann das kaum einschätzen. Und: Wie kalkuliert man in den Wiedereinstiegs-Wochen?

Kleinere Karte zum Wiedereinstieg

„Wir werden zunächst sicher nur unsere kleinere Karte, die wir jetzt zum Take-away haben, anbieten“, sagt die Griechin. Auch die Vorräte müssen erst wieder gefüllt werden und das unter erschwerten finanziellen Bedingungen – die Großhändler hätten den Kreditrahmen deutlich minimiert. Ferner müssen Desinfektionsmittel, Handschuhe, Masken in ausreichenden Mengen besorgt werden.

Die Routine wird sich ändern. „Besteck werden wir nicht mehr vorab decken“, legt sich Maiou fest. Aber was ist mit dem Salzstreuer, der Pfeffermühle? Und müssen die Mitarbeiter im Service Mundschutz tragen? In der Schweiz wird dies empfohlen, in Österreich soll es verpflichtend sein.

Was ist mit dem Engpass auf dem Weg zur Toilette?

Und auch ganz individuelle Probleme müssen gelöst werden. Die Toilette im „Sokrates“ befindet sich im Keller, die Treppe hinunter ist zu schmal in Mindestabstand-Zeiten wie diesen. „Es darf sich dort niemand begegnen. Wir haben uns überlegt, oben ein Schild hinzuhängen, das man drehen kann: besetzt und frei“, berichtet Maiou. Ein Desinfektionsspender stünde dort dann selbstverständlich parat.

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Auch nicht alle Mitarbeiter werden gleich wieder voll beschäftigt werden können. In der Küche planen sie mit nur zwei Personen, „das würde gehen“, sagt Maiou, die trotz der schwierigeren Zeiten positiv denkt: „Das wird schon!“

Gute Nachrichten aus Stuttgart

Dazu passten weitere gute Nachrichten, die am Mittwoch aus Stuttgart kamen. So soll der Mehrwertsteuersatz auf Speisen vorübergehend auf sieben Prozent gesenkt werden. Wirtschaftsministern Nicole Hoffmeister-Kraut kündigte zudem im Landtag ein Sofortprogramm an, das direkte, nicht rückzahlbare Zuschüsse an die Betriebe vorsieht.

Geholfen hat auch den „Sokrates“-Besitzern die Soforthilfe, die nach einer Umfrage des baden-württembergischen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga) mehr als 90 Prozent der Betriebe beantragten. Der Abholservice helfe ebenso, viel bleibt da auch wegen der Kosten für die Verpackungen jedoch nicht hängen.

Zuspruch der Gäste ein Trost in "harten Wochen"

Im Schloss Eberstein organisiert Werner mit den neun Auszubildenden - die 70 übrigen Mitarbeiter sind in Kurzarbeit - einen Lieferservice, der Chef steht selbst in der Küche. Viel Spaß bereite ihm das und das sei auch – so wie der Zuspruch der Gäste – ein Trost in den „für einen Unternehmer und Gastronom harten Wochen, in denen man aus nachvollziehbaren Gründen ferngesteuert war“.

Nichts sehnlicher erwartet Bernd Werner, als dass sich die ausladende Terrasse wieder mit Leben füllt. So wie es sich in Karlsruhe Roxani Maiou wünscht, endlich nicht mehr auf dem kahlen Vorplatz zu sitzen – sondern dort ihre Gäste begrüßen und bewirten zu können: Mit herzlichem Abstand.

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