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Wie Baden Großherzogtum wurde

Amalie und der "Königsbäcker": Napoleon in Karlsruhe

Der „einzige Mann am badischen Hof“ war – eine Frau. Das meinte jedenfalls Napoleon. Denn Markgräfin Amalie hatte als einzige den Mut, sich den Wünschen des mächtigen Kaisers der Franzosen zu widersetzen. Napoleon, dessen Geburtstag sich am 15. August zum 250. Mal jährt, lernte die eigenwillige Dame bei einer Stippvisite in Karlsruhe kennen.

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Napoleon, der „Königsbäcker“, holt drei frisch gebackene Kronenträger aus dem Ofen: den König von Bayern, den König von Württemberg sowie den Großherzog von Baden. Ausschnitt aus einer kolorierten Radierung des britischen Karikaturisten James Gillray von 1806. Foto: imago images / Photo12

Der „einzige Mann am badischen Hof“ war – eine Frau. Das meinte zumindest Napoleon. Denn Markgräfin Amalie stand zu ihren Überzeugungen. Selbst wenn sie damit riskierte, ihn, den mächtigsten Mann Europas, vor den Kopf zu stoßen. Der Kaiser der Franzosen und die verwitwete Schwiegertochter des badischen Kurfürsten – im Karlsruher Schloss trafen sie sich Anfang 1806 zu einem Vier-Augen-Gespräch. Die denkwürdige Begegnung fand in jenem Jahr statt, in dem Baden zum Großherzogtum von Napoleons Gnaden aufstieg.

Der Königsbäcker

Auf dem Höhepunkt seiner Macht beherrschte Napoleon Bonaparte, geboren am 15. August vor 250 Jahren auf Korsika, weite Teile Kontinentaleuropas. Als "Königsbäcker" stellte ein britischer Karikaturist den ehemaligen Revolutionsgeneral 1806 dar. Denn der Kaiser der Franzosen verteilte großzügig Kronen. Vor allem an seine gierige Verwandtschaft. Aber auch an einige deutsche Fürsten, die ihr Staatsgebiet im Gefolge Napoleons auf Kosten anderer Reichsstände kräftig ausbauen konnten.

Den badischen Kurfürsten lässt Napoleon zappeln

Zum 1. Januar 1806 hatte Napoleon etwa die Kurfürsten von Bayern und Württemberg zu Königen befördert. Der alte Kurfürst von Baden hingegen, der bis 1803 „nur“ ein Markgraf gewesen war, wartete noch auf eine weitere Rangerhöhung.

Heirat auf Befehl

Umsonst gab es die Gunst des starken Mannes, der die politische Landkarte Europas neu zeichnete, allerdings nicht. Napoleon wollte die neuen Mittelstaaten fest an Frankreich binden und das Heilige Römische Reich deutscher Nation zerschlagen. Zudem wünschte der gewiefte Stratege, seine Bündnisse mit alten Fürstenhäusern durch Heiraten zu festigen. Für den badischen Kurprinzen Karl hatte er Stéphanie de Beauharnais ausgesucht. Sie war eine entfernte Verwandte von Napoleons Frau, der Kaiserin Josephine.

Entsetzen in Karlsruhe

In Karlsruhe war man entsetzt. Der Erbe des „uralten Hauses Baden“ sollte Gemahl einer völlig unbekannten kleinen Französin werden? Was für eine Zumutung! Noch dazu war Kurprinz Karl bereits mit einer bayerischen Prinzessin verlobt. Undenkbar, dieses Versprechen zurückzunehmen. Undenkbar?

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Markgräfin Amalie von Baden (1754-1932) war in den Augen Napoleons „der einzige Mann am badischen Hof“ – sie wagte es, ihm Widerstand zu leisten. Foto: Badisches Landesmuseum

Für die bayerische Braut hatte Napoleon ebenfalls Pläne: Sie sollte seinen Stiefsohn heiraten.

So peinlich die aufgezwungenen Verbindungen auch sein mochten – die Staatsraison ging vor. In Bayern wie in Baden willigte man daher zähneknirschend ein. Doch die Mutter des badischen Bräutigams zeigte sich stur. Niemals wollte die 51-Jährige Amalie einer derartigen Mesalliance zustimmen.

Nur "ein kleiner Lump"

Napoleon, dieser Kaiser, der sich die Krone selbst aufs Haupt gesetzt hatte: In den Augen der adelsstolzen Amalie war er nur ein Emporkömmling, ein „kleiner Lump“.

Amalie hingegen war eine geborene Prinzessin von Hessen-Darmstadt. Eine verwitwete Markgräfin von Baden. Und die "Schwiegermutter Europas". Der Zar von Russland, der König von Schweden und auch der frischgebackene König von Bayern waren ihre Schwiegersöhne. Wie konnte der „drollige Korse“ sich einbilden, dass Amalie jemals ein „Fräulein de Beauharnais“ als ihre „liebe Tochter“ empfangen würde?

Markgräfin Amalie tobt

Die Markgräfin tobte, als sie erfuhr, dass ihr Sohn Karl sich bereit erklärt hatte, das „Opfer“ der französischen Heirat auf sich zu nehmen. Am Ende ihres Zwistes war der Kurprinz so verschüchtert, dass er Napoleon bekniete, selbst mit seiner eigenwilligen Mutter zu verhandeln.

Napoleon im Anmarsch

In Begleitung seiner Frau Josephine kam der Kaiser der Franzosen zur Stippvisite nach Karlsruhe. Zunächst zog er sich mit Amalies Schwiegervater, dem altem Kurfürsten Karl Friedrich, zu einem vertraulichen Gespräch zurück. Natürlich ging es da auch um die geplante Heirat. Bei dieser Gelegenheit erinnerte der schon reichlich tattrige Badener daran, dass Napoleon dem Bayer und dem Württemberger bereits die Königskrone verschafft habe. Er  selbst aber warte noch immer ...

Frostige Atmosphäre bei Tisch

Ziemlich frostig ging es danach beim Abendessen im Kreise der badischen Fürstenfamilie zu. Einige Leute am Tisch übersah Napoleon geflissentlich. Und wenn er das Wort an den Kurfürsten richtete, schrie er „wie ein Adler“, so als ob der alte Herr taub sei. Nur die Markgräfin Amalie, die als erste Dame des Hofes neben ihm saß, behandelte der Kaiser mit ausgesuchter Höflichkeit.

Komplimente für die Markgräfin

Die Markgräfin registrierte mit Befriedigung, dass Napoleon sie stets als „Euer Hoheit“ würdigte, während er ihren Schwiegervater nur mit dem einfachen „Sie“ ansprach. Der Kaiser machte ihr Komplimente und plauderte mit ihr über ihre vornehme Verwandtschaft. Dabei versäumte er es allerdings nicht, vergiftete Pfeile gegen den russischen Zaren sowie die Könige von Schweden und Bayern abzuschießen. Auf Amalie selbst war eine Bemerkung gemünzt, wonach sich Frauen nicht in die Politik einmischen sollten. Sie verstünden ja ohnehin nichts davon.

Zwischen Faszination und Abscheu

Amalie betrachtete den Kaiser mit einer Mischung aus Faszination und Abscheu: „Napoleon sieht nicht gut aus“, schrieb sie später an ihre Schwester in Weimar. Der Kaiser habe durchdringende Augen und ein lebhaftes Mienenspiel, spreche viel, aber recht gut: „Er wiederholt sich manchmal, besonders, wenn er von sich selbst und seinen großen Taten und so weiter spricht.“

Ein gefährlicher Gegner

Am nächsten Morgen fand das heikle Vier-Augen-Gespräch über Karls Hochzeit statt – nur Napoleon und Amalie. Der Kaiser war Charme pur. Doch hinter seinen freundlichen Worten lauerte Gefahr. Der Mann war hervorragend über die Belange der Markgräfin informiert. Er machte gar nicht erst ein Geheimnis daraus, dass er Amalies Korrespondenz ausspionieren ließ. Sie beschloss, das Spiel auf Napoleons Weise zu spielen: Verbindlich im Ton, aber hart in der Sache.

Heuchler unter sich

Amalie schlüpfte in die Rolle der zärtlichen Mutter, die nur das Beste für ihren einzigen Sohn wollte. Hatte Napoleon sie nicht gerade gelobt dafür, wie klug sie ihre Töchter verheiratet hatte? Auch ihr Sohn musste eine Gemahlin bekommen, die dem Fürstenstand entstammte – also leider nicht Stéphanie de Beauharnais. Da Karls Braut inzwischen an Napoleons Stiefsohn vergeben war, käme vielleicht eine jüngere Bayernprinzessin in Frage?

Napoleon heuchelte Verständnis, beteuerte, dass er keinesfalls Zwang auf Amalie ausüben wollte. Nur möge die Markgräfin bitte bedenken, wie viele Vorteile Baden bereits durch sein Wohlwollen erfahren habe und was Land noch alles erwarten dürfe ...

Amalie verliert die Partie

Amalie spürte: Der Schlagabtausch geht in die entscheidende Runde. Sie glaubte, einen Trumpf auszuspielen, als sie sagte: „Ich bin eine alte Frau und neige zu Vorurteilen. Wenn das Mädchen doch wenigstens von Ihrem Blut wäre, aus Ihrer Familie ...“. Doch darauf antwortete Napoleon wie aus der Pistole geschossen: „Nun gut, ich adoptiere das Kind.“

Nun hatte Amalie keine Argumente mehr. Denn durch die Adoption wurde Stéphanie de Beauharnais nach Recht und Gesetz die Tochter Napoleons. „Der kleine Lump“ hatte die Partie gewonnen.

„Zweifellos habe ich keinen Erfolg gehabt", schrieb Amalie später an ihre Schwester - aber es bleibe ihr doch "der Trost, dass ich mir in dieser Hinsicht nichts vorzuwerfen habe". Die Achtung Napoleons hatte sie immerhin gewonnen. Er versuchte, "dem einzigen Mann am badischen Hof" die Niederlage zumindest finanziell etwas zu versüßen. Auf seinen Befehl hin wurde die Witwenbezüge der Markgräfin Amalie kräftig erhöht.

Wie es weiter ging

Am 8. April 1806 heiratete Kurprinz Karl in Paris die „Kaiserliche Hoheit“ Stéphanie Napoleon. Im Juli unterzeichnete Baden die Rheinbundakte. Damit verpflichtete es sich, Napoleon im Kriegsfall beizustehen und Soldaten zu stellen. Noch einmal erfuhr das Land eine Vergrößerung. Alles in allem vermehrte Baden von 1802/03 bis 1810 die Zahl seiner Einwohner von 190.000 auf fast eine Million.

Nur ein Großherzogtum

Die Königskrone hat der greise Karl Friedrich zu seiner Enttäuschung trotzdem nicht erhalten. Für Baden zog „Königsbäcker“ Napoleon nur einen Großherzog aus dem Ofen. Dem stand aber immerhin die Anrede „Königliche Hoheit“ zu.

Die liebe Verwandtschaft

Amalie, die mit ihrer französischen Schwiegertochter nicht warm wurde, zog sich nach Bruchsal zurück, das zu dem "Neuerwerbungen" Badens zählte. Im Schloss der entmachteten Fürstbischöfe ließ sie sich ein Appartement einrichten. Dass Baden nach Napoleons Sturz seine territorialen Gewinne wahren konnte, war nicht zuletzt eine Spätfolge von Amalies Heiratspolitik. Zar Alexander, ihr russischer Schwiegersohn, hielt seine schützende Hand über das Großherzogtum.

Ausflugstipps um Thema

Badisches Landesmuseum: Um „Baden und Europa“ geht es im zweiten Obergeschoss des Karlsruher Schlosses. Diese Dauerausstellung des Badischen Landesmuseums setzt mit der französischen Revolution ein. Sie behandelt den von Napoleon bestimmten Übergang von der Markgrafschaft zum Großherzogtum und führt bis ins 21. Jahrhundert. Einblicke in die badische Dynastiegeschichte von 1715 bis 1918 erhält man zudem in der kleinen Ausstellung „Schloss und Hof“ . Schloss Bruchsal: Das ab 1722 erbaute Barockschloss Bruchsa l war einst die Residenz der Fürstbischöfe von Speyer. Diese waren nicht nur geistliche Oberhäupter, sondern auch Landesherren, also weltliche Herrscher. Das änderte sich in napoleonischer Zeit: Der letzte Fürstbischof von Speyer wurde 1802 abgesetzt – und Bruchsal fiel an Baden. Im Schloss richtete man ab 1806 für die verwitwete Markgräfin Amalie von Baden ein Appartement her. Sie ließ es im damals modernen Empire-Stil ausstatten.

Wollen Sie mehr wissen über die  bis heute nachwirkende territoriale Neuordnung des deutschen Südwestens in der napoleonischen Zeit? Hier gibt es ausführliche Informationen .

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