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Ermittlungen gegen Funktionäre

Betrug bei Verdi in Nordbaden? Staatsanwalt­schaft Mannheim durchsucht Gewerkschaftszentrale

Abzocke bei Verdi? Staatsanwälte haben die Gewerkschaftszentrale in Mannheim durchsucht. Arbeitnehmervertretern wird vorgeworfen, die Kosten für ihre interne Klausur den Arbeitnehmern untergeschoben zu haben. Arbeitsrechtler sprechen von illegaler Gegnerfinanzierung. Der Staatsanwalt nennt das Betrug.

Verdi Logo
Gewerkschaftler vor Gericht: In Mannheim sind Verdi-Funktionäre des Betrugs angeklagt. Sie sollen illegal Geld von Unternehmen für Gewerkschaftsarbeit abgezweigt haben. Foto: dpa

Stell Dir vor, Gewerkschaftsfunktionäre treffen sich zur Vorstandsklausur und die Arbeitgeberseite zahlt nicht nur die Schnittchen, sondern auch die Hotelübernachtungen, den Referenten und gleich noch zwei Tage Lohn oder Gehalt.

In dem konkreten Fall, in dem die Staatsanwaltschaft Mannheim derzeit gegen Funktionäre und Mitarbeiter der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi ermittelt, geht es allerdings nicht um besonders spendable Unternehmer, sondern um den Vorwurf eines dreisten Betrugs.

Gewerkschaftsklausur als Betriebsratsschulung deklariert

Der Staatsanwalt geht dem Verdacht nach, interne Gewerkschaftsveranstaltungen seien wahrheitswidrig als Betriebsratsschulungen deklariert und so zu Lasten der Unternehmen abgerechnet worden.

Gewerkschaftsfunktionäre in Nordbaden sollen ihre Doppelfunktion als Betriebsräte und Gewerkschafter genutzt haben, um Kosten ihrer Gewerkschaftsarbeit auf ihre Arbeitgeber abzuwälzen.

Verdi tagt und Arbeitgeber, in diesem Fall vor allem Unternehmen der öffentlichen Hand, zahlen die Zeche.

Wie oft man diese aus Gewerkschaftssicht kostengünstige Lösung gewählt hat, ist unklar. Konkret ermittelt wird im Falle zweier Klausuren in den Jahren 2014 und 2015.

Hausdurchsuchung bei Verdi

Im Juli dieses Jahres ließ die Staatsanwaltschaft dann die Gewerkschaftszentrale von Verdi in Mannheim durchsuchen.

Man findet E-Mails, die nahe legen: die Vorstandsklausur wurde als Betriebsratsschulung fingiert, mit dem einzigen Ziel, die Kosten auf die Arbeitgeber abzuwälzen.

Die Betriebe zahlen nicht nur die Spesen, die bei der Konferenz der Gewerkschafter anfallen.

Sie stellen die Arbeitnehmervertreter zur Gewerkschaftsarbeit auch noch frei und bezahlen den Lohn weiter, während die Funktionäre darüber diskutieren, wie den Arbeitgebern am besten beizukommen ist.

Betrug und illegale Gegnerfinanzierung

Die Staatsanwaltschaft spricht von Betrug. Arbeitsrechtler nennen das illegale Gegnerfinanzierung.

„Was glauben Sie, was in der Wirtschaft los ist, wenn das öffentlich wird?“ Arnd Diringer, Professor für Arbeitsrecht an der Hochschule Ludwigsburg sieht schwere Zeiten für das Vertrauensverhältnis zwischen Arbeitgebern und Betriebsräten voraus.

Grundsätzlich dürfen und müssen sich Betriebsräte stetig weiterbilden, um die Interessen ihrer Kollegen effektiv vertreten zu können. Und grundsätzlich müssen die Unternehmen für die Kosten dieser Fortbildungen auch aufkommen. „Aber diese Geschichte wird einen Skandal auslösen, zumindest innerhalb der Unternehmen.“

"Vertrauen zwischen Betriebsräten und Unternehmer beschädigt."

Ähnlich sieht das auch Alexander Zumkeller, Jurist aus Baden-Baden und Präsident des Bundesverbandes der Arbeitsrechtler in Unternehmen: „Wenn die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft stimmen, dann ist das klare Gegnerfinanzierung. Jeder einzelne Betriebsrat, der da hingegangen ist und seinem Arbeitgeber die Rechnung zur Bezahlung vorgelegt hat, hat seinen Arbeitgeber betrogen. Sehr oft werden die Rechnungen aber direkt von der Gewerkschaft an den Arbeitgeber geschickt. Dann ist es Betrug der Gewerkschaft.“

Auch Zumkeller fürchtet einen großen Vertrauensverlust im Verhältnis zwischen Betriebsräten und den Chefs. „In Zukunft, denke ich, wird jeder einzelne Betriebsrat von seinem Arbeitgeber gebeten, die Tagesordnung der Schulung vorzulegen und man wird wohl verstärkt überprüfen, ob die Schulung auch diesen Inhalt hatte. Betriebsräte werden sich gefallen lassen müssen, dass kontrolliert wird – bis hin zur Vorlage der Schulungsunterlagen.“

Auch gegen Whistleblower wird ermittelt

Das Ganze wäre wohl nie rausgekommen, hätten sich nicht Verdi-Funktionäre mit zwei Mitarbeitern jener gewerkschaftsnahen Genossenschaft überworfen, die die Pseudo-Schulungen letztlich organisiert haben soll.

Die verstehen sich als Whistleblower, weil sie den möglicherweise verräterischen E-Mail-Verkehr an die Staatsanwaltschaft gaben.

In diesen Mails ist offen davon die Rede, die alljährliche Vorstandsklausur als Betriebsratsseminar zu tarnen, damit seien sie „erstens arbeitgeberfinanziert und zweitens werfen sie noch was für die Organisation ab“.

Unternehmen tragen die Kosten

Offen wird kommuniziert, wie man sich die alljährliche Klausur eines Fachbereichsvorstands von den Arbeitgebern bezahlen lassen kann.

Weil fast alle, die in diesem ehrenamtlichen Verdi-Vorstand sitzen, im Hauptberuf als Betriebsräte fungieren, fällt es offenbar leicht, die Kosten den Unternehmen unterzuschieben.

Ausgeschrieben wird laut interner Kommunikation eine handelsübliche Betriebsratsschulung zum Thema „Neue Rechtsprechung“. Doch die Ausschreibung wird nicht für alle Betriebsräte im Land veröffentlicht, sondern ganz gezielt an einen kleinen Personenkreis, eben den Vorstand des Verdi-Fachbereichs, verschickt.

Verdi: Wir kooperieren vollumfänglich

Möglicherweise besonders verräterisch ist der gedankenschnelle Hinweis einer Teilnehmerin: „Wir können nicht auf neue Rechtsprechung buchen, da wir das bereits hatten. Wir brauchen einen anderen Tenor.“

Inzwischen gelten übrigens auch die beiden Whistleblower als Beschuldigte.

Verdi bestätigt, dass ihre Räumlichkeiten in Mannheim durchsucht wurden, betont aber, es werde ausdrücklich nicht gegen Verdi ermittelt, sondern gegen einzelne Personen. Man kooperiere mit den Ermittlungsbehörden vollumfänglich. „Wir haben ein hohes Interesse, den Fall aufzuklären“, sagt Andreas Henke, Pressesprecher des Verdi-Landesbezirks Baden-Württemberg.

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