Junge Menschen, oft begleitet von ihren Eltern, strömten in Massen an diesem Samstag zur Messe Karlsruhe in Rheinstetten. Rund 370 Unternehmen und schulische Ausbildungsstätten präsentierten sich von 10 Uhr bis 15.30 Uhr auf der Ausbildungsmesse Einstieg Beruf.
Seit dem Industrie- und Handelskammer , Bundesagentur für Arbeit und Handwerkskammer gemeinsam die Regie bei der Organisation dieser Messe übernommen haben, so Waldemar Jonait von der Berufsberatung der Bundesagentur bei einem Presserundgang habe sich die Ausbildungsmesse "phänomenal gut" entwickelt.
Handwerk baut große Schau-Stände auf
Das Handwerk, das in großem Stil in der Halle 2 der Karlsruher Messe seine Informations- und Schaustände aufgebaut hatte, hat die Zeichen der Zeit erkannt. Um die Ausbildungsstellen besser zu besetzen, muss mehr geworben werden.
So hat die Heinrich-Hübsch-Schule im Umfeld des Handwerkerareals mehrere Tische aufgebaut, an denen Auszubildende jungen Besuchern ermöglichen, den Umgang mit Feile, Bohrern, Schraubenziehern auszuprobieren. Motto: "Berufe zum Anfassen". Viele lassen sich die Chance nicht entgehen. In wenigen Minuten entsteht aus Metall, Kunststoff und Holz ein kleiner Lampenschirm.
Einer der Auszubildenden sagt: „Wir wollen die Lust am Zusammenspiel von Hand- und Kopfarbeit wecken“. Ein paar Meter weiter sind junge Leute, die den Beruf des Elektronikers anstreben. Dort können Jugendliche Stecker und Verlängerungskabel mit Hilfe eines Schraubenziehers verbinden.
Einer der Auszubildenden meint zum Andrang auf der Ausbildungsmesse Einstieg Beruf: "Dieses Jahr sind deutlich mehr Mädchen als vergangenes Jahr da. Für uns ist es ein Nachteil, weil immer noch mehr Jungen einen 'E-Beruf' anstreben."
Vielleicht kommt dies den Sozial- und Pflegeberufen entgegen. Sie waren, so Jonait, so stark wie noch nie vertreten. Gut bildet sich dies durch die starke Präsenz von Kliniken aus der Region, vom städtischen Klinikum über das Diakonissenkrankenhaus bis zum SRH-Klinikum in Langensteinbach, ab. Dabei stellt Berufsberater Jonait lakonisch fest: „Wir werden nie einen Ausgleich zwischen angebotenen Stellen und Berufswünschen herstellen können.“
Die Bezahlung kannsich durchaus sehen lassenEin Auszubildender aus dem Fleischer-Beruf
Eine Firma, die es angesichts der aktuellen Diskussionen über Tierwohl und Trends zu mehr veganer Ernährung, nicht so leicht haben dürfte, ist das Edeka-Fleischwerk in Rheinstetten. Zwei junge Leute, ein Fleischer und ein kaufmännischer Auszubildender erzählen dennoch voller Begeisterung von ihrem Handwerk, weisen auf die guten Zukunftsperspektiven hin und die Bezahlung in den ersten Ausbildungsjahren „kann sich sehen lassen“.
Anmerkungen von Wolfgang Grenke
Derweil ist IHK-Präsident Wolfgang Grenke bei seinem Rundgang von dem „Speeddating“-Stand auf der Messe angetan: „Das hilft jungen Menschen, die richtige Wahl zu treffen." Für einige Unternehmen ist das Speeddating zum Finden des richtigen Arbeitsplatzes eine günstige Gelegenheit, da zum Zeitpunkt der Messe noch nicht alle Ausbildungsplätze für 2020 besetzt sind.
Manch ein Personalverantwortlicher kann einem Jugendlichen, der gleich noch seine Bewerbungsunterlagen mitgebracht hat, an Ort und Stelle nach einem zehnminütigen Gespräch gleich die Zusage geben. Er kann im September mit einer Ausbildung beginnen.
Gastronomie klagt nicht
Gar nicht das Klagelied vom Fachkräftemangel in der Hotellerie und Gastronomie anstimmen will Ute Schlagenhauf am Stand der Sterne-Gastronomie wie Erbprinz in Ettlingen, Schwitzers’ in Waldbronn oder Bareiss in Baiersbronn: Die bekannten gastronomischen Betriebe werben für einen Karriere als Restaurantfachfrau, Koch oder Hotelfachmann unter anderem mit dem Motto „Willst Du Deinen Senf dazu geben?“
Stark auf der Messe eines schwieriger gewordenen Ausbildungsmarktes sind die Metall- und Elektroindustrie vertreten. Hier können Jugendliche den Berufsalltag live erleben. Es gibt sogar die Möglichkeit, gleich im Motorraum eines Autos herumzuschrauben, um ein Gefühl für den Beruf des Mechatronikers zu erhalten.
Dabei kann nicht früh genug geübt werden. Eine Familie ostasiatischer Herkunft lässt ihre zwei vielleicht acht bis zehn Jahren alten Kinder gleich mit dem passenden Schlüssel am Motor eines kleinen Fiats einer beruflichen Schule arbeiten.
Ein gutes Beispiel für gelungene berufliche Integration von Migranten gibt der junge Milad am Stand der Ettlin AG, die textile Gewebe, insbesondere für die Industrie, herstellen: Der junge Mann, der vor vier Jahren nach Deutschland kam und hier die Schule abschloss, wirbt in fließenden Deutsch für den Beruf des Maschinen- und Anlagenführers Textil. Gleichzeitig bedauert er, dass viele seiner jungen Landsleute keinen Ausbildungsplatz finden: „Ohne Deutsch geht es nicht.“
Junge Leute präsentieren Medienhaus BNN
Ebenfalls präsent auf der Ausbildungsmesse waren die BNN in Halle 1 mit ihren Ausbildungsangeboten. Die Redakteurin Eva-Christin Scheu und Alicia Nagel, Assistentin der Geschäftsführung, und viele andere junge BNN-Leute informieren über das vielfältige Ausbildungsangebot des Medienhauses.
Es reicht vom Volontariat für den Beruf des Redakteurs über den Mediengestalter bis zum Medienkaufmann. Auch hier die Rückmeldung: „Das Interesse ist groß.“
Lieber gärtnern als in die Verwaltung
Dominik Schäfer, Ausbilder bei der Iffezheimer Firma Kronimus, die Baustoffe und Betonteile aller Art herstellt, ist zufrieden über die Resonanz an seinem Firmenstand. Ein von den Auszubildenden gebauter „Kicker“ (Großes Tischfußballspiel) aus Beton ist Anziehungspunkt junge Menschen an. „Wir haben unglaublich viele Anfragen für Praktika im Beruf des Betonteilfertigbauers gehabt“, so Schäfer.
Von Jugendlichen, die Lust darauf haben, bei der Stadt Rheinstetten zu arbeiten, berichtet Auszubildende Eisenmenger. Sie erstaunt, wie eine junge Frau auf ihre Frage, für welchen der vielfältigen Angebote sie sich interessiere, von den Verwaltungsberufen nichts wissen will. „Ich möchte Gärtnerin werden, da bin ich an der frischen Luft“. Dem Berufswunsch dürfte nicht viel im Weg stehen.
Treibwagenführer und Busfahrer
Und beim Stand von VBK und AVG sind nicht etwa die Berufe in Werkstatt oder kaufmännischen Abteilungen die Renner: Stark nachgefragt sind Ausbildungen zum Triebwagenführer und Busfahrer.
Bei der Firma Basi in Rastatt nennt der Ausbildungsleiter gleich den Grund, weshalb der Industriegase-Hersteller in Rheinstetten präsent ist: "Obwohl es uns schon 100 Jahre gibt, kennen uns nur wenige." Dabei sei das Unternehmen einer der wichtigsten Hersteller von Industriegasen, die in der Automobilindustrie bis in den Kliniken Anwendung finden.
Dieses Mal hat die Firma den "Dreh raus": Es gibt Eistee aus Trockeneis. Der Stand mit dem Getränk ist umlagert. Das Eis in den Trinkgläsern verdampft direkt, was das Auge des Betrachter fasziniert.
Herbert Friedrich von Weisenburger Bau GmbH weiß, weshalb sein Unternehmen erstmals auf der Messe dabei ist: "Wir verlagern in den nächsten Monaten unserer Firmensitz von Rastatt nach Karlsruhe. Da ist es gut, wenn wir bei den jungen Leuten in der Stadt Karlsruhe als Ausbildungsbetrieb etwas für unseren Bekanntheitsgrad tun."
Ausbildungsplatzdschungel
Wie man in dem Ausbildungsplatzdschungel - allein das Handwerk ist mit 180 Berufen vertreten - den Überblick hat, erfahren die Besucher nach der Eröffnung der Messe in wechselnden Vorträgen.
Ob die Veranstalter die angestrebte Zahl von 20 000 Besuchern bis zu Ende um 15.30 Uhr erreichten, konnten die Organisatoren nicht sicher sagen. Ausgehend davon, dass schon vor 10 Uhr der große Parkplatz eins bei der Messe belegt war, viele mit dem Shuttlebus vom Hauptbahnhof kamen und um 11 Uhr der zweite große Parkplatz ebenfalls belegt war, deutet einiges darauf hin.
Bleibt noch die "Vier-Punkte-Anmerkung" von Wolfgang Grenke, worauf es aktuell auf dem Ausbildungsmarkt ankommt: Junge Leute aus bildungsfernen Familien an den Arbeitsmarkt heranführen, die Weiterbildung generell forcieren, Verbesserungen bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie und schließlich die Umsetzung des Fachkräfte-Einwanderungsgesetzes.