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Zum Tod von Luigi Colani

Abschied vom Design-Visionär

Der Stardesigner und Wahl-Karlsruher Luigi Colani war so kreativ wie streitbar. In einem Paralleluniversum hätte Karlsruhe möglicherweise ein weltbekanntes Colani-Museum und ein international beachtetes Fußballstadion, entworfen vom „Gott der geschwungenen Linie“. Jetzt ist Colani mit 91 Jahren gestorben. Ein Nachruf.

DEsigner Luigi Colani
Luigi Colani in einem von ihm gestylten "Habitaner", einem Wohnmodul für Einzelpersonen. Foto: Roland Scheidemann
Der Stardesigner und Wahl-Karlsruher Luigi Colani war so kreativ wie streitbar. Aber: Die Hoffnung auf ein eigenes Museum erfüllte sich nicht. Jetzt ist Colani mit 91 Jahren gestorben. Ein Nachruf.

In einem Paralleluniversum hätte Karlsruhe möglicherweise ein weltbekanntes Colani-Museum und ein international beachtetes Fußballstadion, entworfen vom „Gott der geschwungenen Linie“. Als solcher galt der Designer Luigi Colani, und diese Großprojekte waren in den Jahren 2000 und 2007 durchaus im Gespräch. Beides kam nicht zustande – wie etliche der Großprojekte, die Colani als wortgewaltiger Star seiner Branche oft in schillernden Ankündigungen anpries.

Feldzug gegen Ecken und Kanten

So stromlinienförmig wie seine Kreationen war der 1928 in Berlin als Lutz Colani geborene Künstler keineswegs: Geradezu unerbittlich führte er einen Feldzug gegen Ecken und Kanten im Design. Die gerade Linie hatte für ihn „philosophisch gesehen gar keine Daseinsberechtigung in unserem Universum.“

Er selbst sei nur „dummer Übersetzer“ der Eindrücke, die er aus der Natur gewinne. Doch seine Leidenschaft für runde, geschwungene Formen war nicht nur ästhetisch begründet: Mehrfach betonte Colani, dass aerodynamische Formen beim Auto- und Flugzeugbau den Spritverbrauch senken würden – und bewies das auch. 1981 erreicht er mit einem Gefährt auf Grundlage eines Citroen 2CV, der legendären „Ente“, den Durchschnittsverbrauch von 1,7 Litern auf 100 Kilometern. Bereits 1970 plädierte er für ein Miniauto mit Elektromotor und befand, es sei

Hirnverbrannter Blödsinn, für Menschen, die beim Fahren ein Viertelquadratmeter Platz benötigen, Autos von sechs mal zwei Metern zu bauen.

Nicht nur in diesem Zitat war er ein Mann der klaren Worte. Ob er nun in Hamburg interviewt wurde oder in Pforzheim – stets war er gut für Verbal-attacken gegen die Durchschnittlichkeit seiner Branche oder die Reformstarre in deutschen Firmen (siehe O-Ton-Kasten). Besser verstanden als in Deutschland fühlte sich der wegen seiner Arbeit mit Gips stets in Weiß gekleidete Designer in Asien, wo er nach eigenen Worten „wie ein Gott“ behandelt wurde.

Designer Luigi Colani
Der Designer Luigi Colani raucht während eines Interviews. Foto: Uli Deck/Archiv

In der Tat feierte sein biomorphes Design große Erfolge in Japan und China: Sein ergonomischer Entwurf des Modells T90 für Canon von 1986 etwa zeigt sich auch noch heute in den digitalen Flaggschiffen des Konzerns. In China hatte er ab 1995 an mehreren Universitäten Professuren für Design inne. Sein dort geplantes Lebensprojekt einer „Eco-City“, die in Form und Funktion einem liegenden menschlichen Körper nachempfunden sein sollte, wurde aber nie realisiert.

Karlsruher Projekte

Das gilt auch für die eingangs erwähnten Karlsruher Projekte: Im Jahr 2000 erregte die Nachricht, dass Colani ein neues Stadion für den KSC entwerfen werde, bundesweit Aufsehen. Colani kündigte damals „eine Weltsensation, ein absolutes Novum“ an und zeigte sich vor allem stolz auf die „einzigartige Dachkonstruktion“. Die sollte Karlsruhe zum ersten voll verschließbaren und beheizbaren Stadion verhelfen, womit auch eine Bewerbung als Spielort der WM 2006 anvisiert wurde. Doch der Entwurf überstieg die finanziellen Möglichkeiten der Beteiligten.

Karlsruhe ist eine runde Stadt,
das gefällt mir.

Eine andere Ankündigung im Umfeld des Stadionbaus hingegen wurde in die Tat umgesetzt: Colanis Umzug aus China ins Badische. „Karlsruhe ist eine runde Stadt, das gefällt mir“, zitierte ihn „Die Welt“ im Februar 2000. Bald darauf verkündete er in der Fächerstadt des Öfteren: „Karlsruhe braucht mehr Remmidemmi.“ Denn ab 2002 hatte Colani dann tatsächlich seinen Hauptwohnsitz im Stadtteil Neureut, wo in einer Halle auch einige seiner größten Designobjekte entstanden: Lkw, die aufgrund ihrer stromlinienförmigen Hülle statt der üblichen 35 bis 38 Liter Treibstoff nur knapp 21 Liter auf 100 Kilometer verbrauchten.

Ein solcher Truck der Ettlinger Firma Bardusch war bald auf den Straßen der Region zu sehen, etliche der imposanten Fahrzeuge standen auch lange vor der Karlsruher Nancyhalle: Dort lief von Mai 2004 bis September 2005 die Ausstellung „Colani – Das Gesamtwerk“. Die Ansammlung von rund 1 000 Objekten vom Ferrari bis zum Feuerzeug erreichte nach schleppendem Beginn über 20 000 Besucher pro Monat und verzeichnete auch internationale Gäste. So präsentierte Colani zeitnah zur IAA Frankfurt 2004 einer Delegation von General Motors sein riesiges Wüstenmobil, aus dem sogar ein Helikopter aufsteigen konnte. Ebenso bereitwillig führte er aber auch „Normalbesucher“ wie etwa eine Klasse der Realschule Rüppurr, die er in die Tasten des rund 250.000 Euro teuren Schimmel-Flügels „Pegasus“ greifen ließ.

Lange rang Colani darum, die Nancyhalle zum Museum für sein Lebenswerk machen zu können. Auch ein Verein machte sich dafür stark. Doch da die Stadt sich finanziell nicht beteiligen wollte, gehört das Museum zu jenen 70 Prozent der Ideen und Entwürfe Colanis, die laut eigenen Angaben des rastlos Tätigen nicht realisiert worden sind. Zumindest noch nicht, denn Colani sah sich stets als seiner Zeit voraus. In einem Interview, das er 2018 anlässlich seines 90. Geburtstags gab, sagte er: „Sie können zurückgehen auf das, was ich vor 20, 25 Jahren gesagt habe – das ist heute neu, neu, neu!“

Zitate

Ich bin ein erfolgreiches Schwein und habe riesige Chancen gehabt. 2018 anlässlich seines 90. Geburtstags

Dieses Gebäude könnt ihr euch an den Arsch klatschen! Das ist ganz kalter Kaffee, viel zu kühl und langweilig. 2012 über die Elbphilharmonie Hamburg

Guck dir doch mal die Sachsen an. Die Mützen sehen aus wie umgedrehte Fressnäpfe. Die Hessen sind schon etwas besser, aber diese Turnhemdchen sind auch widerwärtig. Selbst die Amis, die ja eigentlich doof sind, machen bessere Uniformen als die Deutschen. Ebenfalls 2012 über den Trend zu blauen Polizei-Uniformen, den er mit seinem Design für die Hamburger Polizei 2002 ausgelöst hatte

In Deutschland rinnt in einigen Vorstandsetagen der Kalk aus der Hose. 2011 in einem Videointerview

Die spielen doch alle nur in der Pipi-Liga. 2003 anlässlich seines 75. Geburtstags über andere Designer

Da hab’ ich solche blöden Weltrekordautos gebaut, die solche blödsinnigen Geschwindigkeiten fahren, dass ich mich heute fast dafür schäme. 1999 über die Geschwindigkeitsrekorde seiner früheren Autokonstruktionen

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