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Drive-in-Verfahren

Ein unfreiwilliger Selbstversuch zum Ablauf eines Corona-Tests

In Corona-Zeiten wird jedes Niesen und jeder Huster oft sofort analysiert. Ist das noch Heuschnupfen? Oder doch schon Covid-19? Aufgrund anhaltender Beschwerden musste sich unser Redaktionsmitglied Marius Faller einem Corona-Test unterziehen und berichtet von seinen Erfahrungen.

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Beim Drive-in-Verfahren bleiben die getesteten Personen für gewöhnlich im Auto sitzen. Foto: AFP

Halsschmerzen nach der „Fasnet“, wie es in meiner Schwarzwälder Heimat heißt, sind nichts Außergewöhnliches. Laute Musik, die dazu zwingt, das Gegenüber anzuschreien, damit er dann erahnen kann, was man sagen möchte, dazu die verrauchten Bars: Da sind die empfindlichen Stimmbänder schnell mal angeschlagen. Wenn das Halsweh nach zwei Wochen von schleimigem Husten abgelöst wird, ist das auch noch kein Grund zur Besorgnis. Normalerweise.

Trotz ansonsten bester Gesundheit nervt der Husten, den auch bewährte Hausmittel und verschiedenste Medikamente aus der Apotheke nicht beeindrucken können, nach einer gewissen Zeit. Also doch ab zum Hausarzt, ist ja zum Glück nur auf der anderen Straßenseite.

Arztbesuch als Open-Air-Erlebnis

Nach innen darf ich nicht, muss stattdessen bei sechs Grad draußen warten. Allerdings erfreue ich mich bester Gesellschaft, außer mir warten noch vier andere Personen in der Einfahrt der Praxis. Mit gebührendem Abstand und teilweise mit Mundschutz bewaffnet, warten hier alle darauf, dass der Arzt nach draußen kommt.

Alle aktuellen Entwicklungen zum Coronavirus im Überblick

Ein Auto hält neben mir an, die Frau auf dem Beifahrersitz sieht nicht besonders gesund aus. Was sie hat, ist jedoch nicht erkenntlich. Der Mann am Steuer fragt hektisch: „Wo geht es zum Klinikum?“ Ich weise ihm den Weg, er ist quasi schon da. Beim Überqueren der Kreuzung nimmt es der Fahrer mit den Verkehrsregeln nicht allzu genau, ein Unfall bleibt zum Glück aus.

Kurz darauf kommt der Arzt nach draußen. Die Patientin vor mir folgt ihm ein Stück weiter in Richtung Hinterhof, der Rücken wird abgehört. Eine kalte Angelegenheit, nicht nur wegen des Stethoskops.

Bauarbeiter im "Behandlungszimmer"

Zwei Bauarbeiter, die an der Garage daneben beschäftigt sind, halten die Abstandsregel scheinbar für überbewertet. Der Arzt sagt ihnen deutlich seine Meinung dazu. Nach einer Weile bin ich dran, gleiches Prozedere. Die Lunge hört sich gut an, der Arzt vermutet, dass mein verschleimter Hals mit meinem Heuschnupfen zusammenhängt. Normalerweise würde er mir ein leichtes Cortison-Spray verschreiben. Normalerweise. Cortison sei nicht gut für die Abwehrkräfte und komme deshalb nicht in Frage. Auf das Coronavirus soll ich zudem trotzdem getestet werden, bis dahin ist Quarantäne angesagt.

Nur eine Stunde nach meinem Termin auf dem Hinterhof ruft mich eine Frau vom Gesundheitsamt an. Sie ist sehr freundlich, erklärt mir geduldig, dass ich am nächsten Tag einen Termin für einen Drive-in-Test hätte und dass ich innerhalb von 72 Stunden Bescheid bekommen würde, falls dieser positiv ausfallen sollte.

Drive-in-Test

Samstagmorgen, 9.30 Uhr. Normalerweise gibt es jetzt ein ausgiebiges Frühstück mit Pancakes, bevor ich mich mental auf die anstehende Fußball-Bundesliga-Konferenz im Fernsehen vorbereite. Normalerweise. Heute fahre ich stattdessen zu meinem Corona-Test.

Das Navi führt mich zu einer Stelle, an der ich denke, dass nicht nur ich, sondern auch das Gerät ein Virus haben könnte. Mehrere Hinweisschilder wollen mir sagen, dass ich mich auf eine Sackgasse zu bewege und es keine Wendemöglichkeit gebe. Von weitem sehe ich jedoch endlich weitere Autos mit Menschen hinterm Steuer, die wohl in der gleichen Situation sind wie ich.

Ich halte mein Auto an und beobachte das Geschehen. Eine Frau steigt aus einem parkenden Auto aus, geht zu den beiden in Schutzanzügen gekleideten Geschöpfen und wird getestet. So hatte ich mir das Drive-in nicht vorgestellt. Nach kurzer Zeit steigt die Frau wieder in ihren Wagen und fährt davon. Nun ist mein Vordermann an der Reihe, der eigentlich eine Vorderfrau ist. Sie bleibt im Auto sitzen. Innerhalb von einer Minute ist alles vorbei. Eine der Schutzanzug-Figuren kommt zu mir.

Ohne Versichertenkarte geht nichts

Der kleine Teil des weiblichen Gesichts, den ich hinter der Maske erkennen kann, sieht freundlich aus. Späße wie die Frage nach Chicken Nuggets verkneife ich mir, die Situation ist zu ernst. „Guten Morgen. Kann ich bitte Ihre Versichertenkarte haben?“, fragt die Frau höflich. Deutschland bleibt wohl auch in dieser Ausnahmesituation das Bürokraten-Land Nummer eins. Ich reiche ihr meine Karte, sie geht zu dem Häuschen und überschüttet ihre Handschuhe und meine Karte zunächst einmal mit Desinfektionsmittel. Als sie wieder zurückkommt, hat sie einen stabähnlichen Gegenstand in der Hand, an dessen Ende sich ein Watte-Knäuel befindet.

„So Herr Faller, jetzt bitte mal den Mund ganz weit aufmachen und Aaaaa sagen.“ Gesagt, getan. „Das wird gleich etwas unangenehm“, sagt die mutige Frau, die den Kontakt mit den potenziell Infizierten nicht scheut. Ja, es wird wirklich unangenehm. Der Punkt, an dem der Abstrich gemacht werden muss, ist mir dann doch zu weit im Inneren meines Rachens. Endlich ist es vorbei. „So, das war's. Wenn Sie innerhalb von 72 Stunden nicht Bescheid bekommen, dann können Sie davon ausgehen, dass der Test negativ ist. Bis dahin verhalten Sie sich bitte so, als ob Sie den Virus in sich tragen würden.“

Nach 52 Stunden kommt mein Ergebnis

Am Montagmittag, etwa 52 Stunden nach dem Test, sehe ich einen verpassten Anruf vom Gesundheitsamt auf meinem Smartphone. Ich hatte das Handy den ganzen Tag im Blick, nur eben in diesen 30 Sekunden nicht. Als ich zurückrufe wird mir erklärt, dass aktuell alle Anrufe über die zentrale Rufnummer laufen und nicht nachvollzogen werden kann, wer mich angerufen hat. Ich müsse mich gedulden, bis mich erneut jemand bei mir meldet.

Obwohl ich erst Mitte 20 bin, viel Sport treibe und keine Vorerkrankungen habe, geht mein Puls fünf Minuten später deutlich in die Höhe: Mein Handy klingelt erneut. Ein netter Herr ist in der Leitung. „Hallo Herr Faller, es geht um Ihren Corona-Test.“ „Ja …“. Mehr bekomme ich nicht heraus. Der Mann am anderen Ende zögert. Für meinen Geschmack deutlich zu lange. „Ihr Test ist … negativ.“ Ich bedanke mich und lege auf.

Meine Faust ballt sich zu einem kurzen Jubel. Für den Moment kann ich wieder unbeschwert einkaufen gehen. Am liebsten würde ich mir mein Testergebnis um den Hals hängen. Dann würden die anderen Leute in den Supermärkten mich, zumindest für eine kurze Zeit, vielleicht nicht mehr anschauen, als hätte ich eine geladene Waffe in der Hand, wenn ich einen kleinen Huster mal nicht unterdrücken kann. Es sind verrückte Zeiten.

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