Das Zwei-Grad-Ziel ist eine beliebte politische Forderung: Wenn die Erwärmung des Weltklimas zwei Grad Celsius nicht übersteigt, so die verbreitete Meinung, dann könnten irreversible Schäden für Mensch und Umwelt noch vermieden werden.
Für Innenstädte könnte die vermeintlich geringe Erwärmung drastische Folgen haben
"Zwei Grad klingen so harmlos", sagt Bernhard Lenz von der Hochschule Karlsruhe. Dabei verstünden viele Menschen die Ernsthaftigkeit der Situation nicht: "Bei zwei Grad Klimaerwärmung würde es in dicht besiedelten Innenstädten sehr viel heißer werden, das ist das Dramatische", so Lenz. Am Beispiel des Karlsruher Marktplatzes hat er die Temperaturen der Zukunft simuliert.
Sein Ergebnis: Erwärmt sich das weltweite Klima um zwei Grad, steigen die Temperaturen an einem normalen Sommertag auf dem Karlsruher Marktplatz um fast fünf Grad. Lenz hat für seine Berechnungen einen wolkenlosen Tag herangezogen, an dem es gegen 16 Uhr ungefähr 27 Grad hat. In Zukunft könnte es am gleichen Tag fast 32 Grad haben.
Karlsruhes Marktplatz könnte an normalen Sommertagen unerträglich heiß werden
Die Grafik zeigt den Karlsruher Marktplatz (oben Mitte) und seine Umgebung. Blau steht für die niedrigsten Temperaturen, rot und lila für die heißesten Werte. Achtung: Die beiden Szenarien nutzen unterschiedliche Farbskalen.
Noch drastischer sind die Ergebnisse, wenn man von einer Klimaerwärmung von drei Grad ausgeht: Dann könnte die Lufttemperatur auf dem Karlsruher Marktplatz um fast zehn Grad auf ungefähr 37 Grad steigen. "Und das an einem ganz normalen Tag, nicht am heißesten Sommertag."
Die Werte sind das Ergebnis eines Kooperationsprojektes des Karlsruher Architektur-Professors Lenz mit Prof. Piers Forster von der Universität Leeds, der auch führendes Mitglied im Weltklimarat ist und mit diesem 2007 mit dem Friedensnobelpreis geehrt wurde. Ein Forschungsstipendium der Alexander-von-Humboldt-Stiftung brachte Lenz für sechs Monate ins englische Leeds. Die Forscher bearbeiteten gemeinsam Karlsruher Klimadaten der vergangenen zehn Jahre mit Algorithmen, um Aussagen über die zukünftige Situation in der Innenstadt treffen zu können.
Bodenbelag am Marktplatz beeinflusst zukünftige Temperaturen
"Der Marktplatz ist ein gutes Beispiel für eine hochversiegelte Fläche", erklärt Lenz. Die innerstädtischen Wetterdaten hat er von der Landesanstalt für Umwelt bekommen, die dort eine Messstation auswertet. Für ihre Simulation haben die Professoren jedes Detail des Karlsruher Marktplatzes berücksichtigt: Wo welcher Bodenbelag verlegt sein wird, woraus die Fassaden der umgebenden Gebäude bestehen und wie die Pyramide die Temperaturen beeinflusst.
So erreichen sie eine wesentlich höhere Auflösung als bestehende Klima-Simulationen, die meist für Flächen von mehreren Quadratkilometern erstellt werden. "Dass schon mal jemand so detailliert das zukünftige Klima einzelner Straßenzüge berechnet hätte, ist uns nicht bekannt", sagte Lenz den BNN. Eigentlich wollten die Forscher auch eine Vergleichssimulation für London erstellen, das sei wegen des hohen zeitlichen Aufwands aber nicht mehr möglich gewesen.
Wie man Innenstädte nachhaltig kühlen könnte
"Karlsruhe steht hier nur exemplarisch für viele dicht besiedelte Städte, die in Zukunft Probleme bekommen könnten", betont Bernhard Lenz. Im Rahmen seines Forschungsprojektes hat er auch eine Idee entwickelt, wie man Innenstädte umweltfreundlich kühlen könnte.
Auf dem Karlsruher Marktplatz können keine Bäume gepflanzt werden. Doch ein künstliches Verdunstungssystem könnte die Funktionsweise von Laubbäumen nachahmen – und Innenstädte damit kühlen. Wie das funktionieren soll, steht in diesem Artikel .