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Roses Revolution Day

Frauen als "Baby-Container": Karlsruherinnen berichten von Gewalt in der Geburtshilfe

Körperliche Verletzungen, schwere Depressionen oder das Scheitern der Partnerschaft: Unter den Folgen von Gewalt in der Geburtshilfe leiden auch Mütter in Karlsruhe. Die Organisation Mother Hood fordert politische Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit in der Geburtshilfe. Betroffene Frauen sind eingeladen, beim "Roses Revolution Day" am 25. November ein Zeichen zu setzen.

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ARCHIV - 04.01.2011, Sachsen, Leipzig: ILLUSTRATION - Eine Frau bringt per Kaiserschnitt in einer Frauenklinik ein Kind zur Welt. Nach Kaiserschnitt-Geburten kommt es nach einer Untersuchung der Techniker Krankenkasse (TK) statistisch gesehen häufiger zu Gesundheitsproblemen bei Kindern. Foto: Waltraud Grubitzsch/dpa-Zentralbild/dpa +++ dpa-Bildfunk +++ - Verwendung weltweit Foto: dpa

Körperliche Verletzungen, posttraumatische Belastungsstörungen und Depressionen bis hin zu Suizidgefahr, eine gestörte Beziehung zwischen Mutter und Kind oder das Scheitern der Partnerschaft: So stellt man sich den Beginn einer Familie nicht gerne vor. Und doch sind diese Folgen bittere Realität für nicht wenige Frauen, die unter der Geburt Gewalt erlebt haben – auch in Karlsruhe.

Zweistellig sei die Zahl der Mütter, die bis dato Hilfe bei der Karlsruher Regionalgruppe gesucht hätten, sagt die Organisation Mother Hood. Sie fordert sofortige Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit in der Geburtshilfe. Betroffene laden sie dazu ein, zum internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen am 25. November an der „Roses Revolution“ teilzunehmen, indem sie eine rosafarbene Rose vor die Tür legen, hinter der ihnen Gewalt angetan wurde.

Unter der Geburt sind Frauen nackt und schutzlos

Unter der Geburt ist die Frau in einem Zustand der Ausgeliefertheit: Sie liegt nackt da, während ihr intimster Körperbereich von fremden Händen angefasst wird. „Das geht in den Bereich der Sexualität. Man muss die Frau vorher fragen“, stellt Sabrina Capper von Mother Hood Karlsruhe klar. „Wenn in ihre Vagina hineingefasst wird, womöglich noch in schmerzhafter Weise, muss man vorher fragen. Auch wenn man Arzt ist.“

Mother Hood Karlsruhe lädt betroffene Mütter und andere Interessierte zu unverbindlichen Gesprächen am Montag, 25. November, ab 16 Uhr ins Restaurant Aposto am Ludwigsplatz ein. Es gibt dort auch eine Kinderecke. Wer auf anderem Wege Kontakt aufnehmen will, kann dies per E-Mail an s.capper@mother-hood.de tun.

Gewalt in der Geburtshilfe – für die Aktivistinnen zählen dazu auch Respektlosigkeiten und psychische Gewalt. Das entspreche der Istanbuler Konvention sowie einer Erklärung der Weltgesundheitsorganisation zu „Vermeidung und Beseitigung von Geringschätzung und Misshandlung bei Geburten in geburtshilflichen Einrichtungen“.

Schlagzeilen machte vor einem Jahr die Klage einer Frau gegen die Karlsruher Marienklinik: Trotz noch nicht wirksamer Betäubung habe man an ihr eine Kaiserschnitt-OP vorgenommen , ohne ihr Einverständnis und unter unvorstellbaren Schmerzen. „Ich habe im Moment zwei Mütter im Wochenbett, die Gewalt erlebt haben“, sagt Anja Lehnertz, freiberufliche Hebamme und aktives Mitglied bei Mother Hood. „Bei einer wurde der Dammschnitt völlig falsch gemacht, die Frau fühlt sich verstümmelt.“

Die Frauen werden behandelt wie ein Container, aus dem das Baby rausgeholt werden muss

Psychischer und verbaler Gewalt seien Gebärende ebenfalls ausgesetzt. „Wenn eine Frau fürs Gebären ,zu fett‘ ist, wird ihr das deutlich mitgeteilt“, sagt Capper. „Die Frauen werden unter der Geburt oft behandelt wie ein Container, aus dem das Baby rausgeholt werden muss.“ Frauen, die Fehlgeburten erleiden, bekämen mitunter Sätze zu hören wie: „Wir schaben das jetzt mal aus, es war ja sowieso erst ein Zellklumpen“, erzählt Lehnertz.

Oft werde den Frauen nicht einmal erklärt, was für ein Medikament ihnen verabreicht wird – medizinische Handlungen ohne Einverständnis der Patientin, die mangels Erwähnung im Geburtsprotokoll im Nachhinein schwer nachweisbar seien.

Zeitdruck in den Geburtskliniken verschärft das Problem

„Die Rahmenbedingungen sind keine Entschuldigung, aber Realität“, sagt Lehnertz. Das Problem sei häufig ein strukturelles, bedingt durch Zeitdruck und unzureichende Kapazitäten in den Krankenhäusern. Das habe in Karlsruhe schon dazu geführt, dass sämtliche Geburtskliniken ausgelastet waren – und Gebärende nach Baden-Baden oder Pforzheim verwiesen werden mussten.

Mutter im Babyglück: Allzu oft wird diese Harmonie durch traumatische Erfahrungen unter der Geburt gestört.
Mutter im Babyglück: Allzu oft wird diese Harmonie durch traumatische Erfahrungen unter der Geburt gestört. Foto: dpa

Die Aufarbeitung der traumatischen Erfahrungen werde dadurch erschwert, dass aus Angst vor juristischen Verfahren Geburtsprotokolle, auf die jede Mutter ein Recht hat, nur zögerlich herausgegeben würden. Zudem kenne sich kaum ein Anwalt wirklich gut mit der aktuellen Rechtslage aus – Mother Hood empfiehlt derzeit genau zwei in ganz Deutschland.

Damit es gar nicht erst zu Traumata und Klagen gegen Geburtshilfeeinrichtungen oder Einzelpersonen kommen muss, fordert Mother Hood unter anderem Maßnahmen für eine wohnortnahe Versorgung, eine Anpassung des Personalschlüssels für Hebammen in Geburtskliniken in Richtung 1-zu-1-Betreuung sowie Investitionen in Forschung für eine evidenzbasierte Geburtshilfe. Zudem müssten Kinder- und Frauenrechte gestärkt und die Bedürfnisse der Eltern in Versorgungsplanungen und Forschungsschwerpunkte einbezogen werden.

Hilfe und Informationen im Netz www.gerechte-geburt.de www.mother-hood.de

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