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Architekturfakultät des KIT

Georg Vrachliotis: „Wir werden die Bühne nicht anderen überlassen“

Die Fakultät für Architektur des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) hat sich im 19. Jahrhundert aus Friedrich Weinbrenners Bauschule entwickelt und gehört zu den traditionsreichsten Fachbereichen der Universität, die 2009 mit dem Forschungszentrum zum KIT verschmolzen wurde. Dekan Georg Vrachliotis erklärt im BNN-Interview, wie sich die Keimzelle der Polytechnischen Schule innerhalb der Großeinrichtung entfalten kann.

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Georg Vrachliotis ist Dekan der Fakultät für Architektur und Professor für Architekturtheorie am Karlsruher Institut für Techologie (KIT). Foto: Ulrich Coenen

Die Fakultät mit ihren rund 1000 Studenten und 20 Professoren ist im von Natur- und Ingenieurwissenschaften geprägten KIT dem Bereich natürliche und gebaute Umwelt zugeordnet. Kann sie dort ihre Eigenständigkeit und ihre besondere Stellung behaupten?

Vrachliotis: Wir befinden uns in einer Phase großer Herausforderungen. Damit kann die Architektur als bewegliche Disziplin aber sehr gut umgehen. Als Fakultät werden wir uns in Zukunft verstärkt auf die Suche nach einer neuen Beschreibung von Gesellschaft begeben. Bei uns gibt es dabei viel mehr Expertise, als manche Außenstehende vermuten. Wir müssen deshalb nicht bescheiden auftreten, werden uns nicht zurückhalten und die Bühne anderen überlassen, sondern im Hinblick auf die Felder Digitalisierung, Nachhaltigkeit, Wohnen und Urbanisierung weiter an den großen Fragen der Zeit arbeiten. Für Architekten stehen traditionell Realität und Wirklichkeit der Menschen im Mittelpunkt.

Phase großer Herausforderungen

Der Wissenschaftsrat hat Architektur bereits im Jahr 2000 als forschungsschwache Disziplin eingestuft und angeregt, das Fach überwiegend an die Fachhochulen zu verlagern. Welche Bedeutung haben die theoretischen Fächer an den Universitäten und insbesondere am KIT in der Architektenausbildung?

Vrachliotis: Das ist eine krasse Fehleinschätzung des Wissenschaftsrates. Die Gegenwart beweist das Gegenteil. Architektur entwickelt sich bereits seit Jahren zu einer forschungsintensiven Disziplin. Der architektonische Entwurf oder die Arbeiten im Feld der Bauingenieure erscheinen nur auf den ersten Blick forschungsschwach. Hier entsteht eine Menge an Innovation. Doch zur Fakultät gehören auch wissenschaftliche Fächer wie Architekturtheorie, Bau- und Architekturgeschichte oder Kunstgeschichte. Diese spielen eine wesentliche Rolle für die Reflexion der architektonischen und künstlerischen Praxis und ihrer Verortung in Geschichte und Gegenwart.

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Das Architekturgebäudes des KIT wurde 1895 bis 1898 von Josef Durm erbaut und nach Kriegszerstörungen 1956 vom Staatlichen Hochbauamt aufgestockt und um einen neuen zentralen Eingangsbau erweitert. Foto: Ulrich Coenen

Krasse Fehleinschätzung des Wissenschaftsrates

Dennoch ist die Karlsruher Fakultät ist im Vergleich mit anderen bedeutenden Architekturschulen in Bezug auf die wissenschaftlichen Fächer schlechter aufgestellt. In Aachen und Zürich beispielsweise gehört auch Denkmalpflege seit Jahrzehnten fest zum Kanon.

Vrachliotis: Denkmalpflege ist ein wichtiges Fach, vor allem weil aktuell das Bauen im Bestand immer mehr an Bedeutung gewinnt. Denkmalpflege ist aber nicht nur eine Forschungsdisziplin, sondern hat auch eine politische Dimension. Das wird unter anderem im aktuell schwierigen Umgang mit der Nachkriegsmoderne deutlich. Darf man in Berlin die Abrissbirne gegen den Palast der Republik schwingen, um anschließend ein im Krieg untergegangenes Stadtschloss neu aufzubauen? Als Fakultät stehen wir allerdings vor der grundsätzlichen Überlegung, ob es sinnvoll ist, ein Fach neu zu etablieren, das es an anderen Universitäten bereits lange gibt. Wenn wir diesen Vorsprung nicht aufholen können, müssen wir nachdenken, ob es nicht auch andere Ansätze für uns gibt, die sich eher aus der Beobachtung der Gegenwart ergeben.

Denkmalpflege hat politische Dimension

Nach der Emeritierung von Kerstin Gothe, die die Professur für Regionalplanung und Bauen im ländlichen Raum innehatte, wurde diese aktuell durch das Fach Stadt und Wohnen ersetzt. Gibt die Fakultät den ländlichen Raum zu Gunsten der Stadt angesichts der explodierenden Metropolen auf?

Vrachliotis: Nein, das tun wir nicht. Der ländliche Raum wird auch in Zukunft Bestandteil der neuen Professur Stadt und Wohnen sein, die weiterhin zum Institut für Entwerfen von Stadt und Landschaft (IESL) gehört. Im Hinblick auf den Schwarzwald direkt vor unserer Haustür hat das KIT für den ländlichen Raum ein Alleinstellungsmerkmal, das wir weiterhin nutzen. Neben der neuen Professur werden sich auch die anderen drei Professuren des IESL dem ländlichen Raum widmen. Am Fachgebiet Stadtquartiersplanung von Prof. Markus Neppl forscht beispielsweise sein Mitarbeiter Jeff Mirkes zum Thema „Dorf neu denken”.

Ländliche Raum spielt weiter eine Rolle

Wie soll die Karlsruher Architekturfakultät grundsätzlich in Zukunft ausgerichtet werden?

Vrachliotis: Wir wollen auf der einen Seite an die große Tradition der Fakultät anknüpfen, die insbesondere nach 1945 von Figuren wie Egon Eiermann und dann von Fritz Haller geprägt wurde. Es geht dabei nicht um ein technoides Denken im Sinne einer technologiegetriebenen Architekturkultur, sondern eher um die Vermittlung von technischem Denken als Grundlage einer generalistischen Ausbildung. Die Einführung der Bachelor- und Masterstudiengänge hat außerdem vor allem bei den Masterstudenten zu einer Internationalisierung geführt, der wir uns stellen müssen. Wie jede andere Architekturfakultät auch, wollen wir uns um die besten internationalen Studierenden bemühen.

Werben um die besten internationalen Studierenden

Werden in Forschung auch Lehre am KIT in Zukunft auch Rekonstruktionen wie das Berliner Stadtschloss oder die Neue Frankfurter Altstadt eine Rolle spielen? Professoren an Architekturfakultäten in Dortmund oder Potsdam engagieren sich für diese sogenannte neue klassische Architektur.

Vrachliotis: Man kann natürlich nicht pauschalisieren. Aber viele Ansätze und Argumente zu diesen Architekturen enden häufig im Kreis und bringen uns nicht wirklich weiter. Wir stehen daher in einer kritischen und zugleich produktiven Distanz zu diesen zum Teil kulturideologischen und rückwärtsgewandten Ansätzen. Schauen wir lieber nach vorne. Wir erleben momentan den Beginn eines globalen Wandels von der Wegwerfgesellschaft zur Kreislaufgesellschaft. Was bedeutet das für Architektur und Stadtplanung? Hier wollen wir als Fakultät ansetzen.

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Georg Vrachliotis Foto: Ulrich Coenen

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