Volker Jenderny ist gut darin, zu warten. Seit Jahrzehnten sucht er mit den „Jägern der versunkenen Lok“ die im Jahr 1852 im Rhein versunkene Lok. Aktuell wartet Jenderny wieder. „Der Wasserstand ist zu niedrig, wir brauchen ein Messgerät und ein Termin, an dem alle können“, zählt der Mann vom Eisenbahnmuseum Darmstadt-Kranichstein auf.
Im April wollte der Eisenbahnfan mit seinem Team die Suche wieder aufnehmen – daraus wurde nichts. Wann es weiter geht, könne er nicht absehen, sagt Jenderny.
Derweil gibt es aber eine „neue alte“ Theorie zur versunkenen Lok: „Selbst wenn sie noch so lange suchen, eine Lok werden sie niemals finden. Denn sie ist dem Rost zum Opfer gefallen.“ Das behauptet jedenfalls Erhard Schmitteckert aus Waghäusel.
2018 war die öffentlichkeitswirksame Suche nach der vor 167 Jahren versunkenen Lokomotive vorerst gescheitert . 1852 war sie bei einem Transport sturmbedingt ins Wasser gekippt. Seitdem schlummert das Ungetüm im Rhein, in der Nähe von Rheinsheim. Mit großer Aufmerksamkeit hat Diplom-Ingenieur Schmitteckert die Bemühungen verfolgt, die alte Lok zu heben.
Experte: kein rostfreier Stahl in dieser Zeit
Er gehört zu Wenigen, die sich nicht gewundert haben, dass die Lokjäger erfolglos blieben. Denn der Kirrlacher vertritt die Auffassung: Nach 167 Jahren kann von der Lokomotive nichts mehr übrig geblieben sein.
1963 schrieb er seine Diplomarbeit an der Technischen Hochschule Karlsruhe. Der Titel lautete: „Korrosionsprobleme bei Kühlschränken“. Es sei „höchst wahrscheinlich“, dass im Wasser von der verschwundenen Lok nichts mehr zu finden ist, so der 80-Jährige.
„Eisenhaltiges Gestein wurde am Messgerät angezeigt, aber nicht massives Eisen. Ich unterstelle, dass die Lok aus Schmiedeeisen bestand. Damals gab es keinen rostfreien Stahl für solche Konstruktionen. Eisen rostet insbesondere sehr gut und schnell bei sauerstoffgesättigtem Regenwasser. Daraus besteht das Rheinwasser zum größten Teil – jedenfalls in den vergangenen 167 Jahren.“
Gute und schlechte Bedingungen im Rhein
Weiter argumentiert er: „Nachdem der Lack an der Lok ab war, begann das Rosten des Eisens durch das Wasser und den Sauerstoff. Selbst wenn sich jährlich nur ein halber Millimeter durch Rost ablöste, waren nach 75 Jahren stattliche 37,5 Millimeter zusammengekommen.“ So seien schon nach 50 Jahren nur noch massive Teile wie Räder oder Pleuelstangen übrig geblieben. „Was sich im Bereich der Rhein-Sohle befand, wurde vom Kiessand laufend abgeschmirgelt.“
Zwei Jahre lang hat Alexander Britner, Diplom-Ingenieur vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Stahlteile im Rheinhafen gelagert. „Die Korrosion war deutlich zu merken“, berichtet Britner. Heißt für die Rost-Theorie der versunkenen Lok: „Es ist durchaus möglich, dass sie sich nahezu aufgelöst hat.“
Anders als bei den Versuchen im Rheinhafen komme bei der versunkenen Lok ein entscheidender Faktor hinzu: die starke Strömung. „Das macht sehr viel aus“, betont Britner. „Der Rost haftet an dem Stahl schwach an und kann von der Strömung abgetragen werden.“ Die Rheinwasser-Temperatur mit zwölf bis 14 Grade im Jahresmittel begünstige die Rostbildung noch. „Manche Bedingungen im Rhein sind für diese Theorie günstig, andere eher ungünstig“, sagt Britner. Für einen Fortbestand der Lok spricht der geringe Salzgehalt im Rhein. „Im Ozean wären es drei bis vier Prozent, das fördert die Korrosion sehr stark.“
Weitere Informationen zur Suche nach der versunkenen Lok gibt es im Dossier auf bnn.de .
Such-Team glaubt an schützende Schlamm-Schicht
Auch Jenderny hat bei der jahrzehntelangen Suche von der Rost-Theorie gehört. „Natürlich ist an der Lok Rost“, sagt er. Ob sie sich aber schon nahezu aufgelöst hat? „Sag niemals nie – wir haben jede Theorie ernsthaft berücksichtigt. Wir wissen es aber erst, wenn wir sie herausholen.“
Allzu viele Sorgen scheint sich Jenderny nicht zu machen. „Nur wenn die Lok im freien Wasser liegen würde, würde ich der Rost-Theorie fast zustimmen.“ Er glaubt aber daran, dass die Lok von einer fünf Meter dicken Schicht begraben ist. So käme wenig Sauerstoff an das Stahl, das Rosten würde sich in Grenzen halten.
Das starke Interesse an der Lok bemerkt auch das Such-Team selbst, wie Jenderny sagt: „Alleine nach der Absage der Bergung im vergangenen Oktober gab es eine Welle an Rückmeldungen.“ Unter den mehreren hundert Zuschriften sei auch der Hinweis gewesen, man solle sich von der Bundeswehr ein U-Boot leihen.
„Auch dieser Schreiber hat eine ordentliche Antwort bekommen.“ Doch es wird noch dauern, bis Jenderny mit einem Boot suchen wird. Die Suche an sich sehe unspektakulär aus, sagt er. Zwei Stunden fahre er mit dem Boot über den Rhein, ein Rechner nimmt Zahlen auf. „Aber Schatzsuche ist immer spannend.“