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Dieter Ludwig wird 80

Karlsruhe feiert den Kombinator

Dieter Ludwig wird 80 Jahre alt. Der „Mister U-Strab“ ist auch heute noch weltweit ein gefragter Mann in Nahverkehrsfragen. Der Ehrenbürger von Karlsruhe genießt selbst bei den Gegnern des Stadtumbaus wegen seiner Kompetenz großen Respekt.

Dieter Ludwig
KEINEN TUNNELBLICK setzt Dieter Ludwig in der Röhre unter dem Marktplatz auf. Offenen Auges und mit Freude schaut der 80-jährige Kombinator des Nahverkehrs auf sein Lebenswerk und in die Zukunft der U-Strab-Zeit, die in zwei Jahren anbrechen soll. Foto: jodo

Der Kombinator wird 80. Am kommenden Montag, 15. Juli, feiert die Fächerstadt ihren Ehrenbürger mit einem Empfang im Rathaus. Dieter Ludwig ist seit gut einem Dutzend Jahren außer Diensten – und noch immer ist sein Hauptwerk, die Kombilösung, nicht vollendet. Auch Mister U-Strab treibt die Ungeduld.

Noch heute kann der frühere Nahverkehrspapst von Karlsruhe mit dem Sendungsbewusstsein für die ganze Welt der Schienen nicht still sitzen. Sechs Jahre U-Strab-Bauzeit sollten ausreichen und dabei die Karlsruher an der Oberfläche höchstens mit jeweils zwei Jahren Baugrube auf dem Marktplatz oder dem Europaplatz etwas stören. Dass es ganz anders kam, und jetzt immer noch zwei Jahre bis zur Inbetriebnahme der U-Strab dauert, darauf kann sich Dieter Ludwig keinen Reim machen. Am liebsten würde das Energiebündel auch heute selbst unter und neben der Pyramide anpacken.

Mit „König Ludwig“ nach Paris?

Wie schnell doch früher alles ging, als in der Ein-Mann-Dynastie Ludwig das Schienenreich sich mindestens alle fünf Jahre verdoppelte. Damals raunten die Auguren im Karlsruher Rathaus, keiner könne „König Ludwig“ mehr stoppen, bald fahre in dessen Sonnenstrahlen-Liniennetz die Karlsruher Straßenbahn von der Pyramide nach Paris. „So weit wollte ich doch gar nicht. Aber auf jeden Fall bis Straßburg, leider ist daraus nichts geworden.“

Bei solchen Erinnerungen ist dem Mann mit dem schlohweißen Haar auch heute nicht nur zum Schmunzeln. Voller stolz zählt er auf, wie er die Straßenbahn rettete und ausbaute, wie er den Ausbau der Stadtbahnschiene in die Region auf Bundesbahnstrecken schaffte und mit dem Karlsruher Modell, dem Zweisystembetrieb der Stadtbahnen mit unterschiedlicher Stromspannung durch Stadt und Land, für Furore in der Welt sorgte.

Karlsruhes Kombinator steht weiter unter Dampf. Wie gerne würde er noch heute von der Tullastraße aus das Schienenreich regieren und als der Strukturmotor die Weichen für die Mobilität und damit die Strukturentwicklung von Stadt und Region stellen. Doch man hat ihn nicht weitermachen lassen, mit 67 Jahren musste der Rastlose in Ruhestand gehen.

Plötzlich war sein Rat ausgerechnet in der weltweit gelobten Stadt des Nahverkehrs selbst nicht mehr gefragt. Was er in insgesamt 31 Jahren Spitzenposition bei den VBK und der AVG sowie im KVV aufgebaut hatte, sein Lebenswerk, musste der unfreiwillig Abgedankte einem Nachfolger überlassen. Der zum Ehrenbürger gekürte Supermann des deutschen Nahverkehrswesens war plötzlich ohne Apparat. Das Wort des Propheten des ungezügelten Netzausbaus, des Einheitstakts und der totalen Ausrichtung nach den Zielen der Kundschaft sollte nichts mehr gelten.

Er kann nicht loslassen

Doch die Kämpfernatur, die so schlecht loslassen kann, fand schnell neue Betätigungsfelder. Noch heute fährt er jede Woche nach Heidelberg, um dort die Straßenbahner zu beraten. In Salzburg ist Ludwig genauso gefragt. Auch Verbände, Firmen und andere Städte in aller Welt holen weiterhin Rat bei Karlsruhes Kombinator ein. Für Ferien an fernen Stränden hat auch der 80-Jährige keine Zeit, Lust dazu verspürt er ohnehin nicht. Wie schon zu Berufszeiten bekennt er stolz: „Ich habe seit Jahrzehnten keinen Urlaub gemacht.“

Einmal ist er in jugendlichem Leichtsinn aus seinem Gewohnheitsgleis gesprungen und mit der Familie nach Zypern an den Strand gefahren. „Am zweiten Tag hab ich es nicht mehr ausgehalten und den Eisverkäufer abgelöst – am Abend hatte ich den Gewinn verdoppelt“, da lacht auch Dieter Ludwig über sich selbst.

Die Freude steht ihm ins Gesicht geschrieben, als er zur Aufnahme seines Geburtstagsfotos mit den Zeitungsleuten per Lastenaufzug hinunter in die U-Strab fährt. Angekommen im Tunnel wird sein Blick ganz heiter. Vielleicht stellt er sich vor, wie der Ehrenbürger Ludwig im Sommer 2021 mit 82 Jahren im Führerhaus der mit Lorbeer bekränzten Straßenbahn durch sein Lebenswerk rollt.

Kein Sprung nach Berlin

Mit seiner Ungeduld und seinem Eifer hat es der Nahverkehrsexperte auch seinen Gegnern nicht leicht gemacht. Unverdrossen focht er für die U-Strab, auch nachdem ihn das Volk beim ersten Bürgerentscheid abgewatscht hatte. Ludwig kokettierte damals kurz mit dem Abschied von Karlsruhe, schließlich galt er in Bonn und Berlin wie in der ganzen Welt als die Nahverkehrskoryphäe mit besten Verbindungen.

Doch Ludwig blieb Karlsruhe treu. Hier hat der in Mannheim aufgewachsene älteste Sohn eines Bauunternehmers Anfang der 60er Jahre seine Schienenkarriere begonnen: Dieter Ludwig war der erste Student, der im Ferienjob eine Karlsruher Straßenbahn fuhr.

Zusammen mit dem damaligen OB Heinz Fenrich und dem verstorbenen Stadtplanungschef Rudolf Schott bastelte Ludwig die Kombilösung. Zur von der Bevölkerung 1996 abgelehnten U-Strab packten sie den populären Umbau der Autoschneise Kriegsstraße – und Karlsruhe stimmte wenn auch knapp dieser neuen Packung für den Stadtumbau zu. Dass diese Karlsruher Lösung auch bei den Hauptfinanziers Bund und Land Zustimmung fand, ja überhaupt die Hürde der Wirtschaftlichkeit übersprang, ist wohl vorwiegend Ludwigs Verdienst. „In der Kriegsstraße wird der einzige Tunnel Deutschlands mit Mitteln gebaut, die für den Öffentlichen Nahverkehr vorgesehen sind.“ Da freut sich der Ehrenbürger über sein Husarenstück.

Respekt vor Lebensleistung

An Ludwig und seiner Tunnelpolitik scheiden sich noch heute die Geister. Auch wenn er der größte Beförderer des Nahverkehrsausbaus war, blieben ihm viele Bürger und Politiker wegen des „Milliardengrabs“ U-Strab nicht grün. Doch Respekt zollen ihm auch seine Gegner. Welch eine Leistung bringt der 80-Jährige unverdrossen, welch eine Haltung zeigt er ungebrochen. Dabei ist dem anscheinend grenzenlosen Workaholic mit 58 Jahren etwas passiert, womit er nie gerechnet hatte. Es traf ihn der Schlag.

Doch ein Dieter Ludwig bleibt nicht lange in der Werkstatt und dann im Depot. Schon wenige Wochen nach dem Schlag war der Kombinator wieder voll in Aktion. Auch wenn ausgerechnet ihm, dem großen Mobilisator, die Lähmung auf der linken Körperseite mehr und mehr zu schaffen macht. Dieter Ludwig hält das nicht auf. Er rollt auch mit 80 Jahren auf seiner Schiene, einem Leben für den Nahverkehr.

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