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Rassistische Schmierereien

Wie sich das Coronavirus auf das Leben der Karlsruher Chinesen auswirkt

Einige Karlsruher Chinesen blicken mit Sorge auf Wuhan. Sie haben Verwandte in der Stadt, die wegen des Coronavirus abgeriegelt ist. Täglich halten sie per Videochat Kontakt zu Familie und Freunden. Doch auch auf ihr Leben in Karlsruhe hat der Ausbruch in ihrer Heimatstadt Auswirkungen.

Der in Wuhan geborene Xian Gao beschäftigt sich in jeder freien Minute mit dem Geschehen rund um das Coronavirus. Auch in Gesprächen mit seiner Frau Kaidi Song geht es oft darum.
Der in Wuhan geborene Xian Gao beschäftigt sich in jeder freien Minute mit dem Geschehen rund um das Coronavirus. Auch in Gesprächen mit seiner Frau Kaidi Song geht es oft darum. Foto: jodo

Einige Karlsruher Chinesen blicken mit Sorge auf Wuhan. Sie haben Verwandte in der Stadt, die wegen des Coronavirus abgeriegelt ist. Täglich halten sie per Videochat Kontakt zu Familie und Freunden. Doch auch auf ihr Leben in Karlsruhe hat der Ausbruch in ihrer Heimatstadt konkrete Auswirkungen – etwa rassistische Schmierereien.

Für ein paar Tage ist Peiqi Liu mit einem Mundschutz durch Karlsruhe gelaufen. Der Mechatronik-Student war nach Weihnachten von einem Familienbesuch im zentralchinesischen Wuhan zurückgekehrt. Kurz darauf kursierten die ersten Meldungen über ein neues Virus , das dort erstmals auftauchte. Den Schutz hat Liu mittlerweile abgelegt. Das Coronavirus beschäftigt ihn trotzdem weiter täglich. Viele Familienmitglieder und Freunde sind in Wuhan. In der abgeriegelten Stadt sitzen sie in ihren Wohnungen fest.

Mit Sorgenfalten blickt auch Unternehmer Xian Gao auf die Entwicklungen in seiner Heimat. Der 39-Jährige kam vor über 20 Jahren für sein Studium nach Karlsruhe. Danach wollte er eigentlich in die Heimat zurück, doch die Liebe hielt ihn hier.

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Täglicher Kontakt per Videochat

In Wuhan leben viele Mitglieder des engeren Familienkreises. „Meine Eltern sind beide über 60 Jahre alt. Damit sind sie natürlich in der Risikogruppe“, erzählt er. Die Frage, wie es ihnen geht und wie sich die Lage entwickelt, bestimmt seit Wochen Gaos Tagesablauf.

Wann immer möglich saugt er Informationen auf, fast täglich spricht er per Videochat mit seinen Eltern. „Panik und Angst sind in der Stadt greifbar. Das ist schlimmer als das Virus selbst“, berichtet er aus den Erzählungen.

Öffentliches Leben ist fast zum Erliegen gekommen

Zu einem Schlüsselmoment für die Menschen in der Millionenmetropole habe sich die Entscheidung entwickelt, die Region komplett abzuriegeln. In einer Chatgruppe haben viele ehemalige Schulkameraden und Freunde von Gao ihre Gedanken geteilt. „Da waren alle ratlos. Viele konnten die ganze Nacht nicht schlafen.“

Seitdem spielt sich das Leben in Wuhan meist in den privaten Wohnungen ab. Der öffentliche Nahverkehr ist eingestellt, es kommt keine Post mehr, die Polizei erteilt per Textnachricht Fahrverbote für private Autos. „Durch die drastischen Maßnahmen dachten viele, die Krankheit sei schlimmer als die Sars-Pandemie 2003“, sagt der 39-Jährige. „Nur langsam bekommen sie das Gefühl, dass es doch nicht so ist.“

Falschmeldungen und Gerüchte verstärken die Panik

Zum Verstärker der Panik hat sich dabei das Internet entwickelt. Über die sozialen Medien wurden und werden zahlreiche Falschmeldungen und Gerüchte verbreitet. Stundenlang habe er beispielsweise vor einigen Tagen mit einer Freundin telefoniert, erzählt Xian Gao. Nur mit vielen Erklärungen sei es gelungen, die Frau zu beruhigen.

Zeit, um sich mit dem Coronavirus zu beschäftigen, haben die meisten mehr als genug. „Meine Eltern sitzen seit drei Wochen jeden Tag 24 Stunden zuhause. Nur alle zwei Tage geht es kurz zum Supermarkt“, erzählt Sai Zheng, der am KIT Materialwissenschaften studiert und dessen Familie in Wuhan wohnt.

Die beiden KIT-Studenten Peiqi Liu (links) und Sai Zheng sprechen so oft es geht mit Familie und Freunden in Wuhan.
Die beiden KIT-Studenten Peiqi Liu (links) und Sai Zheng sprechen so oft es geht mit Familie und Freunden in Wuhan. Foto: jodo

Doch ganz so ernst nimmt das Virus nicht jeder. Viele junge Menschen hätten weniger Angst, sagt Zheng. „Und auch unter den Älteren gibt es in jeder Familie bestimmt einen, der sich weigert, einen Mundschutz zu tragen“, ergänzt Gao.

Noch keine Infizierten im Freundes- und Bekanntenkreis

Infiziert hat sich im Familien- und Bekanntenkreis der drei Karlsruher Chinesen bislang noch niemand. „Der Freund meiner Cousine hatte Kontakt mit zwei Erkrankten. Bisher zeigt er aber keine Symptome“, berichtet Xian Gao. Auch den beiden Kranken gehe es soweit gut.

Gedanken über die Ansteckungsgefahr macht er sich ohnehin kaum noch. Solange Eltern und Freunde ihre Wohnungen nicht verlassen, könne nichts passieren. Zudem werde über die vielen Fälle mit vergleichsweise harmlosem Verlauf zu wenig gesprochen, findet Gao – dabei zeige sich, dass die Todesrate bei weitem nicht so hoch sei wie beim Sars-Ausbruch vor 17 Jahren.

„Corona“-Schriftzug auf China-Restaurant

Die Angst vor dem Coronavirus sei längst auch in Deutschland und seiner Wahlheimat Karlsruhe angekommen, glaubt Xian Gao. Und sie geht offenbar bei so manchem mit Misstrauen gegenüber den Chinesen einher, wie seine Berichte zeigen:

Erst gestern habe er in einem China-Restaurant gegessen, an dessen Scheibe ein Unbekannter den Schriftzug „Corona“ geschmiert hatte, erzählt der Unternehmer. An einem anderen Tag habe sich eine Klassenkameradin seiner Tochter erkundigt, ob die Familie denn auch krank sei. Und von einem chinesischen Bekannten wisse er, dass der Sitznachbar seines Sohnes nun mit Mundschutz in den Unterricht komme.

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