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Grüne Oasen in der Innenstadt

Karlsruher Dachgärten sorgen für kühle Luft

Gärten gibt es nicht nur in Hinterhöfen und vor Einfamilienhäusern. Gerade bei steigender Nachverdichtung erscheinen Dachgärten als sinnvolle Ergänzung zu Parks und Grünstreifen. Dafür gibt sogar Fördermittel der Stadt Karlsruhe.

Wo bei anderen Häusern orangfarbene Dachschindeln sind, befinden auf dem Haus der Tai-Chi-Schule Karlsruhe verschiedene Pflanzen.
Wo bei anderen Häusern orangfarbene Dachschindeln sind, befinden auf dem Haus der Tai-Chi-Schule Karlsruhe verschiedene Pflanzen. Foto: Müller

Gärten gibt es nicht nur in Hinterhöfen. Gerade bei steigender Nachverdichtung erscheinen Dachgärten als sinnvolle Ergänzung zu Parks und Grünstreifen. Dafür gibt sogar Fördermittel der Stadt Karlsruhe.

Der Schmetterlingsflieder blüht in knalligem Lila, im Beet liegt eine ungeerntete Zucchini und über all den Pflanzen liegt das Summen von Bienen in der Luft. Wer auf dem Dach der Tai-Chi-Schule Karlsruhe steht, vergisst schnell, dass er sich mitten in der Stadt befindet. In der Stadt, in der ein Marktplatz ohne Bäume entstehen soll und in der Bürger das Gefühl haben, jeder Hinterhof werde zubetoniert und mit einem neuen Haus gefüllt .

Dachgärten sieht aber selbst die Stadtverwaltung als wichtige Ergänzung zu den Parks, um die Stadt grüner zu machen. Dabei geht es nicht nur um mehr Natur in der Stadt. "Dachbegrünung ist ein wesentlicher Punkt, um die Stadt zu kühlen", sagt Pressesprecherin Andrea Altenburg.

Die Erde, in der sich die Pflanzen befinden, hält Regenwasser auf. Es kann nicht direkt abfließen und verdunstet. Die dadurch entstehende Verdunstungskälte kühlt die Stadt in den heißen Monaten, erklärt der kommissarische Leiter des Gartenbauamts, Klaus Weindel.

Im Winter schmelze dagegen der Schnee auf den Pflanzen schneller als auf Betonflächen. Überhaupt sei es in den Gärten wärmer. "Die Pflanzen puffern die klimatischen Extreme etwas ab", erläutert er. Gärten wirken sich somit positiv auf das Mikroklima der Stadt aus. Als Lebensraum für Tiere seien die Gärten ebenfalls sehr wichtig.

Stadt Karlsruhe fördert Dachgärten

Aus diesen Gründen fördert die Stadt Karlsruhe laut Weindel Dachgärten. Ursprünglich sei mit diesen Förderungen in den 80er-Jahren begonnen worden, um die Hinterhöfe attraktiver zu machen. "Die Höfe sollten entsiegelt werden", so Weindel.

Für das Jahr 2019 sei bisher allerdings nur ein Antrag für die Förderung einer Dachbegrünung eingegangen. Weindel zufolge gab es in den vergangenen Jahren nie mehr als drei Anträge, lediglich in den 90er-Jahren war die Zahl etwas höher. Mehr als zehn pro Jahr habe es aber nie gegeben.

Kahle Fläche: Potential für Dachgärten haben zahlreiche Flachdächer in Karlsruhe.
Kahle Fläche: Potential für Dachgärten haben zahlreiche Flachdächer in Karlsruhe. Foto: Müller

Gefördert werden können laut Weindel alle Dachbegrünungen in Gebieten mit einem hohen Maß an Verdichtung, etwa in der Karlsruher Innenstadt, in Mühlburg und dem Ortskern von Durlach. Zudem müsste der Antrag vor Baubeginn eingereicht werden und gewissen Qualitätsanforderungen entsprechen. Sämtliche Anforderungen stehen in einem Prospekt der Stadt Karlsruhe .

In neuen Bebauungsplänen ist laut Weindel eine Dachbegrünung ohnehin Vorschrift. Eine Förderung gibt es in diesem Fall nicht. Die Vorschrift zeige bereits Auswirkungen. "Wenn man sich ein Luftbild der Südstadt-Ost anschaut, sieht man, dass alle Dächer begrünt sind", erzählt Weindel. Auch sämtliche Neubauten der Stadt Karlsruhe wie etwa Schulen würden begrünt.

Fachmann überprüft zuvor die Statik

Der rund 200 Quadratmeter große Dachgarten der Tai-Chi-Schule entstand vor 19 Jahren ganz ohne Fördermittel. Die Mitglieder gestalteten zusätzlich auch den ehemals versiegelten Innenhof des Hauses in einen Garten um. "Alles, was uns unter die Hände kommt, wird begrünt", sagt Geschäftsführerin Monika Philipp schmunzelnd.

Auf dem Dach war das gar nicht so einfach. Zuerst ließen die Tai-Chi-Lehrer von einem Statiker überprüfen, ob es einen Garten überhaupt aushält. Als das klar war, zog Philipp mit ihren Kollegen und Tai-Chi-Schülern die Erde in Eimern per Flaschenzug nach oben. "Ich weiß gar nicht, wie viele Tonnen das waren", sagt sie rückblickend. Dass es viel Arbeit war, das weiß sie aber noch.

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Monika Philipp Foto: Müller

Äpfel und Tomaten frisch vom Dach

Nun sind auf dem Flachdach etwa 40 Zentimeter Erde aufgeschichtet – voll bepflanzt mit verschiedensten Gemüsesorten, Kräutern und Blumen. Sogar einen Apfelbaum gibt es. "Wir ernten hier kräftig", erklärt Philipp.

Das tun auch die Tiere, sie sich auf dem Dach heimisch fühlen. Philipp zufolge sind das Schmetterlinge, Vögel, Bienen und sogar Springmäuse, die an der Hauswand entlang nach oben klettern.

Wenig Arbeit mit "extensiver Dachbegrünung"

Wenn es nach Philipp ginge, gäbe es in Karlsruhe viel mehr derartige kleine "Oasen", wie sie den Dachgarten nennt. "Die Stadt muss sie stärker fördern", meint Philipp. Sogenannte extensive Dachbegrünungen mit niedrigen Gräsern und Moosen "tun in den Augen weh", seien aber besser als die Asphaltabdeckungen, die sich auf anderen Dächern befinden.

Auch für Weindel sind extensive Dachbegrünungen besser als kahle Flachdächer. Sie bieten benötigen nicht viel Pflege. Lediglich einmal im Jahr müssen laut Weindel die Samen von Bäumen entfernt werden, damit keine Wurzeln ins Hausinnere gelangen.

Ein richtiger, intensiver Dachgarten mit höheren Pflanzen wie Sträuchern ist mehr Aufwand. Um die Pflanzen der Tai-Chi-Schule kümmern sich regelmäßig zwei Personen. "Das wollen nicht alle Haushalte und Firmen machen", vermutet Monika Philipp.

Außerdem sei eine extensive Begrünung mit einer ungefähr acht bis 15 Zentimeter hohen Substratschicht nicht so schwer wie ein intensiver Dachgarten und daher für mehr Häuser geeignet, erläutert Weindel.

Wichtig für die Natur sind Dachgärten aber allemal, ist Monika Philipp sich sicher. Als sie vor 25 Jahren mit der Tai-Chi-Schule in das Gebäude in der Oststadt zog, habe es viel mehr Vögel gegeben. "Ganze Spatzenschwärme sind hier hergekommen", erzählt sie. "Seit es die U-Strab-Baustelle gibt, sind es deutlich weniger." Aber auch ohne die Baustelle verringere sich der Bestand. "Ich mache mir große Sorgen um die Natur in der Stadt", sagt Philipp.

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