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Ungewöhnliche Kooperation

Das Karlsruher Kammerthertheater trifft im Autokino auf Motorräder

Eine ungewöhnliche Kooperation ging das Kammertheater Karlsruhe für sein neues Musical „Heart Rock” ein. Artisten des Zirkus Flic Flac bringen Motorrad-Kunststücke auf die Bühne des Autokinos auf dem Messplatz. Live-Musik, Schauspiel und körperliche Höchstleistungen formen sich zum Gesamtkunstwerk.

Eine Kooperation unter freiem Himmel: Das Kammertheater Karlsruhe feiert Premiere mit „Heart Rock”. Der gewohnte Humor wird dieses Mal durch akrobatische Darbietungen in der Luft ergänzt.
Eine Kooperation unter freiem Himmel: Das Kammertheater Karlsruhe feiert Premiere mit „Heart Rock”. Der gewohnte Humor wird dieses Mal durch akrobatische Darbietungen in der Luft ergänzt. Foto: Tom Kohler

Sich selbst einem Fremden vorzustellen, kann ganz schön kompliziert werden. Deutsch, Französisch, Spanisch und diverse weitere Sprachen sorgen lediglich für ein großes Fragezeichen im Gesicht. Dennoch: Die zwei Charaktere auf der Bühne des Autokinos auf dem Karlsruher Messplatz verstehen sich auch ohne Worte. Das ist auch die Quintessenz von „Heart Rock”, einem Musical, das am Freitagabend Premiere feierte und sich mit den Fragen rund um die Liebe beschäftigt.

Die Künstler kommen aus zwei Welten

Aber genau wie die beiden Protagonisten auf der Bühne kommen auch die beteiligten Künstler im realen Leben aus zwei Welten: dem Kammertheater Karlsruhe und dem Zirkus Flic Flac. Stetiger Begleiter des Abends ist neben hupenden Autos das Motorengeräusch der „Mad Flying Bikes”. Der Sound ihrer Motorräder ergänzt immer wieder die Live-Musik der Band und kündigt akrobatische Höchstleistungen an - in ausreichend Höhe, um über die Dächer der parkenden Autos hinweg sichtbar zu werden.

Freiflug über dem Messplatz: Die „Mad Flying Bikes” vom Zirkus Flic Flac gehören zur Rocker-Geschichte der neuen Kammertheater-Inszenierung und lösen ein lautes Hup-Konzert aus.
Freiflug über dem Messplatz: Die „Mad Flying Bikes” vom Zirkus Flic Flac gehören zur Rocker-Geschichte der neuen Kammertheater-Inszenierung und lösen ein lautes Hup-Konzert aus. Foto: Tom Kohler

Dreieinhalb Wochen Proben, mehr Zeit war nicht, erzählt die Sprecherin des Kammertheaters, Virginia Müller. Die Idee zur Kooperation entstand aus der Not der Corona-Krise, abgesagten Veranstaltungen und dem Zwang, sich neue Wege für Vorstellungen zu überlegen. Für die 100 Minuten des Musicals gehören beide Kulturinstitutionen untrennbar zusammen, beinahe so, als sei es nie anders gewesen.

Gesang, Live-Musik und Schauspiel erzählen die Geschichte. Wortlos und dafür umso beeindruckender präsentieren die Zirkus-Artisten ihren Part. Neben den „Mad Flying Bikes” erklimmt ein indischer Mallakhamb eine Art Säule und zeigt dort, zu was ein menschlicher Körper unter extremem Kraftaufwand und Beweglichkeit fähig sein kann.

Text und Inszenierung von „Heart Rock” stammen von Ingmar Otto. In der Doppeldeutigkeit des Titels liegt nicht nur die thematische Ausrichtung verborgen, sondern auch eine Vorahnung, welches Musikgenre durch das Autoradio klingen wird: AC/DC, Bon Jovi, U2 und zahlreiche weitere Rock-Klassiker, in denen Liebesbeziehungen und ihre Folgen analysiert und künstlerisch verpackt werden. Die Klischees mancher dieser Feststellungen kommen schließlich auch den Darstellern über die Lippen - gepaart mit dem notwendigen Humor.

Hupen statt Händeklatschen

Cindy, gespielt von Maja Sikora, steht kurz vor ihrer Hochzeit, als die Begegnung mit dem Fremden ihre Pläne ändert. Ihr leichter, fröhlicher Charakter steht im Kontrast zu Mutter Angie, gespielt von Michaela Hanser, deren Alltag sich um Gebrauchtwagen dreht. Die Verlobung mit Biker Thor, verkörpert von Sascha Krebs, ist plötzlich unsicher.

Familiäre Enthüllungen und Schicksalswendungen wirbeln die Protagonisten auf. Und alles nur, wie Cindy öffentlichkeitswirksam auf ein Auto schreibt, wegen der „Liebe von meinem Leben”. Die Ausdrucksweise der Schauspieler wickelt die vermeintlich ernsten Entscheidungen des Lebens und den kleinen und großen Dramen der Geschichte in eine Stimmung, die viel eher zum Schmunzeln als zum Weinen bringt.

Eine weitere bestimmende Komponente des Abends, die der musikalische Leiter Stephan Ohm zwar nicht geplant hat, sind die Hupen, der dicht an dicht geparkten Autos. Sie ersetzen das gewohnte Geräusch klatschender Hände und erreichen ihren dröhnenden Höhepunkt, als sich der „Globe of Speed” mit bis zu sieben Motorradfahrern füllt. Diese fahren in dem vergleichsweise kleinen Käfig mit- und springen übereinander, auf die Sekunde genau choreografiert. Trotz etwas Regen, der die Premiere hätte beenden können, stehen Kammertheater und Zirkus-Artisten am Ende vor blinkenden Scheinwerfern und einem begeisterten, neuartigen Applaus.

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