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Vom KSC zu den Bayern

Karlsruher Oliver Kahn: Torwart-Legende feiert 50. Geburtstag

Oliver Kahn wird an diesem Samstag 50 Jahre alt. Angefangen hatte alles beim Karlsruher SC, später wurde der Karlsruher beim FC Bayern München zur Legende. Eine Karriere voller Aufs und Abs: Mit Biss, Selbstkasteiung und Geduld brachte es Kahn zum dreimaligen Welttorhüter.

Torwart-Titan
Oliver Kahn wird am 15. Juni 50 Jahre alt. Foto: Arne Dedert

Wenn die 50 als Jugend des Alters durchgeht, der Volksmund behauptet es, taugt sie auch als Markstein für neue Herausforderungen im Leben: Oliver Kahn wird am Samstag ein halbes Jahrhundert alt – und alsbald auf die Gehaltsliste des FC Bayern zurückkehren.

Als Vorschwimmer im Münchner Haifischbecken, Kahn weiß das, braucht es die von ihm weiland eingeforderten „Eier“. Am 1. Januar 2020 beginnt er seine Probezeit beim Rekordmeister. Perspektivisch soll er die Geschäfte von AG-Chef Karl-Heinz Rummenigge übernehmen.

Großer Teil des Lebens

„Weiter, immer weiter“, das Lebensmotto des Torwarts aus Karlsruhe ist auch das des Fußballunternehmers geblieben. „Der FC Bayern ist ein ganz, ganz großer Teil meines Lebens gewesen. Da hat man schon eine gewisse Verpflichtung“, formulierte Kahn in einem der Interviews, die er wegen der Nachfrage zum Anlass gab – bevor er mit der Familie nach Mallorca aufbrach, wo er am Samstag im engen Kreis gefeiert wird. Und was schenkt der Vater dem Sohn zum 50., der derart erfolgreich war, dass er sich fast alles kaufen könnte? Rolf Kahn, der die Weltkarriere Olivers vorbereitete, lacht. Das sei „eine berechtigte Frage, denn es ist wirklich nicht einfach“, sagt der frühere Schüler-Nationalspieler, der zum Bundesligastart 1963 selbst das Trikot des KSC trug. Über Schreibutensilien für den Aktenkoffer freue er sich, „der Oliver“, und emotional reagierte der „Torwart-Titan“ vor einer Weile, als eine Familientradition fortgeführt wurde: Eine stilvolle Schiffs-Replika seines Großvater, vererbt vom Vater, reichte Rolf Kahn an Oliver weiter.

Wurzeln nie verleugnet

Oliver Kahn hatte im November 2018 gegenüber dieser Zeitung auf sein knappes Zeitbudget als Unternehmer verwiesen, jede Chance verneint, dass er sich im Tagesgeschäft eines Clubs investiere. Über diesen „Rubikon“ sei er hinaus, versicherte er. Konkret galt die Nachfrage einer Aufgabe beim KSC, bei dessen Mitgliederversammlung er im November 2009 ausgebuht worden war. Der Junior hatte für eine Präsidentschaft seines Vaters geworben. Die Zurückweisung riss bei den Kahns Wunden. Doch egal, wo Oliver danach auftrat, redete, wo er warb oder Expertisen abgab: Seine Wurzeln verleugnete der Spieleleser des ZDF nie. Sein Vorbild? „Rudi Wimmer. Ich habe mich als Junge bei ihm hinters Tor gestellt“, erzählte Kahn dieser Zeitung. So gut wie die KSC-Ikone der 1970er und 1980er wollte der Schüler des Helmholtz-Gymnasiums werden.

Unnachgiebige Art

Angefangen hatte alles mit einem Plastikball im heimischen Garten. Eine Spielkugel, die den Globus darstellte, was dem Dreikäsehoch damals freilich nicht bewusst war. „Klein, aber oho. Zurückhaltender Typ, fast ein Außenseiter. Ist mit Leib und Seele Torhüter“, schrieb der KSC-Jugendleiter Andreas Kumeth später über die „Zaubermaus“ im Tor der E-Jugend ins Vereins-Stammbuch. Doch Oliver wollte nicht klein bleiben. Auch wollte er sich vor dem Übergang zu den Senioren nicht vom als talentierter eingeschätzten Wimmer-Sohn Stefan den Rang ablaufen lassen. Dafür schloss er sich im Kraftraum ein. Die Unnachgiebigkeit, mit der Kahn Dinge anpackte, zeigte sich für dessen Vater schon früher, beispielhaft an einer Hof-Episode in Karlsruhe. Oliver Kahn war 13, sein Moped kaputt. „Er baute es auseinander, zusammen, wieder auseinander, wieder zusammen – doch es funktionierte nicht“, erzählt Kahn. „Irgendwann konnte ich es nicht mehr mit ansehen und kaufte ihm ein neues. Doch das lehnte er ab, wollte er nicht. Er wollte sein altes zum Laufen bringen. Glücklicherweise nahm der Händler das neue Moped wieder zurück.“

Was aus Oliver Kahn dann wurde, ist Legende: Mit den Bayern gewann er die Champions League (gegen Valencia) und den Weltpokal (2001), den Uefa-Pokal (1996), wurde achtmal Deutscher Meister, siebenmal DFB-Pokalsieger. Mit der Nationalmannschaft wurde er 2002 Vize-Weltmeister und dabei zum Inbegriff des tragischen Helden. Denn ohne die sagenhaften Paraden des Teufelskerls wäre die DFB-Elf in Fernost niemals ins Endspiel gegen Brasilien eingezogen. Ausgerechnet er leitete darin aber die 0:2-Niederlage ein, als er einen Schuss Rivaldos vor die Füße Ronaldos abprallen ließ. Das Bild, wie Käpt‘n Kahn später in der Nacht im japanischen Yokohama verloren und mit leerem Blick am Torpfosten lehnte, ging um die Welt.

Oliver Kahn
Wunschkandidat von Uli Hoeneß als kommender Vorstandsvorsitzender: Der ehemalige Bayernprofi Oliver Kahn. Foto: Andreas Gebert/dpa

Zu Kahns Biografie zählte eben stets auch Größe im Scheitern. Das auf dramatische Weise mit den Bayern verlorene Champions-League-Finale 1999 gegen Manchester United: die Mutter aller Niederlagen, die Kahn stärker machten. Seine Unterstützung für Jens Lehmann bei der Heim-WM 2006 – auch sie eine wichtige Facette in einer von Aufs und Abs geprägten Laufbahn. Mit Biss, Selbstkasteiung und Geduld hatte er es zum dreimaligen Welttorhüter gebracht (1999, 2001, 2002). Und es in den Jahren danach geschafft, doch auch „entspannter“ zu werden. Die Bilder von Kahns Kung-Fu-Anflug gegen Borussia Dortmunds Schweizer Stéphane Chapuisat, seiner angetäuschten Beißattacke gegen Heiko Herrlich oder seines wilden Eckfahnenjubels beim Meisterschaftsfinale 2001 sind so unvergessen wie das „Wir-brauchen-Eier“-Interview nach einer Bayern-Pleite bei Schalke 04. Als „Höhepunkt meiner Aggressionen, die sich je in mir entladen haben“, bewertete er diese Aktionen später und verglich sich mit einem „wilden Tier“.

Vom KSC geprägt, Bayern nie losgelassen

Welcher Moment in der 2008 beendeten Karriere seines Sohnes ihn am meisten bewegte? Rolf Kahn erwähnt den 10. November 1990 im Wildparkstadion, als der KSC-Trainer Winfried Schäfer den 21-Jährigen zur zweiten Halbzeit der Partie gegen Bochum bei 1:2-Rückstand für Alexander Famulla brachte. „Da hält kein Meistertitel, kein Champions-League-Erfolg mit. Das war für mich der Moment, mit dem alles begann“, sagt Papa Kahn. Den Platz, den sich Oliver an jenem Novemberabend mit der gedrehten Partie gegen Bochum (3:2) erarbeitete, gab er nie wieder her. Das Highlight im KSC-Dress: das 7:0 gegen den FC Valencia drei Jahre darauf. Es folgte 1994 das Unvermeidliche: Kahn wechselte für die damalige Torwart-Rekordablöse von 4,6 Millionen D-Mark (rund 2,35 Millionen Euro) zum FC Bayern. Der KSC hat ihn geprägt, doch das „Mia-san-mia“ der Bayern hat ihn danach nie los gelassen.

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