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Hochrisikopatienten

Karlsruher Pflegeheim-Betreiber sehen Probleme durch Besuchslockerung

Die Lockerungen der Besuchsregel für Pflegeheime sorgen bei vielen Karlsruher Betreibern für Kopfzerbrechen. Sie sorgen sich um ihre Bewohner und halten den Schritt für verfrüht. Viele haben sich Konzepte überlegt, die Kontakte schon jetzt ermöglichen.

Im Hanne-Landgraf-Haus der AWO Karlsruhe sind angemeldete Besuche hinter Plexiglas schon heute möglich.
Im Hanne-Landgraf-Haus der AWO Karlsruhe sind angemeldete Besuche hinter Plexiglas schon heute möglich. Foto: jodo

Ab dem 18. Mai soll es wieder möglich sein, Menschen in Pflegeheimen zu besuchen. In den vier stationären Einrichtungen des Wohnstifts Karlsruhe ist das unter Auflagen schon seit vergangener Woche wieder erlaubt. Vorpreschen wollte man damit allerdings nicht.

„Wir wurden mit dem plötzlichen Ende der Ausgangssperre vor vollendete Tatsachen gestellt“, erklärt Wolfgang Pflüger. „Da sind uns Besuche im Haus lieber als unkontrollierte Ausflüge.“

Der Wohnstift-Direktor ist alles andere als glücklich über die politischen Lockerungsübungen. Ähnlich sehen das viele seiner Kollegen. Er sei sehr unglücklich über das Signal schrittweiser Öffnung, lässt der Caritas-Verbandsvorsitzende Hans-Gerd Köhler wissen.

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Drastischer drückt es sein Kollege Martin Michel von der Karlsruher Stadtmission aus: „Es sterben vor allem unsere Bewohner“, sagt er. „Wir müssen anders behandelt werden als der Rest außenrum.“

Kein einheitliches Besuchskonzept für Karlsruher Heime

Bei der Entwicklung von Besuchskonzepten lässt die Landesregierung den Betreibern Spielraum – nimmt sie damit aber gleichzeitig in die Verantwortung. Einheitliche Regeln wird es nicht geben, dafür seien die Bedingungen zu unterschiedlich, sagt Pflüger. Das habe sich auch bei einer Videokonferenz großer Träger mit der Stadtverwaltung in der vergangenen Woche gezeigt.

Die Stadtmission möchte, dass Besucher eigene FFP2-Schutzmasken mitbringen. Bei der Caritas will man von der bisherigen Regel nicht abrücken und hofft dabei auf das Verständnis der Angehörigen. „Die Sicherheit unserer Bewohner und Mitarbeiter geht vor“, sagt Köhler. „Wer dagegen klagen möchte, kann Kontakt aufnehmen. Ich würde mich dem stellen.“

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Kontakt durch kreative Lösungen schon jetzt möglich

Unabhängig von Corona-Verordnungen haben die meisten Betreiber in den vergangenen Wochen ohnehin nach Lösungen gesucht, um den Bewohnern Kontakte abseits von (Video-)Telefonaten zu ermöglichen. So hat die Caritas in ihren beiden Häusern einen Besucherraum eingerichtet, der durch eine Plexiglas-Scheibe halbiert wird. „Die Leute verkümmern nicht“, ist Köhler überzeugt.

Ähnliche Lösungen gibt es in den Einrichtungen der Arbeiterwohlfahrt (AWO). Dort sei der Treffpunkt für Besucher erreichbar ohne zuvor einen Fuß in das Gebäude zu setzen. „Es gibt kleine Tische, das Plexiglas ist gesprächsdurchlässig und man braucht keinen Mundschutz“, erläutert Geschäftsbereichsleiterin Clarissa Simon. Berührungen gibt es natürlich keine.

Für die Teilnahme am Leben könnten teilweise auch ihre Fenster nutzen, sagt sie. Seit vergangener Woche sind zwei Künstler des Sandkorn-Theaters auf einer Mini-Tour, um auf der Straße oder im Hof der AWO-Heime zu spielen.

Die Bewohner des Kretschmar-Huber-Hauses erlebten einen Gottesdienst auf ihrer Terrasse – der Pfarrer stand gegenüber auf dem Gemeindehaus. „Wir alle bemühen uns um individuelle Lösungen“, sagt Daniel Groß, der Geschäftsführer des ASB Region Karlsruhe. „Das ist ein schwieriger Spagat, weil Kontakte auch gesundheitsfördernd sind.“

Die meisten Angehörigen sind vernünftig

Beim Wohnstift hat die Öffnung vergangene Woche zu keinem großen Ansturm geführt, berichtet Wolfgang Pflüger. In der Fächerresidenz haben sich fünf Besucher angemeldet. Dass die Bewohner auf Ausflüge verzichten sollten, war eine Empfehlung, keine Verpflichtung. „Trotzdem haben sich alle dran gehalten“, so Pflüger.

Das Verständnis für die Maßnahmen sei ohnehin groß – was allerdings nicht für alle Angehörigen gelte. Unter denen gibt es Einzelfälle, die sich nicht mit den Verboten und Einschränkungen abfinden wollen, berichten alle Betreiber. „Es wird immer wieder versucht, an den Leitungen vorbei Kontakt aufzunehmen“, berichtet beispielsweise Caritas-Chef Köhler. Das sei gefährlich für alle anderen Bewohner und die Mitarbeiter.

Gefallene Ausgangsbeschränkung sorgt weiter für Kopfzerbrechen

Gerade mit Blick auf die vergangene Woche gefallene Ausgangsbeschränkung appellieren die Betreiber an die Vernunft der Angehörigen. „Wir haben ein Informationsschreiben aufgesetzt und versuchen zu sensibilisieren“, erklärt Daniel Groß.

So könne man einem dementen Heimbewohner die Notwendigkeit der Schutzmaßnahmen nicht erklären, es sei Aufgabe der Verwandten, darauf zu achten. Dass Bewohner nach ihrem Ausflug in Gemeinschaftsräumen oder Doppelzimmern einen Mund-Nasen-Schutz tragen sollen, hält Clarissa Simon von der AWO allerdings für „hochproblematisch und eine Zumutung“.

Die ganze Ausgangsregelung sei risikobehaftet. „Ich verstehe den Wunsch, die Angehörigen zu sehen“, sagt Stadtmission-Chef Michel. „Aber ich hoffe, dass sie das Schutzbedürfnis der Bewohner immer im Blick haben.“

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