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Schadensersatz gefordert

Kritik an Paragraph 219a-Kommentar: Ex-BGH-Richter Thomas Fischer klagt gegen Journalistin

Der Jurist und Strafrechts-Kommentator Thomas Fischer hat einen Prozess gegen die Bremer Journalistin Gaby Mayr angestrengt, die im „Deutschlandfunk Kultur“ und in der links-alternativen „tageszeitung (taz)“ kritisch über ihn und den von ihm verfassten Kommentar im Zusammenhang mit dem umstrittenen Paragrafen 219 a des Strafgesetzbuches berichtet hat.

Prof. Dr. Thomas Fischer (Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof) in der ZDF-Talkshow maybrit illner am 13.02.2014 in Berlin Thema der Sendung: Steuern, Schuld und Sühne - Wie machtlos ist der Staat?
Prof. Dr. Thomas Fischer (Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof) in der ZDF-Talkshow maybrit illner am 13.02.2014 in Berlin Thema der Sendung: Steuern, Schuld und Sühne - Wie machtlos ist der Staat? Foto: imago images / Müller-Stauffenberg

Der Jurist und Strafrechts-Kommentator Thomas Fischer hat einen Prozess gegen die Bremer Journalistin Gaby Mayr angestrengt, die im „Deutschlandfunk Kultur“ und in der links-alternativen „tageszeitung (taz)“ kritisch über ihn und den von ihm verfassten Kommentar im Zusammenhang mit dem umstrittenen Paragrafen 219 a des Strafgesetzbuches berichtet hat. Vier Passagen beanstandet Fischer. Er verlangt von der Autorin, dass sie bestimmte Behauptungen unterlässt, zudem soll sie öffentlich widerrufen sowie den erlittenen materiellen Schaden ersetzen.

Täuscht der Eindruck, oder scheut Thomas Fischer an diesem Dienstag geradezu das Licht der Öffentlichkeit und nimmt sich demonstrativ zurück, fast so, als gehe es gar nicht um ihn? Dabei ist der frühere BGH-Richter doch bekannt dafür, dass er keinem Konflikt aus dem Weg geht und sogar gegen seinen eigenen Chef, den früheren BGH-Präsidenten Klaus Tolksdorf, geklagt hat.

Der noch dazu gerne im Rampenlicht steht und in der Vergangenheit ein gern gesehener Gast in Fernsehsendungen und Talkshows war, wo er seiner pointierten Aussagen und griffigen Thesen wegen für Furore sorgte. Von seinen früheren regelmäßig erschienenen Kolumnen auf „Zeit online“ und „Spiegel online“ ganz zu schweigen, in denen er sich pointiert mit allen möglichen Fragen des Strafrechts auseinandersetzte und sich beim Austeilen als wenig zimperlich erwies.

Im Karlsruher Landgericht alles anders

Vom Kläger allerdings ist bis kurz vor Prozessbeginn im Saal 126 nichts zu sehen und zu hören, wortlos schlüpft er im Beisein seines Anwalts Michael Artner in den Saal, ganz kurz nur äußert er sich während der gut zweistündigen mündlichen Verhandlung – und danach verlässt er genauso schnell und wortlos, wie er gekommen ist, mit seinem Rechtsbeistand das Gerichtsgebäude.

Mayr: Widerruf wäre "Ende einer seriösen Berichterstattung"

Einen Vorschlag der dreiköpfigen Kammer, einen Vergleich anzustreben, lehnt er ab. Er besteht auf die Unterlassungserklärung, den Widerruf und den Schadenersatz, was wiederum für die Beklagte nicht infrage kommt. „Es geht um die Freiheit der Berichterstattung“, sagt Mayr den BNN. Ihre Artikel seien „gut recherchiert und gut belegt“. Es wäre das „Ende einer seriösen Berichterstattung, wenn ich widerrufen würde“.

Pressefreiheit kontra Persönlichkeitsrechte

Im schmucklosen Raum 126 geht es gut zwei Stunden lang ums Grundsätzliche, wie die Vorsitzende Richterin Christina Walter in ihren gut einstündigen Ausführungen deutlich macht – Pressefreiheit kontra Persönlichkeitsrechte, ebenso um die Frage, wo eine Tatsachenbehauptung endet und eine journalistische Wertung beginnt.

Darf die Autorin schreiben, in Fischers Buch lebe in seinem Kommentar zum Werbeverbot für Abtreibungen (Paragraf 219 a StGB) der „Geist“ des früheren Herausgebers Herbert Tröndle weiter, der einst gegen die Liberalisierung des Schwangerschaftsabbruchs zu Felde zog und einer Lobbyorganisation selbsternannter Lebensschützer angehörte? Darf sie weiterhin schreiben, dass der Strafrechtskommentar, der „im Zusammenhang mit dem Thema Schwangerschaftsabbruch von Staatsanwaltschaften und Gerichten besonders gerne benutzt wird, schlecht für die Rechtsprechung“ sei? Darf sie behaupten, Fischer habe „auch in der 65. Auflage von 2018 nichts verändert, außer der Rechtschreibung“? Und darf sie ihm, viertens, „grobe handwerkliche Schlamperei“ vorwerfen?

Falsche Tatsachenbehauptung?

Fischers Anwalt verteidigt die Klage. Sein Mandant habe sich von Anfang an klar von den Positionen Tröndles distanziert. „Von einem Fortleben Tröndles kann keine Rede sein“, so Michael Artner. Aus dieser falschen Tatsachenbehauptung ergebe sich, dass auch alle weiteren Äußerungen Mayrs falsch seien. Insofern habe Fischer ein Recht darauf, dass die Autorin ihre Behauptungen zurücknehme und widerrufe.

Auch Fischer selber weist in einer kurzen Einlassung die Vorwürfe entschieden zurück. Nicht seine Kommentierung habe die Urteile gegen Frauenärztinnen beeinflusst, die in der Vergangenheit gegen das Werbeverbot für Abtreibungen verstoßen hätten, sondern das Gesetz. Die Gerichte hätten in ihren Begründungen nicht auf seinen Kommentar, sondern auf das Gesetz berufen. „Der Gesetzgeber wollte es so, ich habe mit Anführungszeichen und Quellenangabe zitiert.“ Die Behauptung Mayrs, der „Geist“ von Tröndle lebe in seinem Kommentar zum 219 a weiter, sei durch nichts belegt. „Ich habe immer das Gegenteil vertreten.“

Fischers Auftreten im Fokus

Mayrs Anwalt Gernot Lehr weist hingegen die Vorwürfe entschieden zurück. Das Grundrecht auf Pressefreiheit sei ein hohes Gut, die Klage Fischers greife tief in den „Kernbereich“ des Artikels 5 Grundgesetz ein.  Lehr knöpft sich dabei auch Fischers Auftreten in Talkshows und als Kolumnist vor: „Wenn man sich als Kommentator in die Öffentlichkeit begibt, muss man auch eine scharfe Kritik hinnehmen.“

Dass Positionen kritisiert und infrage gestellt würden, sei „normal“, in der Wissenschaft ebenso wie in der Politik oder der öffentlichen Auseinandersetzung. Das müsse gerade einer wie Fischer akzeptieren, der sich selber „in zugespitzter Form“ in der Vergangenheit geäußert habe.

Offene Fragen

Etliche Fragen bleiben in der gut zweistünden Verhandlung offen. Wie soll Mayr widerrufen? Reicht eine schriftliche Erklärung der Autorin gegenüber Fischer oder muss diese im Deutschlandfunk wie in der taz veröffentlicht werden? Und wie hoch ist der angebliche materielle Schaden, weil die Behauptungen Mayrs mögliche Käufer von Fischers Strafrechtskommentar vom Kauf abgehalten haben und ihm damit Einnahmen entgangen sind? Am 27. September um 13.00 Uhr will die Zivilkammer XXI ihr Urteil verkünden.

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