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Kriegsende vor 75 Jahren

Letzte Kämpfe und Besetzung der Region: So erlebten die Karlsruher das Ende des Zweiten Weltkriegs

Für General Charles de Gaulle, den Anführer des französischen Widerstands gegen das nationalsozialistische Regime, war die Einnahme der badischen Hauptstadt Karlsruhe eine regelrechte Prestigefrage. So ließ er es sich nicht nehmen, am 7. April 1945, drei Tage nach der Besetzung der Stadt über den Rhein zu kommen und in Höhe des Ettlinger Tors die Siegesparade seiner Truppen entgegenzunehmen.

Drei Tage nach der Befreiung von Karlsruhe durch die französische 1. Armee nahm der Präsident der Provisorischen Regierung, Charles de Gaulle, am 7. April 1945 eine Siegesparade seiner Truppen vor dm Ettlinger Tor ab.
Drei Tage nach der Befreiung von Karlsruhe durch die französische 1. Armee nahm der Präsident der Provisorischen Regierung, Charles de Gaulle, am 7. April 1945 eine Siegesparade seiner Truppen vor dm Ettlinger Tor ab. Foto: Stadtarchiv Karlsruhe

Für General Charles de Gaulle, den Anführer des französischen Widerstands gegen das nationalsozialistische Regime, war die Einnahme der badischen Hauptstadt Karlsruhe eine regelrechte Prestigefrage. So ließ er es sich nicht nehmen, am 7. April 1945, drei Tage nach der Besetzung der Stadt durch die 1. Französische Armee, die „Armée de Rhin et Danube“, unter General Jean de Lattre des Tassigny, über den Rhein zu kommen und in Höhe des Ettlinger Tors die Siegesparade seiner Truppen entgegenzunehmen.

Ein Triumph, auch um seine Ansprüche als Siegermacht gegenüber den USA, die Sowjetunion und Großbritannien durchzusetzen und mit der Befreiung Nordbadens vom Nationalsozialismus als gleichberechtigter Partner anerkannt zu werden.

Rheinüberquerung auf eigene Faust

Bereits Mitte März 1945 waren die US-Truppen in der Pfalz bis zum Rhein vorgestoßen. Am 30. und 31. März setzte die 1. Französische Armee, die an die 6. US-Heeresgruppe angegliedert war, mit ihrem II. Korps bei Speyer und Germersheim über den Fluss, am 2. April auch bei Leimersheim, ohne dass dies mit den US-Streitkräften abgesprochen gewesen wäre. De Gaulle hatte den oberkommandierenden General Lattre des Tassigny angewiesen, den Rhein zu überqueren, „selbst wenn die Amerikaner dagegen sind“.

In der ausgebombten Stadt lebten nur noch 60.000 Menschen

Am 2. April wurde Bruchsal eingenommen, am 3. April erfolgte die Besetzung von Knielingen und Neureut. Im Morgengrauen des 4. April, dem Mittwoch nach Ostern, erreichten die französischen Truppen die ausgebombte und ausgebrannte Fächerstadt, in der zu diesem Zeitpunkt noch etwa 60.000 Menschen lebten.

„Zermürbt, lethargisch, ohne Erwartungen erhofften sie das endgültige Ende des Kriegsmartyriums“, schrieb der langjährige BNN-Redakteur Kurt Kranich in seinem 1973 erschienen Buch „Karlsruhe – Schicksalstage einer Stadt“. „Nur in der Tatsache, bisher überlebt zu haben, sahen sie die Chance eines Neubeginns.“

Verteidiger verschanzen sich im Keller des Rathauses

Innerhalb weniger Stunden fiel den Befreiern die Stadt in die Hände, nachdem sich die letzten Reste der noch in der Umgebung von Karlsruhe eingesetzten „Bärendivision“ bereits Ende März in den nördlichen Schwarzwald zurückgezogen hatten. Die Verteidiger der Stadt – einige ältere Polizeireservisten und eine größere Anzahl von Hitlerjungen – verschanzten sich im Keller des ausgebombten Rathauses.

Das allerletzte Aufgebot des NS-Regimes kapituliert

Doch der Widerstand fiel rasch in sich zusammen. Der geballten Feuerkraft der französischen Panzer – einer war hinter der Pyramide in Stellung gegangen und feuerte nach dem Bericht eines Augenzeugen „aus allen Rohren“ - hatte das allerletzte Aufgebot des nationalsozialistischen Regimes nichts mehr entgegenzusetzen. „Angesichts des Panzers stellten jetzt auch die Verteidiger des Polizeipräsidiums ihr Feuer ein und zogen sich durch die rückwärtigen Trümmer zurück“, erinnerte sich der damalige Reserve-Leutnant der Schutzpolizei, Alfons Bonnet. „Vor ihrem Abzug sprengten sie noch einen Teil des Präsidiums.“

Josef Heinrich wird als Bürgermeister eingesetzt

Am Nachmittag des 4. April gegen 15 Uhr wurde auch Rüppurr von französischen Soldaten besetzt. Elf Menschen kamen bei den letzten Kämpfen ums Leben. Der französische Stadtkommandant setzte den früheren Stadtdirektor in der Finanzverwaltung, Josef Heinrich, als kommissarischen Bürgermeister ein, der am 9. April eine provisorische Stadtverwaltung berief.

Katastrophale Versorgungslage

Die Befreiung vom Nationalsozialismus und das Ende des Krieges einen Monat vor der bedingungslosen Kapitulation der Wehrmacht am 8. Mai bedeuteten für die Menschen aber noch lange nicht das Ende von Not und Elend. Die Versorgungslage war katastrophal, die Strom-, Wasser- und Gasnetze waren stark beschädigt, es kam zu Plünderungen und Vergewaltigungen durch die Soldaten.

Am 19. April standen die Franzosen vor Freiburg

Karlsruhe war für die französische Armee nur eine Zwischenstation. Es ging Schlag auf Schlag. Am 8. April erreichten sie Pforzheim, am 13. April Rastatt, zwei Tage später Offenburg und Lahr. Am 16. April überschritt das französische I. Armeekorps bei Straßburg und Kehl den Rhein und zog über das Renchtal bis Freudenstadt. Zeitgleich erreichte die 9. Koloniale Infanterie-Division den Kaiserstuhl und stand am 19. April vor Freiburg.

Eine eigene Besatzungszone für Frankreich im Südwesten

Bereits auf der Konferenz von Jalta im Februar 1945 hatten die „Großen Drei“, US-Präsident Franklin D. Roosevelt, der sowjetische Diktator Josef Stalin und der britische Premierminister Winston Churchill vereinbart, in der Pfalz und im Südwesten eine eigene französische Besatzungszone einzurichten und die Provisorische Regierung Frankreich in den Alliierten Kontrollrat für Deutschland aufzunehmen. Sitz der zentralen Militärregierung („Gouvernement militaire de la zone francaise d’occupation“) war seit Ende Juli 1945 Baden-Baden.

Willkürliche Teilung Badens

Ursprünglich wollte Frankreich das gesamte Land Baden als Puffer und Sicherheitszone unter seine Kontrolle bekommen. Die Amerikaner hingegen wollten die Autobahn Karlsruhe-Stuttgart zur Sicherung ihrer Nachschubwege in ihrer Zone haben. So wurde Baden willkürlich geteilt – und Karlsruhe Teil der amerikanischen Besatzungszone und Sitz des nordbadischen Landesbezirks. Am 7. Juli 1945 verließen die französischen Truppen die Stadt und die Amerikaner übernahmen die Macht.

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