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Geschäftsführer im Interview

Letztes Baujahr für die Karlsruher U-Strab - Im August soll der Probebetrieb beginnen

Für die U-Strab beginnt nach Plan der städtischen Tochter Kasig das letzte Baujahr. Demnach sollen die Bahnen ab dem 13. Juni 2021 durch die Röhre unter der Karlsruher Innenstadt rollen – elfeinhalb Jahre nach dem Baubeginn Anfang 2010.

Endspurt in der Röhre: Noch werden die sieben Untergrundstationen aufwendig ausgekleidet. Bald läuft parallel dazu der Testbetrieb der U-Strab.
Endspurt in der Röhre: Noch werden die sieben Untergrundstationen aufwendig ausgekleidet. Bald läuft parallel dazu der Testbetrieb der U-Strab. Foto: jodo

Im BNN-Interview nehmen die Kasig-Geschäftsführer Alexander Pischon und Frank Nenninger Stellung. Dabei geht es um die stark verlängerte Bauzeit und die explodierten Kosten. Eigentlich sollte der Stadtbahntunnel bereits Ende 2016 fertig sein. Die Gesamtkosten für die Kombilösung zum Stadtumbau haben sich von 500 Millionen auf 1,5 Milliarden Euro verdreifacht.

An der Stadt bleiben dabei nun rund 500 Millionen hängen, einst sollten es nur 100 Millionen sein. Der Bau des Autotunnels unter der Kriegsstraße, der zweiten Kombi-Komponente zur City-Entwicklung, liegt im Plan. Ende 2021 soll er fertig sein.

Im elften Jahr wird an der Kombilösung gearbeitet. Was darf nicht mehr passieren, damit die Kombi nach zwölf Jahren Bauzeit zu Weihnachten 2021 fertig wird?

Nenninger: Etwas, was von außen kommt, das wir nicht im Griff haben. Die Corona-Pandemie darf uns nicht ein zweites Mal treffen, oder Insolvenzen von Baufirmen. Das würde uns beim Bauablauf sehr weh tun. Überraschungen kann es bei 60 Gewerken im Innenausbau des Stadtbahntunnels immer geben.

Können Sie heute garantieren, dass die U-Strab wie nun versprochen in einem Jahr, also zum Fahrplanwechsel am 13. Juni 2021, los rollt?

Nenninger: Das kann funktionieren. Dazu bedarf es noch sehr vieler Abstimmungen.

Pischon: Garantieren kann ich das nicht, es gibt noch so viel Dynamisches im Bauablauf. Aber es ist unser klares Ziel. Wir haben einen Drei-Stufen-Plan. Seit einem Jahr bereitet ein Team aus VBK und Kasig den Probebetrieb und die Abnahme der U-Strab vor.

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© Jodo-Foto / Joerg Donecker// 22.06.2020 KASIG, Interview mit Alexander Pischon und Frank Nenninger, -Copyright - Jodo-Foto / Joerg Donecker Sonnenbergstr.4 D-76228 KARLSRUHE TEL: 0049 (0) 721-9473285 FAX: 0049 (0) 721 4903368 Mobil: 0049 (0) 172 7238737 E-Mail: joerg.donecker@t-online.de Sparkasse Karlsruhe IBAN: DE12 6605 0101 0010 0395 50, BIC: KARSDE66XX Steuernummer 34140/28360 Veroeffentlichung nur gegen Honorar nach MFM zzgl. ges. Mwst. , Belegexemplar und Namensnennung. Es gelten meine AGB. Foto: None

Seit drei Monaten ist auch schon die Technische Aufsichtsbehörde im Vorfeld eingebunden. Zunächst wird bis August sichergestellt, dass die Oberleitung unter Strom steht und die Bahnen durchfahren können. Links und rechts auf den Bahnsteigen kann dann ruhig noch Baustelle sein. Die Optik ist da noch nicht wichtig. Die Bahnsteige werden dann zum Schutz der Arbeiter gegen die Gleise abgesperrt. Vor Weihnachten folgt die technische Abnahme, dann übernehmen die VBK das Hausrecht im Tunnel von der Kasig. Im ersten Halbjahr 2021 läuft die Schulung von 800 Straßenbahnfahrern und weiterer 200 Service-Kräfte im Tunnel.

Wie läuft der Ausbau der Haltestellen, kommen Sie mit dem Einbau der Oberleitung im Tunnel so voran, dass die Verkehrsbetriebe tatsächlich Anfang August den Testbetrieb beginnen können?

Nenninger: Der Fahrdraht ist Ende Juli im Tunnel gespannt, wir schaffen das. Dann beginnt mit 300 Inbetriebnahmeschritten die Zeit der Probefahrten. Parallel dazu kann neben den Gleisen an den Haltestellen weitergebaut werden. Dabei ist die aufwendige Verkleidung der Wände und Decken nicht das Entscheidende. Mich interessiert im Blick auf die Inbetriebnahme des Stadtbahntunnels vielmehr die Funktionsfähigkeit der komplexen Bahntechnik mit 900 Kilometern Kabel im Tunnel. Die Anlage muss funktionieren!

Warum wird die U-Strab vier Jahre später fertig als geplant?

Nenninger: Das ist ein abendfüllendes Thema. Der Stadtbahntunnel ist eben ein technisch hochanspruchsvolles Bauvorhaben, für das keine Erfahrungswerte vorlagen. Mit dem Einsturz des Kölner Stadtarchivs beim U-Bahn-Bau in der Domstadt hat sich 2009 viel verändert. Die ursprüngliche Bemessung der Bauzeit des Bahntunnels auf sechs Jahre war eine Fehleinschätzung. So hat man für den Innenausbau inklusive Testphase lediglich 18 Monate angesetzt.

Pischon: Wir bauen die U-Strab unter laufendem Betrieb der Bahnen und im öffentlichen Leben einer Großstadt. Das ist eine große Leistung. Der Brandschutz wurde verschärft, unsere Hauptbaufirma, die Alpine, ging in Insolvenz. Wir hatten beim Vortrieb des Tunnels zwei kleine Havarien. Dazu kommt der durch den Bundesrechnungshof verzögerte Bau des Autotunnels um ein Jahr.

Das weltberühmte Karlsruher Nahverkehrssystem und damit Millionen Fahrgäste in Stadt und Region leiden im U-Strab-Baujahrzehnt. Umleitungen, Linienausfall und Verspätungen sind Alltag. Her Pischon, sie sind der Herr des Karlsruher ÖPNV, sehen sie den Nahverkehr in einer anhaltenden Krise?

Wir haben baustellenbedingt Schwierigkeiten: Phasenweise wie derzeit nur noch eine von drei Nord-Süd-Trassen in der City. Dazu kamen viele andere Baustellen auf Straßen in und um Karlsruhe. Außerdem hatten wir besonders 2018 wie viele ÖPNV-Unternehmen ein großes Lokführer-Problem. Und jetzt kommt auch noch Corona dazu.

Wie wirkt sich Corona momentan aus?

Pischon: Inzwischen fahren wenigstens werktags wieder annähernd 50 Prozent unserer Kunden wieder mit der Bahn, an den Wochenenden aber sind es weiter nur rund 25 Prozent. Wir verstehen das. Doch das gebotene Abstandhalten kombiniert mit der Maskenpflicht ist auch in der Bahn möglich. Aber wir müssen diesen Verlust an Fahrgästen durch Rückgewinnung des Vertrauens und eine kluge Abstimmung mit Radverkehr, E-Rollern und Carsharing stoppen, sonst kannibalisiert uns das.

Wird mit der Kombi aus U-Strab und Bahn in der Kriegsstraße alles besser?

Pischon: Ja!

Herr Nenninger, mit dem Bau des Autotunnels wurde 2017 mit zwei Jahren Verspätung wegen Finanzierungsproblemen begonnen, läuft jetzt alles wie am Schnürchen?

Nenninger: Nie läuft es bei einer so großen Baustelle wie am Schnürchen. Diese Kombi-Baustelle stellt uns vor andere Herausforderungen. Beim Autotunnel hat die Kasig die Ausführungsplanung selbst gemacht, und wir haben die offene Bauweise. Dafür sind die Logistik und die Verkehrssituation komplex. Da war der Stadtbahntunnel mit seinen unterschiedlichen Bauverfahren ganz anders: Vortrieb durch den Riesenbohrer „Giulia“, bergmännischer Vortrieb unter Druckluft dicht unter der Karl-Friedrich-Straße, offene Bauweise in der Ettlinger Straße und Deckelbauweise bei den Haltestellen.

Müssen die Autofahrer an der Kriegsstraße noch bis Ende 2021 mit starken Behinderungen rechnen?

Nenninger: Das wird so bleiben und teilweise noch schlimmer werden. Dabei schieben sich die Baustellen mit ihren Engstellen für den laufenden Verkehr vom Mendelssohnplatz Richtung Karlstor.

Meine Herren, warum wird die Kombi so teuer?

Warum hat sich der 2004 prognostizierte Anfangspreis von 500 Millionen Euro auf 1,5 Milliarden Euro inzwischen verdreifacht? Nenninger: Man muss da differenzieren. Beim Rohbau des Stadtbahntunnels liegt der Faktor bei 1,8, bei der Kriegsstraße unter 1,3. Massive Schwierigkeiten bereitet dagegen der Innenausbau des Stadtbahntunnels. Wir leiden unter anderem derzeit darunter, dass der Baumarkt explodiert ist. Die Vergaben werden teurer, da haben wir das Budget gerissen. Unter dem Strich aber haben wir für ein solches innerstädtisches Großprojekt bei den reinen Baukosten immer noch ein Top-Ergebnis.

Pischon: Zeit ist Geld. Das ist das Zentrale. Weil wir so lange bauen, nehmen die Kosten entsprechend stark zu. Allein die Zeit und damit die steigenden Baupreise haben Mehrkosten von 400 Millionen Euro verursacht. Dazu kommt ein wichtiger Grund: Seit 2013 erst prognostizieren wir nicht mehr nur die reinen Baukosten sondern die für 2021 erwarteten Gesamtherstellungskosten. Dazu gehören beispielsweise die Aufwendungen in Höhe von 146 Millionen Euro für Finanzierung, Marketing und eigenes Personal.

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© Jodo-Foto / Joerg Donecker// 22.06.2020 KASIG, Interview mit Alexander Pischon und Frank Nenninger, -Copyright - Jodo-Foto / Joerg Donecker Sonnenbergstr.4 D-76228 KARLSRUHE TEL: 0049 (0) 721-9473285 FAX: 0049 (0) 721 4903368 Mobil: 0049 (0) 172 7238737 E-Mail: joerg.donecker@t-online.de Sparkasse Karlsruhe IBAN: DE12 6605 0101 0010 0395 50, BIC: KARSDE66XX Steuernummer 34140/28360 Veroeffentlichung nur gegen Honorar nach MFM zzgl. ges. Mwst. , Belegexemplar und Namensnennung. Es gelten meine AGB. Foto: None

Relativ hohe Kostensteigerungen verursachte auch das Bauen unter Betrieb mit teuren Verkehrsprovisorien. Und es gab immense Nachforderungen von Firmen. Viele konnten wir abwenden, sonst wären es heute deutlich mehr als 1,5 Milliarden Euro – allerdings mit hohem Aufwand für Rechtsanwälte. Das schlägt sich in den gestiegenen Baunebenkosten nieder. Dazu kommen Entschädigungen sowie die nach dem Archiveinsturz in Köln erhöhte Versicherung.

Ist die U-Strab allein der Kostentreiber? Vor 2010 wurde von 333 Millionen für die U-Strab und 162 Millionen Euro für die Umgestaltung der Kriegsstraße mit Autotunnel und Bahntrasse ausgegangen. Wie teilen sich heute die Kosten auf?

Pischon: Wir haben bei der U-Strab eine deutlich höhere Kostensteigerung. Das liegt aber auch daran, dass am Autotunnel erst seit zwei Jahren gebaut wird.

Bund und Land finanzieren den Löwenanteil der Kombi, zusammen 80 Prozent der förderfähigen Kosten, 60 Prozent der Bund, 20 Prozent das Land. 20 Prozent muss die Stadt durch ihre Holding KVVH, die Mutter der Kombi-Bauherrin Kasig, aufbringen. Einst sollte die Stadt nur rund 100 Millionen Euro für die U-Strab zahlen müssen, wie viel sind es heute?

Pischon: Auf die Stadt kommen rund 500 Millionen Euro zu.

Die Summe hat sich verfünffacht?

Pischon: Das ist die Gesamtsumme. Sie besteht weiter aus 20 Prozent der förderfähigen Kosten plus dem Gesamtpaket der nichtförderfähigen Kosten.

Herr Nenninger würden Sie die Kombi heute wieder so bauen, würden Sie lieber etwas streichen oder ganz anders machen? Und was ist für sie als einen welterfahrenen Bauingenieur, der auch auf anderen Kontinenten Riesenprojekte umgesetzt hat, das bautechnisch ganz Besondere an der Karlsruher U-Strab?

Nenninger: Heute würde ich sagen: Ich hätte auf den bergmännischen Bau des Südabzweigs unter der Karl-Friedrich-Straße mit aufwendigem Druckluftverfahren verzichtet und stattdessen auf diesem kurzen Abschnitt mit offener Baugrube gebaut. Der unterirdische Vortrieb lief dort nur, um das oberirdische Leben nicht zu stören, dauerte aber sehr lange und hatte mit Mehraufwand einen hohen Preis. Das Besondere ist das komplexe Umsetzen des gesamten Spektrums eines Bauingenieurs.

Was fällt Ihnen noch ein?

Nenninger: Die Untergrundstationen sind sehr groß, solche Haltestellen gibt es weder in London noch Berlin. Das hat viel Geld gekostet. Ich hätte auch die architektonische Ausgestaltung der Haltestellen mit Werksteinplatten, verschalten Wänden und dem Lichtgespinst nicht so gemacht. In anderen deutschen U-Bahn-Städten gibt es diesen hohen Ausführungsstandard nicht.

Herr Pischon, warum lohnt sich die Kombi für Karlsruhe, was rechtfertigt ein Jahrzehnt Baustellenstadt mit Belastungen und Einschränkungen für die Bürger und den Einsatz von 1,5 Milliarden Euro?

Pischon: Die Kombilösung bringt das versprochene Ziel: Der mächtig ausgebaute Öffentliche Nahverkehr von Stadt und Region, dessen Hauptschiene durch die Karlsruher Innenstadt läuft, ist nur mit ihr gut abzuwickeln und kann mit der U-Strab weiterentwickelt werden. Mit dem Entschluss zum Stadtumbau per Kombilösung waren wir unserer Zeit voraus: Auch wegen der inzwischen mit voller Wucht greifenden Klimaproblematik gehört dem ÖPNV die Zukunft. Das Land will massiv investieren – und wir haben einen Vorsprung gegenüber anderen Städten.

Kritiker meinen, die Zeit habe die U-Strab schon vor Inbetriebnahme überholt?

Pischon: Nein, auf keinen Fall. Mit der U-Strab kann neben der Kriegsstraße dank des Autotunnels die ganze Oberfläche der Innenstadt neu gestaltet werden: Die U-Strab macht den ökologisch notwendigen Wandel möglich: mehr Straßenbahnen, mehr Radverkehr und ein weiteres Zurückdrängen des Autos für eine lebenswerte City. Die Kombi bringt die Riesenchance für die Stadtentwicklung. Denken sie zum Vergleich an Paris. Die Weltstadt will mit dem Riesenprogramm „Grand Paris Express“ ihr U-Bahn-Netz um 200 Kilometer ausbauen und dafür 44 Milliarden Euro einsetzen. Es geht um den Entwicklungssprung zu einer ökologisch modernen Stadt.

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