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Millionen-Streit

Michelin verschickt Mahnungen an Mitarbeiter

Der Streit zwischen Michelin und Mitarbeitern spitzt sich zu. 32 Grenzgänger sollen nach einem Steuer-Problem 1,3 Millionen Euro zahlen. Der Reifenhersteller mit Sitz in Karlsruhe hat nun Mahnungen verschickt, es bahnen sich Gerichtsprozesse an.

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IMAGE-437240 Foto: N/A

Das Schreiben hat die letzten Hoffnungen auf eine friedliche Lösung zunichte gemacht: Der Reifenhersteller Michelin hat Mitarbeitern in Karlsruhe und Homburg nun Mahnungen geschickt. Im Streit um knapp 1,3 Millionen Euro bahnen sich gerichtliche Auseinandersetzungen an.

Das Unternehmen fordert von 32 Grenzgängern Beträge zwischen 4 000 und 200 000 Euro. Sie haben ihr Gehalt über Jahre in Frankreich und nicht in Deutschland versteuert. Michelin hat die knapp 1,3 Millionen Euro bereits an die deutschen Finanzbehörden gezahlt und fordert das Geld nun von seinen Angestellten.

„Wir werden vor Gericht landen“

Bei einem Treffen unter mehreren Betroffenen wird es emotional. Er habe ein „gebrochenes Herz“, sagt ein Grenzgänger. „Für Franzosen ist es ein Traum, für Michelin zu arbeiten – so wie für einen Deutschen, der für Porsche arbeitet.“ Früher habe es die Michelin-Familie gegeben – doch das sei Geschichte, die Stimmung sei kühl geworden. „Manche arbeiten in der zweiten Generation dort. Die sagen: Was wurde aus unserem Unternehmen gemacht?“ Als er das ausspricht, stehen einem Kollegen Tränen in den Augen.

Michelin macht ernst. Im Mahnungsschreiben an die Mitarbeiter heißt es: „Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass wir nach fruchtlosem Verstreichen der Frist den Gerichtsweg bemühen werden.“ Die Betroffenen warten auf die zweite Mahnung. „Sie wird kommen und wir werden vor Gericht landen“, sagt einer. „Manche sind am Ende, schlafen nicht mehr.“

Nicht jeder Angestellte wehrt sich mit einem Anwalt. Manche haben nur noch wenige Jahre bis zur Rente, jüngere Mitarbeiter fürchten nach einem Rechtsstreit eine Versetzung. „Ich werde zahlen“, sagt einer. „Da geht es nicht um Recht.“

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Unternehmen wusste vom Problem

Durch den Grenzgänger-Status versteuern Mitarbeiter ihr Gehalt in dem Land, in dem sie wohnen. Das Problem: Die 32 Betroffenen haben den Status verloren, da sie etwa wegen Dienstreisen an einigen Tagen nicht an ihren Wohnort zurückkehrten. Das hätte das Unternehmen bemerken müssen, sagen sie.

Michelin hielt schon Anfang 2017 in einem internen Dokument fest: „Grundsätzlich haftet Michelin als Arbeitgeber für den korrekten Lohnsteuerabzug beim Mitarbeiter.“

Dennoch wurde an die Grenzgänger weiter das Gehalt ohne Steuerabzug bezahlt – sie führten ihre Steuer in Frankreich ab.

Michelin sieht Mitarbeiter in der Pflicht

Gegenüber den BNN definiert es Michelin-Sprecher Heimo Prokop so: „Das Unternehmen ist für die Abführung der Steuern zuständig. Steuerpflichtig ist der Grenzgänger und dementsprechend hat er die Steuern zu bezahlen.“ Manche Betroffene würden bevorzugt werden und müssten nicht zahlen, kritisieren Angestellte. „Wir gestalten mit jedem Mitarbeiter eine seinen individuellen Verhältnissen entsprechende Lösung“, sagt Prokop.

Das Klima habe sich für sie ohnehin verschärft, sagt einer der Grenzgänger: Kaum einer habe den Umzug nach Frankfurt mitgemacht. „Wir hätten den Grenzgänger-Status verloren und damit auch 20 bis 40 Prozent Netto-Gehalt. In Frankfurt gibt es quasi keine Franzosen mehr.“ In manchen Abteilungen habe die Hälfte der Belegschaft das Unternehmen verlassen, die Belastung habe sich erhöht. „Wir schwimmen, um nicht unterzugehen.“

„Mittlerweile traue ich ihnen alles zu“

Den Umzug nach Frankfurt hätte etwa jeder fünfte Mitarbeiter nicht mitgemacht, heißt es von Michelin. „Stand heute sind mehr als die Hälfte dieser Stellen nachbesetzt“, so Prokop. Der Umzug habe sich gelohnt, die Kommunikation mit Kunden und Kollegen sei in Frankfurt aufgrund der zentralen Lage wesentlich leichter.

Nordeuropa-Chef Anish Taneja möchte den Reifenhersteller in einer schwierigen Marktlage fit machen für die Zukunft. Michelin soll Lifestyle verkörpern. Von den Mitarbeiterin hat sich das Unternehmen unter ihm weit entfernt, monieren die Grenzgänger. „Wir benutzen einen Bleistift, bis die Mine fertig ist – und Taneja sehen wir auf Fotos bei Partys auf dem roten Teppich.“

Die familiär agierende Michelin-Führung sei nicht mehr da. „Ich kenne meine Firma nicht mehr“, sagt ein Betroffener. „Mittlerweile traue ich ihnen alles zu.“ Das Mahnungsschreiben ist für viele Betroffene ein Bruch mit Michelin. „Mit seiner Familie macht man so etwas nicht.“

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