Eine Zeitreise: Am vergangenen Wochenende lud das Zentrum für Kunst und Medien (ZKM) anlässlich seines 30-jährigen Bestehens zur kollektiven Rückschau ein. Wie auf einem Festival konnte sich das Publikum in einem Schnelldurchlauf, einem 30 Stunden dauernden, dichten Programm von Gesprächen und Vorträgen an die wechselvolle Geschichte des Leuchtturms baden-württembergischer Kulturpolitik erinnern. Zum Ende des Festakts stand nun die Zukunft des Hauses auf der Agenda.
In der knappen Stunde schien auf, wie intensiv im ZKM-Stiftungsrat über zeitgemäße Kurskorrekturen des von Stadt und Land getragenen zukunftsorientierten Zentrums gerungen wird. „Wir haben viel zurückgeblickt“, sagte dessen Vorsitzende, Staatssekretärin Petra Olschowski, „wenn wir in die Zukunft blicken, dann hoffe ich, dass wir auch offen sind für eine neue Person an der Spitze des ZKM.“
Im Raum stand wie so oft in den letzten Wochen die Personalie Peter Weibel, also die vom langjährigen ZKM-Vorstand gewünschte Verlängerung bis zu seinem 80. Lebensjahr. Doch sind es auch andere Fragen, die für die Ausrichtung des ZKM von vielleicht noch entscheidenderer Bedeutung sind.
Olschowski: Kooperation des KIT mit HfG und KIT
So plädierte Olschowski für Kooperationen von ZKM und Hochschule für Gestaltung (HfG), von ZKM und KIT, ohne die Institutionen zu verschmelzen. Die ehemalige Direktorin der Akademie der Bildenden Künste Stuttgart mahnte zudem an, die politischen Ansprüche an das ZKM nicht in den Himmel zu schrauben. Das Haus sei ein Ort der Vermittlung der technologischen Veränderungen, aber auch ein Ort der Vernetzung und der Kunst, und müsse deshalb auch ein Schutzraum bleiben.
Damit antwortete sie indirekt auf einen Beitrag des CDU-Politikers Erwin Vetter, ehemals Sozialminister, Oberbürgermeister von Ettlingen und ZKM-Stiftungsratsmitglied.
Vetter, der das ZKM als seine „innere Herzkammer“ bezeichnete, erinnerte an die ersten Überlegungen von Ministerpräsident Lothar Späth in den Achtzigerjahren, als es darum ging, ein kulturelles Gegengewicht für das auf neue Technologien in der Autoindustrie konzentrierten Bundesland zu schaffen, das zugleich Ideen für die Wirtschaft liefert.
Von dem als Moderator auftretenden früheren arte-Vorstand Gottfried Langenstein nach seinen Vorstellungen für das zukünftige ZKM befragt, mahnte der Karlsruher Oberbürgermeister Frank Mentrup ein neues Weltverständnis an.
Es gehe nicht nur darum, ZKM-Projekte nach Mumbai oder China zu exportieren, sondern auch umgekehrt andere künstlerische Positionen nach Karlsruhe zu holen und von ihnen zu lernen. Mehr internationaler Austausch sei von Nöten, um angesichts der Probleme der Welt gemeinsam ein neues Verständnis von Menschsein zu gewinnen.
Mentrup zeigt sich betroffen von Weibels Performance mit Heinrich Klotz
Mentrup war es auch, der sich auf dem Podium betroffen zeigte von der zuvor präsentierten Performance Peter Weibels, die den Gründungsdirektor Heinrich Klotz mittels einer neuen Software aus dem Grab sprechen ließ.
„Wie kann man einen Verstorbenen seiner Sprache und seiner Mimik berauben“, sagte Mentrup. Klotz war den Festakt-Gästen schon sichtlich von seiner Erkrankung gezeichnet auf einem Monitor erschienen. Nach quälenden Minuten der Irritation lüftete sich der Vorhang und Weibel präsentierte sich als Rezitator einiger Sentenzen aus Klotz’ Memoiren.
Manfred Popp, seit 18 Jahren ZKM-Kuratoriumsmitglied, meinte mit Blick auf die befremdlich Darbietung, dass wohl noch einiges, was uns die Zukunft bringen würde, gewöhnungsbedürftig sei. Der Physiker und ehemalige Vorstand des Forschungszentrums Karlsruhe bezeichnete das ZKM als notorisch unterfinanziert und regte Bemühungen um Bundesmittel an, um die medientechnologische Forschung im ZKM voranzutreiben.
Mentrup jedoch bestand mit Blick auf klare Zuständigkeiten wie auch schon Olschowski zuvor auf die Eigenständigkeit des ZKM.
Stiftungsrat und Kuratorium des ZKM ziehen nicht an einem Strang
Im Verlauf des Abends wurde deutlich, dass derzeit Stiftungsrat und Kuratorium des ZKM nicht an einem Strang ziehen. Mentrup wandte sich bezüglich der Causa Weibel sogar direkt an Popp. Der habe die nun schon die seit eineinhalb Jahren währende gemeinsame Suche nach einem Nachfolger über die Presse aufgekündigt.
Popp entgegnete, dass man Distanz gewahrt habe „bis es nicht mehr ging“, was heißt, dass das Kuratorium die Verlängerung Weibels durchsetzen will. Man kann diesen öffentlichen Schlagabtausch einen Eklat nennen. Vielleicht aber ist er auch nur ein wohltuendes Gewitter, das die Diskussion um die Zukunft des ZKM wieder erdet.
Denn unstrittig dürfte sein, dass die Digitalisierung die Menschheit längst durchdrungen hat und es deshalb weiterhin der Auseinandersetzung mit den dringende Fragen auf professionellem Niveau bedarf.