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Pop-up-Modell ist in Karlsruhe bisher nicht der Renner

Linke will Pop-Up-Radwege in Karlsruhe - die Verkehrsplaner sind skeptisch

Die Linke im Karlsruher Gemeinderat will, dass Pop-up-Radwege eingerichtet werden.  Die städtischen Radverkehrsplaner sehen das skeptisch. Eine Baustelle gegenüber der Kunsthalle bringt gerade quasi einen Probelauf. 

Radfahrer und Autos an der Einmündung der Waldstraße in die Hans-Thoma-Straße
Faktischer Testlauf: Wo die Waldstraße in die Hans-Thoma-Straße mündet, gibt es wegen einer Baustelle aktuell nur eine Fahrspur für Autos. Radfahrer können weiter unverändert auch geradeaus Richtung Zirkel rollen. Ungefähr so würde auch ein Pop-up-Radweg an der viel von Radlern passierten Kreuzung aussehen. Foto: Jörg Donecker

Pop-up-Radspuren sind mehr als bunte Aktionen mit kurzer Lebensdauer. Mit Baken und gelber Markierung, wie man sie von Baustellen gewöhnt ist, richten allen voran Berlin, aber auch einige andere deutsche Städte provisorisch und auf die Schnelle geschützte Radfahrstreifen im sogenannten Pop-up-Modell ein. Die Perspektive dabei ist, die Straßenabschnitte anschließend umzubauen und die Radfahrstreifen auf Dauer beizubehalten.

Berlin hat ein knappes Dutzend Pop-up-Fahrradstreifen quasi über Nacht eingerichtet und plant nochmal doppelt so viele. Die Linke im Karlsruher Gemeinderat will, dass auch in Karlsruhe, Deutschlands Fahrradhauptstadt, Pop-up-Radwege geschaffen werden. Grundidee ist, jetzt in Corona-Zeiten Radfahren mit mehr Abstand zu ermöglichen und dem leisen, abgasfreien und platzsparenden Verkehrsmittel Fahrrad dann auch auf Dauer mehr Platz in der Stadt einzuräumen.

Karlstraße mit Blick auf die Münze
Vorfahrt für Autos: In der Karlstraße zwischen der Münze im Norden und dem Europaplatz sind Radfahrer eine Randerscheinung. Foto: Jörg Donecker

Die Linke-Stadträte sehen in Karlsruhe gute Möglichkeiten für Pop-up-Radspuren in Straßen, für die es schon Pläne gibt, Radwege auf der Fahrbahn anzulegen oder zu erweitern. Im Karlsruher Gemeinderat sollte das Thema im Juni diskutiert werden, wurde aber wegen Überlänge der Sitzung vertagt. Nun kommt es möglicherweise in der öffentlichen Sitzung am Dienstag, 21. Juli 2020, die um 15.30 Uhr in der Gartenhalle beginnt, zur Sprache.

Eine Übersicht über bestehende und geplante Fahrradstraßen in Karlsruhe.
Eine Übersicht über bestehende und geplante Fahrradstraßen in Karlsruhe. Foto: Stadt Karlsruhe/Stadtplanungsamt

Wie so ein Pop-up-Radweg aussehen könnte, demonstriert derzeit eine Baustelle der Stadtwerke Karlsruhe gegenüber der Kunsthalle. Zur Fernwärmeversorgung wird in der Hans-Thoma-Straße zwischen Akademiestraße und Waldstraße gebuddelt. Nur eine Linksabbiegespur gibt es für die Autofahrer, die von Westen kommen und stadteinwärts unterwegs sind. Die Autospur Richtung Zirkel ist mit rot-weißen Baken abgesperrt. Radfahrer kommen auf ihrer üblichen schmalen, aber separaten Fahrspur rechts an den Baken vorbei. So bleibt die Lage voraussichtlich drei Wochen lang bis Freitag, 24. Juli 2020.

Radfahrer kritisieren die Gestaltung der Hans-Thoma-Straße stadteinwärts seit langem. Dort sind besonders viele Studierende, radelnde Schüler und Jugendliche unterwegs. Der Regionalclub Karlsruhe des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs (ADFC) mahnt ebenso Verbesserungen an wie die Greenpeace-Ortsgruppe Karlsruhe.

Selbst die Radverkehrsplaner im Rathaus halten die Passage für unbefriedigend. Für Autos gibt es durchgehend zwei parallele Fahrspuren, Radfahrer müssen sich ungeschützt in den Verkehr mischen. Der Umbau der heikelsten Stelle um die Einmündung der Bismarckstraße herum immerhin ist seit Ende Juni 2020 beschlossen. Voraussichtlich ab 2022 soll die Straße dort aufwändig umgestaltet werden.

Problemfall Abbiegen

Die städtischen Planer des Radverkehrs reagieren skeptisch auf die Forderung nach Pop-up-Radwegen. Alle Fahrradspuren müssten gut geplant sein, argumentieren sie - auch dann, wenn sie nur vorübergehend und mit kurzer Vorbereitungszeit eingerichtet würden. Sonst könne Unfallgefahr entstehen. Das Hauptproblem sind Einmündungen und Kreuzungen. Beim Ein- und Abbiegen passieren die schlimmsten Unfälle mit Radfahrern. Auch wo sich Verkehrsströme verflechten und unterschiedliche Verkehrsteilnehmer einander schlecht sehen können, ereignen sich schneller Unfälle. Das zeigt auch die Karlsruher Unfallstatistik.

Das eigentliche Ziel sei, dauerhafte gute Lösungen zu finden, die dem beständig wachsenden Radverkehr in der Fahrradhauptstadt Deutschlands gerecht werden, argumentieren die Radverkehrsplaner. In Karlsruhe mit inzwischen über 30 Prozent Radverkehrsanteil sei das besonders wichtig. Der Regionalclub Karlsruhe des ADFC sieht das gar nicht viel anders. Da die Stadt von sich aus Fahrspuren zu Gunsten von Radfahrern umwidme, ziehe das Pop-up-Modell in Karlsruhe nicht sonderlich, sagt Ulrich Eilmann, ehemaliger Vorsitzender und derzeit assoziiertes Vorstandsmitglied des ADFC Karlsruhe.

Umbau auf Dauer ist absehbar in Mühlburg und der Oststadt

Auf die Schnelle an wichtigen Verkehrsadern Fahrradspuren markieren - die Idee gefällt den Karlsruher Radverkehrsplanern auch nicht, wenn für den dauerhaften Umbau schon alles bereit ist. Ab September oder Oktober 2020 geht es zum Beispiel in Mühlburg in der Rheinstraße stadtauswärts los. Dort reduziert die Stadt den überbreiten Fahrstreifen für Autos auf die reguläre Breite. Der gewonnene Platz wird genutzt, um einen Radfahrstreifen statt des heutigen Schutzstreifens zu markieren. Das sei mit anderen Maßnahmen abgestimmt. Eine vorzeitige Pop-up-Markierung passe nicht dazu, und sie verursache zusätzlichen Aufwand. Der geringe zeitliche „Gewinn“ sei das nicht wert, so die Stadt.

Auch in der Oststadt sind in der Haid-und-Neu-Straße und in der Karl-Wilhelm-Straße stadteinwärts sowie am Karl-Wilhelm-Platz Umbauten und Markierungen bereits ab den Sommerferien 2020 vorgesehen. Deshalb halten die Verkehrsplaner vorzeitige Markierungen auch dort nicht für sinnvoll.

Prüfender Blick auf die Siemensallee

In der Siemensallee hängt die künftige Radverkehrsführung auch von den Verkehrsbetrieben Karlsruhe (VBK) ab. Denn diese gestalten ihre Haltestellen um. Bis es so weit ist, wird es noch einige Zeit dauern. Deshalb wollen die Fahrradstrategen im Rathaus prüfen, ob sich das kurzfristige Pop-up-Modell für die Verkehrsader im Nordwesten eignet. Dabei komme es auch darauf an, ob sich Ampelschaltungen ohne unangemessen großen Aufwand anpassen ließen.

In der Kriegsstraße wird westlich vom Autotunnel der Kombilösung nicht vor dem Jahr 2024 zwischen Reinhold-Frank-Straße und Weinbrennerplatz umgebaut. Bevor Radfahrer dort unter verbesserten Bedingungen und auf dem Niveau der Fahrbahn rollen, will man nur Fußgängern provisorisch die Überquerung der Straße erleichtern. Beide Verbesserungen gleichzeitig zu erzielen, sei ohne Umbau nicht möglich, so die Stadt. Sie gibt dort der Aufwertung für Fußgänger Vorrang.

Platzfrage stellt sich auch wegen Covid-19

Der Ausbau von Fahrradwegen auch auf Kosten von Parkplätzen und Fahrspuren für Autos ist bundesweit inzwischen durchaus populär. Schon 2018 befürwortete das in einer Studie des Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) Essen und des Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) jeder zweite der knapp 7.000 Haushalte, die in ganz Deutschland befragt wurden. Dagegen waren 28 Prozent.

Derzeit sei es zur Vorbeugung gegen Covid-19 doppelt wichtig, Radfahrern mehr Platz zu geben, auch zum Aufstellen beim Warten an der Ampel, sagt Volker Klasen im Namen der Greenpeace-Ortsgruppe Karlsruhe. Die Gruppe demonstrierte im Mai in der nördlichen Karlstraße, wie ein Pop-up-Radweg aussieht. „Radfahrer sind in Karlsruhe nicht ganz schlecht vertreten, aber es ist auch noch viel Luft nach oben”, findet Klasen. „Da könnte man gern auch noch mehr Zeichen setzen”, sagt er und fragt: „Traut man sich nicht ran?”

Der Wille fehlt, auch in Karlsruhe.
Volker Klasen, Sprecher der Greenpeace-Gruppe Karlsruhe, zu Pop-up-Radwegen

Ein Pop-up-Radstreifen am nördlichen Ende der Karlstraße ist aus Sicht des Greenpeace-Sprechers „nicht optimal” wegen der Anbindung und Abbiegemöglichkeiten. In der Hans-Thoma-Straße kurz vor dem Zirkel, einem Herzstück des Radwegnetzes in der City, sei eine Pop-up-Lösung hingegen naheliegend. Praktisch geschieht ihm zu wenig: „Der Wille fehlt, auch in Karlsruhe.”

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