Die Zahl der Anrufe verzweifelter oder wütender Eltern nimmt seit einigen Tagen zu – das berichten die Träger verschiedener Kitas unisono. Mit der ab 18. Mai angekündigten Ausweitung der Betreuung hin zu einem „reduzierten Regelbetrieb“ könnte sich dieser Trend verstärken. Bis zu 50 Prozent der Kinder dürfen dann wieder in die Kita, die andere Hälfte bleibt weiter außen vor.
Am Freitag haben sich die Sozial- und Jugendbehörde der Stadt und die Träger auf Kriterien für die Aufnahme geeinigt, anschließend an die bereits in Verordnungen definierten. Vorrangig sollen demnach Kinder mit besonderem Förderbedarf zurückkehren. Ist dann noch Platz, entscheidet das Alter: Aufgefüllt wird chronologisch absteigend, beginnend mit Kindern im letzten Kita-Jahr.
Mehr zum Thema:Ein System, bei dem alle im täglichen oder wöchentlichen Wechsel in die Kita kommen, sehen viele Träger hingegen kritisch. Das Kultusministerium könnte die Pläne aber noch verändern. Man warte auf weitere Ausführungen, heißt es aus dem Rathaus.
Über 1.000 Kinder sind schon in der Notbetreuung
Aktuell besuchen in Karlsruhe über 1.000 Kinder die Notbetreuung. Genaue Daten liegen nicht vor, da nicht alle Träger ihre Zahl zurückgemeldet haben. Leben ist in so gut wie jede Einrichtung zurückgekehrt – die Auslastung ist aber sehr unterschiedlich.
„Manche sind schon an ihrer Kapazitätsgrenze angelangt“, berichtet Philipp Klein vom Dachverband der Karlsruher Elterninitiativen. In den 46 Einrichtungen der Katholischen Gesamtkirchengemeinde (GKG) wird hingegen durchschnittlich nur etwa jeder fünfte Platz genutzt.
Die Ausweitung der Notbetreuung habe durchaus zu einem Anstieg der Nachfrage geführt, berichtet ProLiberis-Sprecherin Melanie Quernhorst. „Aber der Ansturm ist ausgeblieben.“ Trotzdem melden derzeit Tag für Tag weitere Eltern ihren Bedarf an.
Bürgermeister Martin Lenz appelliert an Verständnis der Eltern
„Das Telefon steht bei uns nicht still“, berichtet Anja Wilhelmi-Rapp von der Evangelischen Kirche. „Allein am Donnerstag kamen 18 Anfragen dazu.“ Mit Blick auf die weitere Lockerung rechnet man im Rathaus mit einer deutlich größeren Rückmeldung.
Man gehe davon aus, dass 80 bis 90 Prozent der Eltern ob ihrer Berufstätigkeit durchaus eine Berechtigung sehen könnten, heißt es aus der Trägerrunde. „Deshalb brauchen wir transparente Grundlagen“, sagt Esther Marggrander, die Geschäftsbereichsleiterin der Arbeiterwohlfahrt (AWO). „Viele Eltern haben sicher Erwartungen“, ergänzt Bürgermeister Martin Lenz. „Ich kann da nur an ihr Verständnis appellieren.“
Platz- und Personalmangel könnten 50-Prozent-Auslastung verhindern
Bei der Planung arbeiten die Träger noch mit vielen Variablen. Längst nicht jede Einrichtung wird tatsächlich die Hälfte ihrer Kinder aufnehmen können, das steht schon heute fest. „Wir müssen jede Kita individuell betrachten“, sagt Ulrike Tiedtke von der Kindergartengeschäftsführung der GKG.
Einschränkungen gibt es beispielsweise durch Bauarbeiten oder einen kürzlich aufgetretenen Wasserschaden. Bei der evangelischen Kirche hat man umfangreiche Konzepte entwickelt, um räumliche Probleme zu lösen. So gibt es in manchen ihrer älteren Kitas nicht in jedem Gruppenraum Toiletten und Waschbecken. Die AWO überlegt, wie sich vorerst Turn- zu Gruppenräumen umwidmen lassen.
Mehr zum Thema:Ein zweiter limitierender Faktor ist für die Träger die Personallage. „Bei uns sind in einer Kita mit drei Gruppen nur noch zwei Erzieher verfügbar, in einer anderen mit sechs Gruppen sind dafür alle da“, berichtet Tiedtke. Gut 20 Prozent der Mitarbeiter stehen nach ihrer Schätzung nicht zur Verfügung. Andere Träger gehen sogar von bis zu 40 Prozent aus.
Manche Träger haben Mitarbeiter in Kurzarbeit geschickt
Zusätzlich erschwert wird die Personalfrage für viele freie Träger dadurch, dass sie erst vor wenigen Tagen Erzieher in Kurzarbeit geschickt haben. Sie versuchen damit, die Finanzierungslücke durch fehlende Elternbeiträge aufzufangen.
Der Gemeinderat hatte zwar Ende April beschlossen, wie von Lenz angekündigt, diese Beiträge zu übernehmen – allerdings nur bis zur Höhe des städtischen Satzes . „Da waren wir schon überrascht“, so Marggrander. Seit dem 1. Mai sind bei der AWO nun Erzieher in Kurzarbeit, die nicht für die Notbetreuung gebraucht werden. Ähnlich sieht die Situation bei ProLiberis aus.
Evangelische Kirche sieht sechsstellige Finanzierungslücke
Bei den kirchlichen Trägern zeigt sich hingegen ein differenziertes Bild. Die katholische Kirche hat ihre Gebühren im September 2019 auf die Höhe der städtischen gesenkt und somit keine Lücke zu beklagen. Die evangelischen Kollegen befürchten ein Minus von mindestens 100.000 Euro pro Monat, bestätigt Verwaltungsdirektor Karl-Heinz Honeck. „Da kriegen wir ein echtes Finanzierungsproblem“, ergänzt er.
Deshalb wolle man sich an die Fraktionen im Gemeinderat wenden, um möglicherweise doch eine vollständige städtische Gebührenübernahme zu erreichen. ProLiberis-Geschäftsführer Peer Giemsch setzt hingegen auf das Verständnis der Eltern. Er hofft, dass sie für den Fehlbetrag einspringen.