Für 134 Schülerinnen und Schüler des Brettener Edith-Stein-Gymnasiums endete an diesem Morgen die siebenwöchige Zuhause-Beschulung. Die Wiedersehensfreude ist groß. Schon an der Stadtbahnhaltestelle freudige Begrüßung, mitunter mit herzlicher Umarmung und ohne Mundschutz. Vor dem Schultor greift allerdings das Vermummungsgebot.
Aufatmen dann in den Klassenräumen – im Brettener Fall aus Platzgründen die Aula, das Musikzimmer und der Kunstraum. Dort dürfen die Masken wieder abgenommen werden.
Ähnlich sieht es in vielen Schulen in der Region aus, nach der Corona-Zwangspause ist an Normalität im Unterricht noch kaum zu denken, egal ob in Gaggenau, Pforzheim oder Karlsruhe.
Sobald der Unterricht beginnt, sind acht Wochen Corona-Pause vergessen
Mit geöffneten Fenstern und nur einem Schüler pro Tisch hat etwa am Karlsruher Goethe-Gymnasium der Unterricht für die Klassenstufen 11 und 12 begonnen. In Karlsruhe dürfen knapp 8.000 Schüler aus den älteren Jahrgängen wieder in ihre Schulen gehen.
Davon besuchen 2.000 Schüler in die neunten und zehnten Klassen von Haupt-, Werkreal-, Real-, und Gemeinschaftsschulen, 2.000 in die elften und zwölften Klassen der Gymnasien, 3.300 in die Berufsschulen. Die restlichen Schüler gehen in sonderpädagogische Bildungs- und Beratungszentrum, private Gymnasien und Wall.
„Es ist schon etwas ungewohnt. Aber wenn der Lehrer einmal mit unterrichten anfängt, ist es doch erstaunlich normal“, sagt Oskar Doll nach seiner ersten Biologiestunde am Montagmorgen am Goethe-Gymnasium Karlsruhe.
Außerhalb der Klassenzimmer wurden die Vorgaben des Kultusministeriums zur Hygiene umgesetzt. Im Flur und in den Klassenräumen stehen mobile Ständer mit Desinfektionsmittel, außerdem weißen zahlreiche Plakate auf die Strategien zur Vermeidung einer Corona-Infektion hin.
„Wir wollen die Schüler fürs Händewaschen und Abstand halten sensibilisieren und gehen selbst mit gutem Beispiel voran“, sagt Goethe-Direktor Albrecht Aichelin. In den breiten Fluren sollen die 200 Schüler aus den Abitursklassen nur rechts laufen und ebenso den Mindestabstand einhalten wie in den Pausen. „Wenn wir merken, dass sich Grüppchen bilden, werden wir die Schüler darauf hinweisen“, sagt Aichelin.
Sollten Schüler positiv auf Covid-19 getestet werden, muss das Gesundheitsamt eingreifen
Dass die Einhaltung des Mindestabstands zu einem Problem werden könnte, wurde am Goethe-Gymnasium bereits morgens bei der Ankunft von mehreren Oberstufenschülern deutlich. Die Wiedersehensfreude war spürbar groß und vereinzelte Umarmungen waren ebenso ein Begrüßungsritual wie das relativ dichte Zusammenstehen. „Man merkt schon, dass die Leute die Vorgaben sehr unterschiedlich handhaben“, sagt Elftklässlerin Anna Morrison.
Man merkt schon, dass die Leute die Vorgaben sehr unterschiedlich handhabenElftklässlerin Anna Morrison
„Nun müssen wir abwarten, was passiert“, sagt Aichelin. Wird ein Schüler positiv auf Covid-19 getestet, muss das Gesundheitsamt die notwendigen Schritte zum Unterbrechen der Infektionskette einleiten.
In Gaggenau hat jeder Lehrer einen eigenen Schwamm dabei als Schutz vor dem Coronavirus
Von einem „sehr disziplinierten Start“ spricht Bernhard Krabbe, Schulleiter des Goethe-Gymnasiums Gaggenau. Die Schüler der Abschlussklassen seien schon vorab umfassend über die neuen Regeln informiert worden und hätten sich vorbildlich daran gehalten.
Damit die Abstände eingehalten werden, sind die Klassen in Gruppen von maximal zwölf Schülern aufgeteilt, in den Gängen gilt wie in den meisten Schulen ein Einbahnstraßen-System, alle Türen sind offen. Außerdem müssen die Schüler ihren Platz vor und nach dem Unterricht desinfizieren. „Von Normalität sind wir mit Blick auf die Maßnahmen noch weit entfernt“, betont Krabbe.
Die Realschule Gaggenau erklärt ihren Schüler mit solchen Videos die neuen Abläufe:
„Die Kollegen müssen sich gewaltig umstellen. Schon allein, weil wir die Doppelstunden von 90 auf 60 Minuten reduziert haben“, so Krabbe. Dem Schüler schnell mal an dessen Platz die Mathematik-Formel erklären? Nicht möglich. Nur Frontalunterricht mit ausreichend Abstand ist erlaubt.
Zudem hat jeder seinen eigenen Schwamm und die eigene Kreide dabei. Dennoch: „Heute Morgen habe ich viele lächelnde Gesichter gesehen“, berichtet der Schulleiter.
Lehrer und Schüler freuen sich über ein Wiedersehen - in der Schule geht es eben auch um soziale Aspekte
Eine kleine Schülergruppe steht mit Abstand zueinander vor dem Pforzheimer Reuchlin-Gymnasium. Die Elftklässler gehören zu den rund 160 Oberstufenschülern, für die an dem kühlen Montagmorgen nach fünfwöchiger Abstinenz das beginnt, was bis vor der Corona-Pandemie Schulalltag war.
Sie setzen sich Mund- und Nasenschutz auf und schlendern Richtung Haupteingang, wo sie von ihrem Lateinlehrer Jörg Dalmatiner und Schulleiter Kai Adam bereits erwartet werden. Die Begrüßung fällt herzlich aus: „Schön, dass ihr seid“, sagt der Rektor.
Ich bin froh, dass es endlich mal wieder weitergeht und ich wieder effektiv lernen kann.Schüler Daniel Rieschl
Dann gibt er ihnen die Verhaltensregeln mit auf den Weg, über die allermeisten ohnehin schon im Vorfeld informiert waren. Weil das Gymnasium über drei Eingänge verfügt, bilden sich erst gar keine Schlangen.
Lateinlehrer Dalmtiner ist froh, dass der Unterricht zu etwas Normalität zurückkehrt. Zwar habe alles gut geklappt mit der digitalen Wissensvermittlung in den vergangenen Wochen. „Aber jetzt merkt man erst, dass es in der Schule auch um soziale Aspekte geht“, sagt er. Die letzten Schüler seiner Klasse schickt er ins Atrium. Gleich wird er sie abholen, um den ersten Live-Unterricht seit dem Ausbruch der Pandemie zu beginnen.
Rheinstettens Hausmeisterkoordinator Wolfgang Follner ist auch nach Beginn der ersten Unterrichtseinheiten im Schulzentrum Rheinstetten noch mit seinem Team in den Fluren unterwegs, um letzte Schilder anzubringen. „Ich bin ganz entspannt“, sagt er. „Hier im Schulzentrum ist genug Platz.“
Und die Schüler? „Ich kam mir heute früh fast vor wie bin meiner Einschulung“, resümierte die 16-jährige Lili aus der elften Klasse nach der ersten Stunde. „Wir waren jetzt so lange nicht mehr hier. Wahnsinn.“ Sie trägt eine Stoffmaske. „Das ist zwar gewöhnungsbedürftig, aber es ist schon okay.“
Schüler in Bretten freuen sich auf ihre Mitschüler
Zwei Wochen Zeit hatte Schulleiter Daniel Krüger am Edith-Stein-Gymnasiums in Bretten, um den Unterrichtsstart für die Jahrgangsstufen 1 und 2 vorzubereiten. „Die J2 hat nur prüfungsrelevante Fächer, das sind nur 90 Minuten am Tag, bei J1 füllen wir den Vormittag“, erklärt Krüger. Die Schüler kommen gerne an die Schule zurück.
„Ich bin froh, dass es endlich mal wieder weitergeht und ich wieder effektiv lernen kann“, sagt Daniel Rieschl aus Kürnbach. Beim Lernen zuhause merke man schon deutlich die Defizite gegenüber dem gemeinsamen Unterricht, meint der 17-Jährige.
Yannik Zoz aus Gondelsheim ist froh, dass er wieder soziale Kontakte hat. „Ich mache mir allerdings Sorgen, ob sich alle Mitschüler an die Sicherheitsregeln halten, denn wir haben einen Risikopatienten zuhause, erklärt er.
Dass hier alle mit Mundschutz stehen, findet Samira Fränkle merkwürdig. Das sei schon komisch, wenn man die Gesichter nicht sieht. Doch sie ist froh, dass sie endlich wieder Gespräche führen kann statt E-Mails hin und her zu schicken.
Lina Juretzko aus Walzbachtal freut sich, dass es wenigstens noch etwas Präsenzunterricht vor dem Abitur gibt. Ihre Mitschülerinnen und Mitschüler hat sie seit sieben Wochen nicht gesehen. Ich habe mich voll auf die Abifächer fokussiert, sagt die 17-Jährige. Mit der Disziplin habe es zuhause auch gut geklappt. Etwa viereinhalb Stunden habe sie sich täglich zum Pauken hingesetzt.
Susanne Kunzmann, die stellvertretende Schulleiterin des Brettener Edith-Stein-Gymnasiums, holt ihre Schüler persönlich am Haupteingang ab. Jeder wird namentlich begrüßt. „Hallo, schicke Maske und was ist Dir denn passiert“, lauten die Begrüßungssprüche, als eine Schülerin mit Krücken ins Schulhaus humpelt. Die Stimmung ist allseits gut, Homeschooling will hier vorerst keiner mehr.