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Erstmals auch außerorts

Stadt und Landkreis Karlsruhe testen umstrittene neue Schutzstreifen für Radler

Können Schutzstreifen für Radler, also Markierungen mit gestrichelten Linien, auch außerorts ein sicheres Angebot darstellen? Das testet ein Modellversuch in rund 30 baden-württembergischen Kommunen. Der Karlsruher ADFC kritisiert Maßnahmen in der Region.

Diese Schutzstreifen für Fahrradfahrer in Wolfartsweier bestehen dank einer Ausnahmegenehmigung seit 2016.
Diese Schutzstreifen für Fahrradfahrer in Wolfartsweier bestehen dank einer Ausnahmegenehmigung seit 2016. Foto: Weller

Als „bisher größtes derartiges Modellprojekt in Deutschand“ bezeichnet die Arbeitsgemeinschaft fahrradfreundlicher Kommunen in Baden-Württemberg (AGFK) einen Versuch , an dem sich auch die Stadt Karlsruhe und der Landkreis beteiligen.

Zusammen mit zahlreichen anderen Kommunen wollen sie untersuchen, ob Schutzstreifen für Radfahrer auch außerorts eingerichtet werden können, wo dies bislang nicht möglich ist. Das gleiche gilt für solche Streifen innerorts an sehr engen Straßen.

Ein Beispiel in Karlsruhe ist die Steinkreuzstraße in Wolfartsweier. Bereits seit September 2016 sind zwischen der Katzenbergstraße und der Ringstraße auf beiden Seiten gestrichelte Linien markiert. Die so entstehenden Schutzstreifen für Radler sind jeweils 1,40 Meter breit, die Kernfahrbahn dazwischen nur noch 4,20 Meter.

Da kann es schnell eng werden, wenn sich zwei Autos entgegenkommen. Solange auf den Schutzstreifen keine Radler unterwegs sind, dürfen Autofahrer aber dorthin ausweichen.

Normalerweise muss eine minimale Restbreite für Autos bleiben

Für die Einrichtung der Streifen war 2016 eine Ausnahmegenehmigung von der Obersten Straßenverkehrsbehörde nötig. Normalerweise muss für die Kernfahrbahn nämlich eine Breite von mindestens 4,50 Meter bleiben (in Einbahnstraßen 2,25 Meter).

Diese Voraussetzung ist in Wolfartsweier nicht erfüllt. Damit passt die Steinkreuzstraße perfekt zu dem Pilotprojekt von AGFK und Verkehrsministerium, in das sie nachträglich mit aufgenommen wurde.

„Schutzstreifen können – wo es nicht möglich ist, einen eigenen Radweg anzulegen – eine vergleichsweise einfach und günstig umsetzbare Möglichkeit sein, den Radverkehr sicherer zu machen“, schreibt die AGFK auf ihrer Webseite.

Sicherheit von Schutzstreifen auf schmalen Straßen und außerorts soll untersucht werden

Bislang sei aber noch nicht ausreichend untersucht worden, unter welchen Rahmenbedingungen Schutzstreifen auch außerorts sowie auf schmalen Straßen innerorts sicher sind. Deshalb werden solche Streifen in rund 30 baden-württembergischen Städten und Kreisen nun testweise eingerichtet.

Die AGFK hatte bereits 2013 ein Gutachten zu innerörtlichen Schutzstreifen vorgelegt. Das Ergebnis: Auf den untersuchten Straßen fuhren die Autos nach Markierung von Schutzstreifen langsamer und überholten mit mehr Abstand. Das Land Baden-Württemberg hatte sich zudem an einem bundesweiten Modellversuch zu Schutzstreifen außerorts beteiligt. Daran soll nun angeknüpft werden.

Erste Streifen außerorts im Kreis Karlsruhe befinden sich zwischen Zeutern und Östringen

Denn außerhalb von Ortschaften sind Schutzstreifen bislang überhaupt nicht zulässig. Ist das Projekt erfolgreich, könnte sich das ändern. Im Landkreis Karlsruhe gibt es im Rahmen des Modellversuchs seit Anfang Mai beidseitig Schutzstreifen an der K3586 zwischen Zeutern (Ubstadt-Weiher) und Östringen.

Im Beisein von Landrat und Bürgermeistern wurde zwischen Zeutern und Östringen Anfang Mai die erste "Teststrecke Schutzstreifen außerorts" im Landkreis Karlsruhe eingerichtet.
Im Beisein von Landrat und Bürgermeistern wurde zwischen Zeutern und Östringen Anfang Mai die erste "Teststrecke Schutzstreifen außerorts" im Landkreis Karlsruhe eingerichtet. Foto: pr

Über nahezu vier Kilometer Länge ist dort jetzt eine „Teststrecke“ markiert. Während der Projektphase von drei Jahren soll das Fahrverhalten der übrigen Verkehrsteilnehmer in einer Vorher-Nachher-Analyse auf Geschwindigkeitsverhalten, Unfallgeschehen und den gebotenen Abstand zu den Radfahrern hin untersucht werden.

Schutzstreifen für Radler sind einfache Lösung ohne Bauen

Ein Ingenieurbüro wird dafür Video- und Radaruntersuchungen durchführen. „Abhängig von den Ergebnissen des Modellprojekts sind in absehbarer Zeit Radschutzstreifen vielleicht die Regel und nicht mehr die Ausnahme. Wir erhoffen uns dazu wichtige Erkenntnisse“, so die Erwartungshaltung von Landrat Christoph Schnaudigel.

Die Bürgermeister von Östringen, Felix Geider, und von Ubstadt-Weiher, Tony Löffler, freuen sich, dass diese Lücke im Radwegnetz nun geschlossen wurde. Schon lange sei eine Radverbindung zwischen Zeutern und Östringen gewünscht worden. Nun ist zwar kein eigener Radweg entstanden, mit den gestrichelten Linien aber immerhin eine „eine dauerhafte und unkomplizierte Lösung ohne bauliche Anlage“, wie es Löffler ausdrückt.

ADFC kritisiert Schutzstreifen außerhalb von Orten

Weniger erfreut ist Ulrich Eilmann vom Karlsruher ADFC. „Außerorts finde ich Schutzstreifen komplett daneben“, sagt er. Auf Abschnitten ohne Geschwindigkeitsbegrenzung, wo regulär 100 km/h erlaubt seien, könnten Autofahrer mit bis zu 128 km/h an Fahrradfahrern vorbeirasen, ohne Angst um ihren Führerschein haben zu müssen. „Das ist selbst für geübte Radfahrer wie mich kein Spaß“, so Eilmann.

Schutzstreifen sind gut gedacht, aber die Psychologie spielt uns da einen Streich.
Ulrich Eilmann, ADFC Karlsruhe

Ein großes Problem sei die gestrichelte weiße Linie, an der sich Autofahrer fälschlicherweise orientieren würden. „Schutzstreifen sind gut gedacht, aber die Psychologie spielt uns da einen Streich“, erklärt Eilmann.

Denn viele Autofahrer würden genau an der weißen Linie entlangfahren und damit zwangsläufig den Mindestabstand zu Radlern unterschreiten. Dabei müssen sie innerorts mindestens 1,50 Meter Abstand halten, außerorts sogar zwei Meter.

Die bei Östringen eingerichteten außerörtlichen Schutzstreifen kritisiert Eilmann als billiges Feigenblatt, mit dem die Gemeinden behaupten könnten, etwas für den Radverkehr getan zu haben. Schließlich könne man gerade außerorts oft Feldwege neben Straßen nutzen oder Fahrbahnen verbreitern, um ordentliche Radwege einzurichten. „Das kostet Geld, aber wenn es um den Autoverkehr geht, ist ja auch Geld vorhanden.“

In der Karlsruher Steinkreuzstraße hätte allerdings alles Geld der Welt nicht für separate Radwege gereicht: Dort ist schlichtweg kein Platz im engen Straßenquerschnitt. Zu den stattdessen eingerichteten Schutzstreifen zieht die Stadt nun ein erstes positives Fazit.

In Karlsruhe gibt es bereits positive Erfahrungen mit Schutzstreifen auf schmalen Straßen

Weil hier dank Ausnahmegenehmigung schon vor dem Start des landesweiten Modellprojektes Schutzstreifen existierten, konnte zwar keine Vorab-Untersuchung wie an den anderen Teststrecken stattfinden. Die Nachher-Untersuchungen sollen im Frühjahr oder Sommer stattfinden.

„Vorteil ist, dass wir bereits Erkenntnisse zur Unfalllage vor und nach der Markierung haben“, erklärt Stadtsprecherin Helga Riedel. „Radunfälle sind dort im Drei-Jahres-Zeitraum vor bzw. nach der Markierung der Schutzstreifen nicht bekannt. Durch die Markierung scheint sich die Vorfahrtsregelung für den Kfz-Verkehr verdeutlicht zu haben, die von der Polizei registrierten Vorfahrtsverletzungen haben abgenommen.“

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