Skip to main content

Nachsorge nach der Geburt

Städtisches Klinikum Karlsruhe schränkt die Arbeit der Hebammen ein

Corona-Krise in Karlsruhe: Der 2. Juli ist der errechnete Geburtstermin von Catharina Heiobs zweitem Kind. Seit einigen Tagen blickt sie mit Sorge auf das Datum. Denn um danach von ihrer Wunsch-Hebamme betreut zu werden, wäre das 48 Stunden zu spät. Ab Juli schränkt das Städtische Klinikum, an dem die Hebamme angestellt ist, die freien Nebentätigkeiten in der Nachsorge ein.

Die Hebammen Magdalena Kögler (links) und Anja Lehnertz kritisieren den Umgang mit ihrem Berufsstand, besonders in Zeiten der Corona-Krise. Sie prangern fehlende Unterstützung bei der Beschaffung von Schutzmaterial an.
Die Hebammen Magdalena Kögler (links) und Anja Lehnertz kritisieren den Umgang mit ihrem Berufsstand, besonders in Zeiten der Corona-Krise. Sie prangern fehlende Unterstützung bei der Beschaffung von Schutzmaterial an. Foto: jodo

Corona-Krise in Karlsruhe: Der 2. Juli ist der errechnete Geburtstermin von Catharina Heiobs zweitem Kind. Seit einigen Tagen blickt sie mit Sorge auf das Datum. Denn um danach von ihrer Wunsch-Hebamme betreut zu werden, wäre das 48 Stunden zu spät.

Grund ist eine Neuregelung zur Nebenbeschäftigung im Städtischen Klinikum, wo Heiobs Hebamme angestellt ist. Bis zum 30. Juni ist die Betreuung von Wöchnerinnen noch erlaubt, danach nicht mehr. Man wolle Kontakte außerhalb der Klinik coronabedingt reduzieren, so die Begründung.

Bei vielen werdenden Eltern hat die Nachricht zu hektischen Telefonaten geführt. „Ich allein hatte drei Anrufe von Müttern, die gefragt haben, ob ich ihre Nachsorge übernehmen kann“, erzählt Magdalena Kögler. Alle musste die freie Hebamme enttäuschen, ihr Terminkalender ist bis zum Ende des Jahres voll.

Mutter muss entscheiden: Wunsch-Klinik oder Wunsch-Hebamme

Für Missmut sorgt aber nicht nur das ausgesprochene Betreuungsverbot, sondern auch dessen einzige Ausnahme. Hat eine Mutter ihr Kind im Städtischen Klinikum zur Welt gebracht, dürfen die angestellten Hebammen auch nach dem 30. Juni noch zur Nachsorge ausrücken.

„Ich fühle mich in der Situation erpresst“, sagt Catharina Heiob. Voraussichtlich muss sie sich nun entscheiden – ob sie auf die Hebamme verzichtet, die ihr nach einer Totgeburt zur Seite stand, oder auf das Diakonissenkrankenhaus, wo Tochter Ella auf die Welt kam und sie sich gut aufgehoben fühlt.

Freie Hebammen bemängeln fehlende Unterstützung

„Es kann nicht sein, dass man die werdenden Eltern damit allein lässt“, kritisiert Hebamme Anja Lehnertz, die sich in der Elterninitiative „Mother Hood“ engagiert. Freie Kolleginnen, die einer Mutter zugesagt haben, seien verpflichtet, eine Vertretung zu suchen, wenn sie beispielsweise in Urlaub gehen. Nun müssten sie auffangen, was im Städtischen Klinikum wegfalle.

Dabei sei die Situation vieler Hebammen ohnehin schwierig. Sie klagen über fehlende Unterstützung bei der Beschaffung von Schutzmaterial und weggebrochene Einnahmen durch ausfallende Kurse für Geburtsvorbereitung und Rückbildung.

Kein Anspruch auf kostenloses Schutzmaterial für Hebammen

„Am Donnerstag ist meine Lieferung mit Masken und Handschuhen angekommen“, berichtet Magdalena Kögler. Bestellt hatte sie am 17. März. Lehnertz wartet bis heute auf ihr Paket. Neben den Wartezeiten treiben den beiden auch die Preise Schweißperlen auf die Stirn.

Für fünf Liter Desinfektionsmittel hat Kögler fast 100 Euro bezahlt. Vor einigen Wochen kostete die selbe Menge nicht einmal 40. Einfache Einmal-Masken gibt es derzeit für einen Euro das Stück statt für 35 Cent. „Dabei ist unser Verbrauch natürlich deutlich gestiegen“, sagt Kögler.

Unterstützung von den Behörden gibt es nicht. „Wir haben keinen Anspruch auf kostenloses Material, weil wir nicht als systemrelevant eingestuft sind“, so Lehnertz. Die Ansprüche an den Infektionsschutz sind deshalb aber nicht kleiner. Vom Verband gab es Handlungsvorgaben auf mehreren Din-A4-Seiten.

Mund-Nasen-Schutz und Handschuhe stehen natürlich auf der Liste. Aber auch die Empfehlung, sich nach jedem Hausbesuch komplett umzuziehen und alle Kleider am Abend zu waschen. „Das ist nicht praktikabel“, sagt Lehnertz. „Wir bewegen uns oft in einer Grauzone. Vieles ist nur durch Improvisation erfüllbar.“

Ausfallende Vorbereitungskurse sorgen für Existenzängste in der Corona-Krise

Hebammen, die sich auf die Nachsorge konzentrieren, sind derzeit teils stärker gefragt als gewöhnlich – denn die meisten Eltern verlassen das Krankenhaus deutlich früher. Existenzängste plagen aber all jene, die vor allem über Vorbereitungs- und Rückbildungskurse ihr Geld verdienen.

Magdalena Kögler hat sich dafür eine Praxis in Stupferich eingerichtet. Normal kommen hier bis zu 20 werdende Eltern zusammen. Jetzt gibt es die Kurse nur online. Binnen weniger Tage hat sich die Hebamme einen Internetanschluss organisiert, Kamera und Software angeschafft. So will sie das Geld für bereits gebuchte Kurse retten. Beim Blick in die Zukunft sieht es hingegen düster aus. „Neubuchungen sind um mehr als die Hälfte eingebrochen.“

nach oben Zurück zum Seitenanfang