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Soziokulturelles Projekt

Warum in der Karlsruher Kulturküche krumme Preise für Gesprächsstoff sorgen

Eine "harmonische Linsensuppe" für 3,24 Euro, Spaghetti mit Sonnenblumen-Pesto für 4,77 Euro oder Ofenschlupfer mit Vanillesoße für 4,33 Euro: Seit Dezember läuft im Sailerhäuschen der Probebetrieb der Kulturküche Karlsruhe. Das soziokulturelle Quartiersprojekt will die Menschen aus dem Stadtteil beim Mittagessen zusammenbringen.

In der Kulturküche gibt es täglich mehrere warme Mittagessen
In der Kulturküche gibt es täglich mehrere warme Mittagessen Foto: jodo

Im historischen Seilerhäuschen an der Karlsruher Kaiserstraße herrscht wieder Hochbetrieb. Seit Dezember läuft dort der Probebetrieb der Kulturküche Karlsruhe. Das soziokulturelle Quartiersprojekt des Bildungsnetzwerk Lobin will die Menschen aus dem Stadtteil beim Mittagessen zusammenbringen.

Eine "harmonische Linsensuppe" für 3,24 Euro, Spaghetti mit Sonnenblumen-Pesto für 4,77 Euro oder Ofenschlupfer mit Vanillesoße für 4,33 Euro: Die krummen Preise fallen Passanten beim Blick auf die Stelltafel vor dem alten Seilerhäuschen sofort ins Auge.

Wird hier besonders scharf kalkuliert? Oder ist das ein Trick, um den Gästen möglichst viel Trinkgeld aus der Tasche zu ziehen? Nichts von alldem, sagt Sarah Tzitzikos mit einem Schmunzeln. Der Großteil des Personals arbeite schließlich ehrenamtlich, und eine Cent-genaue Preisberechnung sei in der Gastronomie schlichtweg nicht möglich.

Wir wollen unsere Gäste zum Nachdenken anregen
Initiatorin Sarah Tzitzikos

„Aber wir wollen unsere Gäste zum Nachdenken anregen. Bei diesen Preisen gibt es auf jeden Fall gleich Gesprächsstoff“, sagt die Initiatorin der Kulturküche in der Kaiserstraße 41, gegenüber vom Haupteingang des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT).

Seit Anfang Dezember läuft in einem der ältesten Gebäude der Fächerstadt der Probebetrieb für ein soziokulturelles Quartiersprojekt. Über mangelnde Resonanz können sich Tzitzikos und Öffentlichkeitsreferentin Doris Traudt bislang nicht beklagen.

Bis zu 150 Mittagessen täglich gibt die Kulturküche aus

Um die Mittagszeit herrscht in dem historischen Häuschen regelmäßig Hochbetrieb, und die meisten Tische sind quasi rund um die Uhr von wechselnden Besuchern besetzt.

Bis zu 150 Mittagessen gehen täglich über die Serviertheke. Dabei stehen immer drei andere Gerichte auf der Tafel. Die überschaubare Auswahl hat ihren Grund. „Dadurch können wir die Preise günstig halten und einigermaßen kostendeckend arbeiten“, sagt Tzitzikos. Jeweils 30 Prozent der Preise werden für Zutaten, Lokalmiete und die Gehälter der Köche veranschlagt.

Mit den restlichen zehn Prozent soll der laufende Betrieb subventioniert werden. Mit durstigen Gästen wird kein Geld verdient. Osmotisiertes Leitungswasser gibt es wie in manchen Mittelmeerländern kostenlos und den Kaffee zum Selbstkostenpreis.

Angebot am Abend soll ausgeweitet werden

Doch die Kulturküche ist weit mehr als ein günstiger Mittagstisch für Anwohner und Arbeiter aus der Oststadt. „Diese Einrichtung ist ein Ort der Begegnung. Hier sollen sich Leute aus sämtlichen Gesellschaftsschichten treffen und miteinander ins Gespräch kommen“, sagt Tzitzikos. Durch die regelmäßigen Begegnungen soll auch der soziale Zusammenhalt im Quartier gestärkt werden.

Deshalb wollen die Macherinnen das Angebot bis zur offiziellen Eröffnung am 7. März auf den Nachmittag und die Abendstunden ausweiten. Abends gibt es bislang lediglich einen Teller warme Suppe. Verglichen mit dem Mittagstisch herrscht dann beinahe gähnende Leere.

Erste Aktionen wie ein Strickkurs oder ein Kaffeekränzchen mit selbst gebackenem Kuchen verliefen laut Tzitzikos und Traudt jedoch bereits vielversprechend.

Seilerhäuschen bietet optimale Voraussetzungen

Das Konzept für die Kulturküche hat Tzitzikos bei ihrer täglichen Arbeit für das Bildungsnetzwerk Lobin schon vor mehreren Jahren entworfen. Als die Seilerei nach mehreren Pächterwechseln im Sommer 2019 frei wurde, war dann auch der ideale Ort gefunden, um die Idee in die Tat umzusetzen.

„Diese Gegend ist ein echter Schmelztiegel der Kulturen“, schwärmt Tzitzikos. Die Stadtteile Innenstadt-Ost und Oststadt seien schließlich für ihre soziale Durchmischung bekannt.

Akademiker, Studierende und Arbeiter geben sich im weitläufigen Wohngebiet zwischen Kapellenstraße, Durlacher Allee und Haid-und-Neu-Straße die Klinke in die Hand. Dazu haben Innenstadt-Ost und Oststadt einen überdurchschnittlich hohen Anteil an ausländischen Bewohnern.

Unterstützung von "Tischlein Deck Dich"

Bei der Entwicklung eines Gastronomiekonzepts erhielt Lobin Unterstützung von Hossein Fayazpour. Der Gründer des Vereins „Tischlein Deck Dich“ und des Unternehmens „Vitale Lunchbox“ beliefert Schulen und Kindertagesstätten mit gesunden Essen und setzt sich auch ehrenamtlich für eine nachhaltige Ernährung bei Heranwachsenden ein.

Auch wegen Fayazpours Impulsen wird in der Kulturküche ausschließlich mit frischen Produkten gekocht, nach Möglichkeit mit saisonalem Gemüse aus regionalem Anbau. „Das schmeckt besser und ist günstiger zu haben“, sagt Tzitzikos.

Finanziert durch Spenden und Sponsoren

Finanziert wird die Kulturküche hauptsächlich durch Spenden, Sponsorengelder und Fördermittel. „Finanziell sind wir komplett auf Kante genäht“, sagt Tzitzikos.

Eine Erhöhung der Preise steht allerdings nicht zur Debatte. Im Gegenteil, auf postkartengroßen Abstimmungszetteln wird bereits die Frage in den Gastraum geworfen, ob die Essenspreise in der Kulturküche zugunsten eines freiwilligen Spendenmodells nicht ganz abgeschafft werden sollen.

Mögliche Antworten wie „Finde ich super“, „Nö, für Preise seid ihr zuständig“, „Das klappt doch nie“ oder „Ich brauche einen Preisvorschlag von Euch“ spiegeln dabei die ersten Reaktionen der Kundschaft wider. „Es ist interessant, wie kontrovers dieses Thema selbst in eigentlich homogenen Gruppen diskutiert wird“, sagt Tzitzikos. Der Gesprächsstoff geht den Besuchern in der Kulturküche also auch künftig nicht aus.

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