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Typisierung geplant

Wie der sechsjährige Fabio aus Karlsruhe gegen den Blutkrebs kämpft

Mitte November setzen die Medikamente Fabio Palermo sichtbar zu. Der Sechsjährige fühlt sich schlapp. Er kommt kaum die Treppe hoch. Auf dem Sofa schläft er am frühen Nachmittag einfach ein. Seit einem halben Jahr kämpft der kleine Junge aus Mühlburg gegen Blutkrebs.

Stark wie ein Löwe – so hat ein Freund der Familie den kleinen Fabio Palermo gezeichnet. Seit Mai kämpft der Sechsjährige, unterstützt von seiner Familie um Mutter Domenica, gegen Blutkrebs.
Stark wie ein Löwe – so hat ein Freund der Familie den kleinen Fabio Palermo gezeichnet. Seit Mai kämpft der Sechsjährige, unterstützt von seiner Familie um Mutter Domenica, gegen Blutkrebs. Foto: jodo

Es sieht so aus, als würde er den Kampf gewinnen, auch ohne eine Stammzellspende: Seit über einem Monat haben die Ärzte keine Krebszellen mehr in seinem Blut gefunden. Trotzdem startet seine Familie im Dezember eine Typisierungsaktion – weil der Krebs zurückkehren könnte und um anderen zu helfen, die dringend auf eine Spende angewiesen sind.

Erste Diagnose war ein gewöhnlicher Infekt

Die Leidensgeschichte von Fabio beginnt mit einem Fieberschub zur Osterzeit. Damals ist der Junge fünf. Er spielt oft draußen, ist im Sportverein und hat viele Freunde im Kindergarten. Im Sommer steht für ihn die Einschulung an. Als das Fieber nach drei Tagen nicht weg ist, geht seine Mutter mit ihm zu einem Vertretungsarzt – seine Kinderärztin ist im Urlaub. Der diagnostiziert zunächst einen Infekt.

Wieder vergehen ein paar Tage, ohne dass es Fabio besser geht. Seine Kinderärztin nimmt Blut ab. Noch am Abend teilt sie der Familie mit, dass die Blutwerte ungewöhnlich sind und schickt sie ins Krankenhaus. „Selbst da habe ich mir noch nicht viele Gedanken gemacht“, sagt Mutter Domenica heute.

Gemeinsam mit Fabio verbringt sie die Nacht in der Klinik. Die Ärzte punktieren das Knochenmark des Jungen. „Danach kamen sie zu viert zu uns ins Zimmer. Da wusste ich, dass etwas nicht stimmt“, erinnert sich Domenica. Die niederschmetternde Diagnose: Fabio leidet an Akuter Lymphatischer Leukämie (ALL), der häufigsten Form von Blutkrebs bei Kindern.

Der Krebs bestimmt das Leben der Familie

„Diese Diagnose hat meinen Blick auf das Leben verändert“, sagt Mutter Domenica. Von jetzt auf gleich war alles anders. Nahezu rund um die Uhr ist sie bei ihrem Sohn. Ab und an löst Vater Enrico sie ab. Der Krebs bestimmt das Leben der Familie.

Informationen zu Fabios Krankheit füllen einen ganzen Aktenordner. Domenica liest viel im Internet, lernt andere Betroffene kennen. „Wir haben viel Zuspruch und Unterstützung von Familie und Freunden erhalten. Da entstand auch die Idee, etwas zurückgeben zu wollen“, sagt sie.

Die ersten Wochen der Therapie entscheiden über die Heilungschance

Fabios Therapie beginnt noch am Tag der Diagnose. Wie die Chancen für ihn stehen, wird sich in den ersten Wochen entscheiden. Wirkt der Medikamenten-Cocktail und geht die Zahl der kranken Zellen im Blut zurück, sieht es gut aus. Ist das nicht der Fall, hilft vielleicht nur noch eine Stammzellspende.

Während Fabios Freunde den Frühsommer draußen genießen, verbringt er fünf Wochen in der Klinik. Nur vier Familienmitglieder dürfen ihn besuchen, die Oma bleibt außen vor. Bis auf Ärzte und Krankenschwestern ist er isoliert, keine Keime sollen sein angegriffenes Immunsystem erreichen. Ab und an sorgen der Klinikclown oder eine Musiktherapeutin für Abwechslung.

Die Eltern denken sich einen "Belohnungsplan" aus

Fabio hängt immer wieder am Tropf. Er bekommt Cortison und sieben weitere Medikamente. Für den bald Sechsjährigen sind die Tage lang und vor allem langweilig. Um ihn zu motivieren, denken sich seine Eltern einen „Belohnungsplan“ aus. Hat er eine Behandlung tapfer überstanden, bekommt er einen Euro. Am Ende des Krankenhausaufenthalts darf er sich etwas wünschen.

Für große Erleichterung sorgt, dass die Therapie tatsächlich schnell Wirkung zeigt. „Er hat sehr gut darauf angesprochen, und zum Glück haben die Medikamente wenige Nebenwirkungen gezeigt“, sagt Mutter Domenica. Erst gegen Ende fallen Fabio büschelweise Haare aus.

Spielplatz und Schwimmbad sind tabu

„Ich habe mich oft gefragt: Was haben Kinder in diesem Alter denn getan, dass sie so eine Prüfung machen müssen?“, erzählt Mutter Domenica. Bis Mai hat sie 80 Stunden im Monat gearbeitet. Seit der Diagnose ist sie krankgeschrieben. „Fabio und ich haben seitdem nochmal eine ganz andere Bindung entwickelt“, sagt sie. „Er kommt fast jede Nacht zu uns ins Bett und sucht unsere Nähe. Das genieße ich sehr.“

Auch nach der stationären Therapie bestimmt der Krebs Fabios Leben. Die Schule beginnt für ihn mit Heimunterricht. In den meisten Wochen geht er zwei Tage zur Behandlung ins Krankenhaus. Ab und an muss er über Nacht bleiben.

Nach draußen geht es für den Sechsjährigen nur selten, Spielplatz und Schwimmbad sind tabu. „Fangen wäre jetzt noch nix für mich“, sagt er selbst. Von den 120 Euro, die ihm sein „Belohnungsplan“ in fünf Wochen gebracht hat, wünscht er sich eine Nintendo Switch Konsole. Das fehlende Geld legen seine Eltern drauf.

Anfang 2020 könnte Fabio als geheilt gelten

Ab und an darf Fabio im Hinterhof spielen. Wenn seine Freunde kommen, muss er rein. Er soll sich auf keinen Fall irgendeine Krankheit einfangen. „Sein Immunsystem ist wegen der Therapie schwach, und er hat keinen Impfschutz“, erklärt seine Mutter.

Noch bis zum 9. Dezember läuft der aktuelle Behandlungsabschnitt. Anfang 2020 könnte Fabio als geheilt gelten. Dann soll es für die Familie erst mal nach Italien in Urlaub gehen. Der war für Pfingsten geplant und wegen Fabios Krebserkrankung ausgefallen.

Ärzte beziffern Rückfallrisiko auf "mittel"

Mit der Angst vor einem Rückfall wird die Familie allerdings auch nach Abschluss der Therapie leben müssen. Regelmäßig stehen künftig Kontrollen von Blut und Knochenmark an. Die Ärzte beziffern das Risiko für eine Rückkehr der Krankheit „mittel“. Was das heißt, hat Mutter Domenica lieber nicht gefragt.

Sollte der Blutkrebs tatsächlich zurückkehren, würde für Fabio die Wahrscheinlichkeit steigen, dass er auf eine Stammzellspende angewiesen ist. Deshalb – und für andere Betroffene – organisiert Domenica derzeit eine Typisierungsaktion mit der DKMS. Ihre Daten sind schon seit gut drei Jahren in der Stammzellspenderdatei, lange vor der Krankheit ihres Sohnes. „Jeder hat einen Menschen, den er liebt und der krank werden könnte. Darüber denkt man nie nach. Aber man sollte sich in diese Rolle versetzen“, sagt sie.

Typisierungsaktion am 14. Dezember

Fabio sei in den vergangenen Monaten sehr viel reifer geworden, erzählt Domenica. Worauf er sich am meisten freut, wenn die Therapie endlich vorbei ist, weiß der Sechsjährige an diesem November-Nachmittag noch gar nicht. Aber jetzt – das teilt er wie ein ganz normaler Junge seines Alters mit – wolle er erst mal Schinkennudeln.

Die Typisierungsaktion beginnt am 14. Dezember um 11 Uhr in der Mensa der Drais Grundschule ( Tristanstraße 1, 76185 Karlsruhe ). Bis 15 Uhr können Menschen zwischen 17 und 55 Jahren eine Speichelprobe abgeben und sich als potenzielle Spender registrieren lassen.

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