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Rettung Krebskranker

Wie eine Stammzellen-Spende das eigene Leben eines Karlsruhers bereichert

Homeoffice ist für Oliver Dietz kein Problem. „Aber ich bin eigentlich ein geselliger Mensch, der gerne rausgeht und das Vereinsleben sehr genießt“, sagt er. Der 23-Jährige ist Rettungsschwimmer bei der DLRG. Und er hat ein Leben gerettet: in einer Spezialklinik für Stammzellspenden.

Blutsverwandt: Oliver Dietz und Hannelore Schmidt haben genetisch gleiche Stammzellen. Im Dezember 2019 haben sie sich in Hannover getroffen.
Blutsverwandt: Oliver Dietz und Hannelore Schmidt haben genetisch gleiche Stammzellen. Im Dezember 2019 haben sie sich in Hannover getroffen. Foto: pr

Oliver Dietz sitzt, wie viele Menschen zur Zeit, im Homeoffice. Als Informatikstudent am KIT ist das für ihn kein Problem. „Aber ich bin eigentlich ein geselliger Mensch, der gerne rausgeht und das Vereinsleben sehr genießt“, sagt er. Der 23-Jährige ist Rettungsschwimmer bei der DLRG. Und er hat ein Leben gerettet: in einer Spezialklinik für Stammzellspenden.

Hannelore Schmidt lebt in Hannover und hat dank seiner Spende den Blutkrebs überlebt. Doch auch für Dietz war es ein einschneidendes Erlebnis, wie er am Telefon erzählt. „Als ich 19 war, war bei uns im Nachbarort jemand an Blutkrebs erkrankt“, sagt Dietz. Seine Schwester macht auf die Registrierungsaktion der Deutschen Knochenmarkspenderdatei (DKMS) aufmerksam gemacht, die dazu dient, einen genetisch passenden Spender zu finden.

Da war ich wie vom Donner gerührt.
Oliver Dietz, Stammzellenspender

Im September 2016 bekommt er die Nachricht, dass er eventuell in Frage komme. Mit dem Wangen-Abstrich am Wattestäbchen ist nur eine grobe Typisierung möglich, und man geht noch keinerlei Verpflichtung ein. „Ich war beim Arzt für einen Bluttest, dann kam im November die Antwort, dass es tatsächlich super passt“, erzählt Dietz. „Da war ich wie vom Donner gerührt.“

Nervosität vor der Stammzellspende

Denn jetzt muss er sich entscheiden, ob er, um einem fremden Menschen das Leben zu retten, selbst eine medizinische Prozedur über sich ergehen lassen will. Er sagt Ja. „Jeder sollte sich überlegen, wie es wäre, wenn aus der eigenen Familie jemand krank wird. Da wünscht man sich doch nichts mehr, als dass es irgendwo einen Spender gibt.“

Dietz wartet ab, nervös, was auf ihn zukommen wird. Zunächst: nichts. Es werde doch keine Spende benötigt, heißt es. „Die DKMS sagte mir, dass es verschiedene Gründe geben kann: den Tod des Patienten, einen anderen Spender oder eine andere Therapiemethode.“ Doch schließlich kam der Anruf. „Es war am Freitag nach dem 1.-Mai-Wochenende“, erinnert er sich. Und es ist dringend. Am folgenden Montag schon wird er durchgecheckt: „Urin, großes Blutbild, Reflexe, Ultraschall, psychologischer Test“, zählt er auf. Dann kann es losgehen.

Zum Filtern der Stammzellen bekommt der Spender eine Nadel in jeden Arm

„Man spritzt einen Stoff, der auch vom eigenen Körper ausgeschüttet wird, wenn man zum Beispiel eine Grippe hat“, erklärt Dietz. Er setzt sich die Spritzen selbst, vier Tage hintereinander, damit Stammzellen vom Knochenmark in seine Blutbahnen wandern. Für die Transplantation geht Dietz in eine Spezialklinik in Köln. „Ich bekam Nadeln in die Arme, eine links, eine rechts, und dann wurden in gut drei Stunden die Stammzellen aus meinem Blut herausgefiltert“, erzählt der junge Mann, der mit Nadeln eigentlich gar nicht so gut kann.

Aber kein Vergleich zu der Prozedur, die ganz in der Nähe Hannelore Schmidt durchmacht. „Durch Chemotherapie wurden alle ihre Stammzellen vernichtet, damit ihr meine übergeben werden konnten“, sagt Dietz. „Hätte ich mich spontan entschieden, doch nicht zu spenden, oder selbst einen Unfall gehabt, wäre sie sehr zeitnah gestorben.“ Erst im Nachhinein sei ihm diese Verantwortung so richtig klar geworden. Doch er würde es wieder tun. Und er hat es auch noch einmal für die heute 64-Jährige getan.

Ihren Namen erfährt er erst 2019 – so wollen es die Regeln zum Schutz beider Seiten. Nach vielen, zunächst anonymen Briefen bekommt Dietz Adresse und Telefonnummer von Hannelore Schmidt. „Ich dachte: ja, was machste jetzt? Direkt anrufen? Da fühlt sie sich ja vielleicht überfallen…“ Also schickt er eine Ansichtskarte von Karlsruhe, mit dem Vorschlag zu telefonieren. Den nimmt Schmidt in Hannover sofort freudig an. Bald beschließen beide, sich persönlich kennenzulernen.

Man muss kein Arzt sein, um jemandem das Leben zu retten.
Oliver Dietz, Stammzellspender

Und so treffen sich im Dezember in Hannover zwei eigentlich fremde Familien zum Wandern. Oliver Dietz und Hannelore Schmidt finden heraus, dass sie nicht nur die Stammzellen gemeinsam haben. „Ich vergöttere Kartoffelgerichte, und sie isst sie auch sehr gern. Außerdem sind wir beide gerne draußen“, sagt Dietz. Es sind weitere Treffen geplant, die müssen aber wegen des Coronavirus auf unbestimmte Zeit verschoben werden.

Sie halten Kontakt per Telefon, schreiben sich Kurznachrichten. „Wir sind ja jetzt quasi eine Familie“, sagt Dietz. Die Erfahrung habe sein Leben positiv beeinflusst. „Man lernt zu schätzen, was man alles tun kann: Man muss kein Arzt sein, um jemandem das Leben zu retten.“ Zudem fühle man sich mit der anderen Person verbunden – trotz unterschiedlicher Lebenswirklichkeiten, trotz Corona.

DKMS und Corona

Die Deutsche Knochenmarkspenderdatei (DKMS) ruft angesichts erschwerter Bedingungen durch die Coronakrise verstärkt dazu auf, sich online als möglicher Spender zu registrieren . Das Wattestäbchen-Set für zu Hause kann dann per Post zurückgeschickt werden. Weitere Infos unter dkms.de

In einer früheren Version dieses Textes war fälschlicherweise die Rede davon, dass Stammzellen aus dem Rückenmark entnommen werden. Richtig ist: Das Rückenmark ist Teil des zentralen Nervensystems. Stammzellen dagegen können nur aus dem Knochenmark entnommen werden.
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