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Online-Training im Wohnzimmer

Wie Karlsruher Tanzschulen die Corona-Krise überbrücken

Die Corona-Krise mit ihren Einschränkungen trifft auch die Tanzszene in Karlsruhe. Studios und Schulen haben geschlossen, Betreiber suchen nach Lösungen, um die laufenden Kosten zu decken. Währenddessen verlagert sich das Training ins Digitale.

Tanz MiT Distanz: In der Corona-Krise entwickeln Tanzstudios digitale Lösungen, um ihre Kunden zu halten. Die 13-jährige Romy übt zu Hause mit dem Handy.
Tanz mit Distanz: In der Corona-Krise entwickeln Tanzstudios digitale Lösungen, um ihre Kunden zu halten. Die 13-jährige Romy übt zu Hause mit dem Handy. Foto: Jörg Donecker

Die Corona-Krise und die Maßnahmen zur Eindämmung der Lungenkrankheit Covid-19 treffen auch die Tanzszene in Karlsruhe. Studios und Schulen haben geschlossen und Betreiber suchen nach Lösungen, um die laufenden Kosten zu decken. Das Training verlagert sich ins Digitale.

Die Freunde fehlen ihr, aber zumindest die Tanzschritte üben kann die 13-jährige Romy auch vor der spiegelnden Fassade eines Bekleidungsgeschäfts – oder mit dem Handy. Seit dem 16. März müssen auch die Tanzschulen in Karlsruhe aufgrund der Corona-Krise geschlossen bleiben. Was bleibt, sind digital vermittelte Tanzkurse zu Hause.

Tanzen im Homeoffice ist jetzt Alltag für viele Karlsruher Tanzlehrer. Doch die Raummieten für die Studios müssen weiterhin bezahlt werden, auch wenn Tanzschüler wegbleiben - das ist die Realität zahlreicher Tanzschulen in Karlsruhe und der Region. „Wir versuchen auf verschiedenen Wegen, unsere Mitglieder zu halten. Aber natürlich bekommen wir jetzt relativ viele Abmeldungen“, sagt Roberto Fasiello, Leiter der Tanzschule Gutmann in Karlsruhe mit zwei festangestellten und 13 freiberuflichen Lehrern.

Tanzlehrer unterrichten über Apps und soziale Netzwerke

Doch die Tanzschule, die ein Ableger der viel größeren Einrichtung in Freiburg ist, hat schnell reagiert und drei Tage nach der Schließung eine App mit erweitertem Tanz- und Fitnesskursprogramm für die Mitglieder freigeschaltet. Das sei deshalb möglich, weil man sich beim deutlich größeren Angebot der Freiburger Filiale bedienen könne. „Wir bekommen sehr gutes Feedback, zum Glück. Es ist ja etwas ganz Neues für uns, vor der Videokamera zu unterrichten, ohne direktes Feedback zu bekommen.“

Im Moment ist Fasiello noch optimistisch, dass seine Tanzschule finanziell über die Runden kommt. „Wir haben Kurzarbeit angemeldet“, macht Fasiello dennoch deutlich. Die staatlichen Soforthilfen seien keine Option, denn bevor diese in Anspruch genommen werden können, muss bestehendes liquides Privatvermögen eingesetzt werden. „Wenn die Liquidität mal weg ist, bringen uns staatliche Hilfen aber auch nichts mehr.“

Mehr als 15 Lehrer und mehrere renommierte Tanzkompanien sind bei der Tanzschule Xtra Dance angesiedelt. „Die ausgefallenen Kursstunden holen wir in den Ferien nach“, sagt Martina Böckmann. Falls diese Zeit nicht ausreiche, suche man nach anderen Lösungen. Und in der Zwischenzeit? „Unsere Bundesliga-Formationen im Hip-Hop bekommen Live-Online-Training über Instagram“, erklärt Böckmann. So seien auch Rückfragen an die Trainer möglich.

Tanzlehrer verdienen ihr Geld nur mit tatsächlich geleisteten Stunden
Martina Böckmann, Leiterin der Tanzschule Xtra Dance

Für die Hobbygruppen gibt es demnächst Tutorials auf Youtube, an denen die Trainer bereits von zu Hause aus arbeiten. Die meisten Tanzlehrer – nicht nur bei Xtra Dance – seien Honorarkräfte, freischaffende Künstler. „Sie verdienen nur Geld mit den tatsächlich geleisteten Stunden“, sagt Böckmann. Sie werde versuchen, ihre Lehrer weiter so zu bezahlen, als fänden die geplanten Stunden auch jetzt noch statt. „Wenn die Kunden ihre Mitgliedschaften weiterhin bezahlen und sich solidarisch zeigen, dann klappt das.“

Betreiber beantragen keine Corona-Soforthilfe

Eine Stundung der Miete sei für sie nicht möglich, sagt Böckmann. Auch sie werde wohl keine Corona-Soforthilfe beim Wirtschaftsministerium beantragen, wenn sie vorher mit privaten Mitteln die Liquiditätslücke schließen muss. „Da ich kurz vor der Rente stehe, habe ich große Bedenken, meine Ersparnisse aufzubrauchen.“ Böckmann will abwarten. „Es hängt auch davon ab, wie lang der Shutdown dauert.“ Die Jahresplanung samt einer Vorstellung im Tollhaus allerdings ist dahin.

Der März ist bezahlt. Wir hoffen, dass es im April so weitergeht.
Hélène Cerny, Ballettstudio La Remise

Schülerinnen und Schüler des Ballettstudios La Remise können in den kommenden Wochen vorerst zu Hause trainieren. „Wir haben schon einen Tag früher zugemacht, gleichzeitig mit den Schulen“, sagt Studioleiterin Hélène Cerny. Über einen privaten Link haben die Stammkunden Zugang zu Trainingsvideos auf dem Youtube-Kanal von La Remise. „Wir wissen natürlich nicht, wie es danach weitergeht“, sagt Cerny. Viele ihrer Kunden hätten zum Glück ein Abo. „Der März ist bezahlt. Wir hoffen, dass es im April so weitergeht.“ La Remise beschäftigt acht freiberufliche Lehrer, drei von ihnen verdienten ihren gesamten Lebensunterhalt mit Ballett.

Tangoschule will ihre Kosten mit Crowdfunding decken

Mit einer Crowdfunding-Aktion versucht Abraz Tango, die laufenden Kosten während der Corona-Krise zu decken. „Die Leute sind sehr solidarisch und spenden das Geld, das sie für die jetzt abgesagten Tanzveranstaltungen ausgegeben hätten“, sagt Corinna Brunner. Die Eintrittsgelder seien eine wichtige Einnahmequelle für Tangoschulen, „weil wir damit unsere Ausgaben für die Raummieten erwirtschaften“. Man biete außerdem für die Bestandskunden zweimal in der Woche Online-Kurse an.

Das reicht der 13-jährigen Romy nicht. Sie stellt sich ihre Choreografien jetzt selbst zusammen, mithilfe der Video-App TikTok. „Ich mach’ das im Urlaub auch immer so“, erklärt Romy. Sie übt auch jetzt in Corona-Zeiten zu Hause in der Weststadt, immer mal zwischendurch, ein paar Tanzschritte. „Jeden Tag nach der Schule“, erzählt sie. Die findet bis auf Weiteres ja ebenfalls im Wohnzimmer statt.

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