Die Kinder arbeiten an ihren Schulaufgaben, sie arbeitet im Homeoffice. So hatte sich das Kathrin Seifert, alleinerziehende Mutter von zwei Teenagern, in der Corona-Krise vorgestellt. „Ich habe aber nach einer Woche aufgehört hier Schule zu veranstalten, das hat überhaupt nicht geklappt“, erzählt sie. Die 44-Jährige ist Assistentin der Geschäftsleitung einer Bildungseinrichtung im Raum Karlsruhe und schreibt gleichzeitig an ihrer Masterarbeit.
Seit Beginn der Corona-Krise versucht sie wie viele andere Eltern, Arbeit und Schulaufgaben der Kinder unter einen Hut zu bringen – mit dem einzigen Unterschied, dass sie 24 Stunden allein verantwortlich ist. „Da komm ich mit einem Vollzeitjob an meine Grenzen“, sagt sie, „es gibt einfach niemand, der einem eine Aufgabe abnimmt“.
Auch interessant:Hinzu komme die emotionale Belastung, nicht nur bei ihr selbst, sondern auch bei den Kindern, die zunehmend gereizt und unausgeglichen seien. Ihnen fehlen die sozialen Kontakte, Freunde. Einziger Ansprechpartner ist die Mutter „Das ist ein großes Problem, denn es fällt auch hier alles auf mich“, erzählt Kathrin Seifert.
Es gibt Stunden, in denen ich einfach nicht mehr kann.Alleinerziehende Mutter aus einer Kreis-Gemeinde
Hilfreich fände sie es, wenn die Schulen wenigstens an ein paar Tagen in der Woche einen Online-Unterricht bereitstellen würden. „Damit die Schüler wenigstens die Lehrer mal sehen“, argumentiert sie. So könne online ein weiterer sozialer Kontakt aufgebaut werden. Ihr allein sei es gar nicht möglich, neben der Arbeit für beide Kinder wie ein Lehrer präsent zu sein – was bleibt ist das schlechte Gewissen. „Das macht mich sehr wütend, da fehlt mir das Engagement und die Unterstützung.“
Schlechtes Gewissen in der Corona-Krise ist extreme Belastung
Zwar hat auch die Landesregierung beschlossen, die Notbetreuung ab kommendem Montag auszuweiten. Doch verschafft die selbstverständlich nur bei einem Bruchteil der Alleinerziehenden Erleichterung. „Der Druck ist sehr hoch“, bestätigt Ingrid Maierhofer-Edele vom Kinderschutzbund.
Mehr zum Thema:Die Sozialpädagogin leitet den Fachbereich „Starke Eltern – Starke Kinder“ und bietet wie viele ihrer Kolleginnen seit der Corona-Krise Eltern am Stress-Telefon ein offenes Ohr. Aus den Gesprächen weiß sie, dass gerade der Spagat zwischen der Arbeit im Homeoffice und dem schlechten Gewissen gegenüber den Kindern eine extreme Belastung ist.
Sie empfiehlt: „Die Tagesstruktur fehlt, darf aber nicht vernachlässigt werden. Es hilft, wenn man einen Plan mit den Kindern macht.“ So wüssten die Kinder: Jetzt arbeitet Mama, dann hat sie wieder eine halbe Stunde Zeit für mich.
Diese Situation kann noch Wochen anhalten, und dann haben Sie die Hölle auf Erden.Ingrid Maierhofer-Edele, Sozialpädagogin Kinderschutzbund
„Du musst nicht perfekt sein“, sei ein wichtiges Feedback, das sie Eltern am Stress-Telefon gebe. Das müsste auch Vorgesetzten klar gemacht werden. „Bieten Sie an, was Sie anbieten können und machen Sie klar, die Kinder gehen vor“, rät die Sozialpädagogin, „diese Situation kann nämlich noch weitere Wochen so anhalten, und dann haben Sie die Hölle auf Erden, das ist es nicht wert.“
Viele Alleinerziehende, so Maierhofer-Edele, hätten auch finanzielle Sorgen, da sie bislang keine Möglichkeit hatten, um Rücklagen zu bilden. „Viele kommen nicht unbelastet aus der Situation wieder heraus“, vermutet sie.
Austausch mit Facebook-Gruppe
Dass sie mit wenig Geld auskommen muss, ist eine 37-Jährigen aus dem Kreis Karlsruhe gewohnt. Die Frau ist alleinerziehend, momentan ohne Job und lebt mit ihren Kindern (zwei und drei Jahre) auf 53 Quadratmeter. „Wie soll ich das ohne Kita packen?“, war ihr erster Gedanke.
Doch da sie selbst schon viele persönliche Krisen hinter sich hat – Trennung, Erschöpfungsdepression, Kinder früh in der Betreuung –, empfindet sie die Zeit jetzt ohne Termine und Verpflichtungen durchaus als Geschenk. „Es gibt aber auch Stunden, in denen ich nicht mehr kann“, lässt sie keinen Zweifel an der Ausnahmesituation, die für viele ja mit Ängsten und Verlust verbunden sei.
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Besonders belastend sei es dann, keinen Ansprechpartner oder einfach praktische Hilfe von außen zu haben. „Wir nehmen jeden Tag für sich und blenden die lange Zeitspanne aus“, erklärt sie.
Moralische Unterstützung findet sie auch im Austausch am Telefon mit anderen Müttern und Vätern aus ihrer Facebook-Gruppe „Alleinerziehend in Karlsruhe und Umgebung“.
Kontakt zum Eltern-Stresstelefon des Kinderschutzbunds gibt es unter der Rufnummer (07 21) 84 22 08 .