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Sinkende Anzahl an Fahrgästen

Der Landkreis Karlsruhe steuert trotz Verlusten im ÖPNV weiter seine Zukunftsprojekte an

Die Fahrgastzahlen und Ticketverkäufe im ÖPNV sind drastisch zurückgegangen, das spüren auch die Karlsruher Verkehrsbetriebe sowie die Albtal-Verkehrs-Gesellschaft. Damit fehlt den Unternehmen Geld. Der Landkreis Karlsruhe muss hier einspringen. Geplante Projekte sollen aber keinen Spar-Maßnahmen zum Opfer fallen.

Noch wendet die S2 an dieser Stelle: Der Landkreis Karlsruhe plant unter anderem, die S-Bahn ab Spöck weiter bis nach Bruchsal auszubauen und hier eine neue Verbindung zu schaffen.
Noch wendet die S2 an dieser Stelle: Die S-Bahn ab Spöck soll weiter bis nach Bruchsal und darüber hinausfahren. So lautet die alte Idee der S2-Verlängerung, die jetzt nochmals neu zum Zuge kommen soll. Foto: Rake Hora

Wo sich vor einigen Monaten noch Schüler und Berufstätige gequetscht haben, sind jetzt reihenweise Sitze frei. Die Nutzung von Bus und Bahn hat die vergangenen Wochen stark nachgelassen – durch Home Office, Schulschließungen oder den Lock Down. „Die Corona-Krise hat sich bei den Fahrgastzahlen sehr stark bemerkbar gemacht“, teilt Sarah Fricke, Sprecherin des Karlsruher Verkehrsverbundes (KVV), mit. Ende März bis Ende April waren lediglich noch 15 bis 20 Prozent der gewohnten Massen an Kunden übrig.

Das hat auch finanzielle Auswirkungen, nicht nur auf die Verkehrsunternehmen selbst, sondern auch die Gesellschafter wie der Landkreis Karlsruhe. Dabei hat sich gerade dieser den Ausbau des ÖPNV auf die Fahne geschrieben. Die Botschaft aus dem Landratsamt ist dennoch deutlich: „Der ÖPNV soll auch künftig weiter an Bedeutung gewinnen“, sagt Landrat Christoph Schnaudigel.

Projekte sollen weiter umgesetzt werden

Der Rückgang der Fahrgastzahlen werde auch den Landkreis Karlsruhe Geld kosten, kündigt Schnaudigel an: „2020 werden Verluste entstehen.“ Diese seien vom Aufgabenträger auszugleichen – dazu zählen neben dem Landkreis Karlsruhe auch der Landkreis Rastatt sowie die Stadtkreise Karlsruhe und Baden-Baden. „Wir haben nicht den politischen Willen dazu, ÖPNV-Projekte auf Eis zu legen“, sagt Schnaudigel.

Sonst würde es auch keinen Sinn machen, die Strukturen jetzt mit viel Geld aufrechtzuerhalten.
Christoph Schnaudigel, Landrat des Landkreises Karlsruhe

Auch wenn die Corona-Krise sicherlich nicht in einem Monat vorbei sei: „Im ÖPNV müssen wir langfristig denken. Er wird nicht unwichtiger werden.“ Deshalb arbeite man auch weiter an der Realisierung geplanter Projekte. „Sonst würde es auch keinen Sinn machen, die Strukturen jetzt mit viel Geld aufrechtzuerhalten“, so Schnaudigel.

Alte Bahnstrecken könnten reaktiviert werden

Kreisweit stehen im ÖPNV zukunftsweisende Vorhaben an – die naturgemäß mit Investitionen in Millionen-Höhe verbunden sind. Zuletzt diskutierte der Kreistag etwa über eine Veränderung der bestehenden Tarifstrukturen hin zur „Home Zone“. Zudem sollen stillgelegte Bahnstrecken, wie etwa zwischen Linkenheim-Hochstetten und Graben-Neudorf sowie zwischen Ettlingen-West und Ettlingen-Erbprinz, reaktiviert werden. Damit will der Kreis mehr Kapazitäten und neue Verbindungen schaffen.

Neues Leben für alte Spuren: Dazu sollen ehemalige Bahnstrecken, wie hier zwischen Graben-Neudorf und Linkenheim Hochstetten, reaktiviert werden.
Neues Leben für alte Spuren: Dazu sollen ehemalige Bahnstrecken, wie hier zwischen Graben-Neudorf und Linkenheim Hochstetten, reaktiviert werden. Foto: Gamer

Auf dem Plan steht auch die Einschleifung der S31/S32 in das Straßenbahnnetz der Stadt Karlsruhe. So würde diese direkt in der Innenstadt halten. Die Linie S2 rückt ebenfalls in den Fokus: Sie soll künftig von Stutensee-Spöck weiter bis nach Bruchsal führen. Bei der S4 beteiligt sich der Kreis am Ausbau der Strecke zwischen Heilbronn und Karlsruhe.

Bis 2022 müssen zudem alle Haltestellen barrierefrei ausgebaut sein: Davon sind im Landkreis 121 Schienen- und 1.057 Bushaltepunkte betroffen. Zwar trägt der Kreis hier nur anteilig Kosten, die er sich etwa mit der Deutschen Bahn oder den Kommunen teilt. Die Rede war dennoch von einigen Millionen Euro.

Einzeltickets fallen bei den Einnahmen weg

Der Verlust der Fahrgäste sei aber nicht äquivalent mit dem der Einnahmen, erklärt KVV-Sprecherin Fricke. Die Einnahmen aus den Einzeltickets machen nur rund 30 Prozent des Gesamtumsatzes aus. Dennoch Geld, das fehle, so Fricke. Der Großteil stamme etwa aus den Abos. Doch auch dort gab es die ein oder andere Abbestellung von Kunden, wenn auch die meisten ihre Karten behalten hätten. Beim KVV liege der Anteil der Fahrgäste mit Abo bei rund 70 Prozent.

Dadurch fehlen dem KVV seit Beginn der Krise rund fünf Millionen Euro an Fahrgeldeinnahmen pro Monat.
Sarah Fricke, KVV-Sprecherin

Seit Ende April steigen die Zahlen wieder. „Aktuell liegen wir bei rund 40 Prozent der Fahrgäste bei der Albtal-Verkehrs-Gesellschaft und knapp 35 Prozent bei den Verkehrsbetrieben Karlsruhe“, teilt sie mit. Nahezu komplett weggebrochen ist zuvor im März und April der Barticket-Verkauf – sprich Einzelfahrscheine, Tagestickets und Monatskarten. „Dadurch fehlen dem KVV mit seinen 21 Verkehrsunternehmen seit Beginn der Krise rund fünf Millionen Euro an Fahrgeldeinnahmen pro Monat“, so Fricke.

Fehlende Schüler belasten Busunternehmen

Besonders stark treffe es die kleinen Busunternehmen, die vom Schülerverkehr leben. Die meisten hätten zwar eine ScoolCard, aber längst nicht alle Schüler. „Der Einzelfahrkarten-Verkauf ist hier fast komplett eingebrochen“, ergänzt sie. Um die Verluste ausgleichen zu können, benötigten die Verkehrsunternehmen schnellstmöglich finanzielle Unterstützung durch die Regierung.

Die soll es auch gegen, wie das Land am Mittwoch verkündete: Neben dem 36-Millionen-Euro-Paket zur zeitweisen Erstattung der ScoolCard folgen weitere 240 Millionen Euro, die als Rettungsschirm für den ÖPNV und die Busunternehmen dienen sollen.

Verkehrspolitik stärkt den ÖPNV weiter

Bis die geplanten Projekte im Landkreis Karlsruhe in Baubeschlüsse umgewandelt würden und Geld kosten, vergehe noch Zeit, so Landrat Schnaudigel. „Verkehrspolitisch wäre es eine Fehleinschätzung, diese Projekte auf die lange Bank zu schieben. Schließlich dauern diese ja sowieso schon immer lange.“ Dennoch müsse man, wenn es soweit ist, die Einzelfälle bewerten. Letztlich hingen die konkreten Baubeschlüsse auch von der Förderung ab, erklärt Schnaudigel.

Wir sollten nicht gegen diese Krise ansparen.
Christoph Schnaudigel, Landrat des Landkreises Karlsruhe

Rettungsschirme von Bund und Land seien zudem ein Zeichen, das darin bestärke, den ÖPNV weiter auszubauen. „Wir sollten nicht gegen diese Krise ansparen“, betont Schnaudigel grundsätzlich seinen Kurs im Kreis. „Das wäre ein falsches Signal.“ Schließlich handle es sich nicht um eine strukturelle, sondern um eine ganzheitliche Krise, die alle Bereiche betreffe. „Sie wird irgendwann ein Ende haben.“

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