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Keine Dauerlösung

Kellner finden während der Corona-Pandemie Ausweichjobs: Sie helfen jetzt auf den Spargelfeldern

Die Not bei den Landwirten ist groß, nachdem die meisten osteuropäischen Erntehelfer wegen der Corona-Pandemie nicht mehr einreisen dürfen. Vereinzelt springen schon deutsche Kurzarbeiter ein, doch der Verband der Spargel- und Erdbeeranbauer fürchtet, dass Tonnen von Gemüse und Obst auf den Feldern "verrotten".

Wer sticht in dieser Saison den Spargel? Die Frage ist noch brisanter geworden, nachdem die Bundesregierung einen Einreisestopp für fast alle osteuropäischen Erntehelfer verhängt hat.
Wer sticht in dieser Saison den Spargel? Die Frage ist noch brisanter geworden, nachdem die Bundesregierung einen Einreisestopp für fast alle osteuropäischen Erntehelfer verhängt hat. Foto: Foto: Arnold/dpa

Nachdem die Bundesregierung für fast alle osteuropäischen Erntehelfer einen Einreise-Stopp wegen der Corona-Krise verhängt hat, ist eine rege Debatte über das Verbot und die Folgen entbrannt.

Es sei „in keiner Weise nachvollziehbar“, dass der Bund Pflegekräfte einreisen lasse, aber Erntehelfer nicht, erklärte der baden-württembergische Agrarminister Peter Hauk (CDU). „Wenn, dann brauchen wir gleiche Regeln für alle.“ Nur Polen können bislang noch einreisen.

Kurzarbeiter, Arbeitslose, Flüchtlinge und Studenten rücken nun in den Fokus. Bauernverbände und Politiker verschiedener Couleur fordern, Beschäftigungsverbote, Sozialabgaben und Zuverdienstgrenzen zu kippen, damit genügend Menschen aus diesen Gruppen gerne als Erntehelfer einspringen.

Es werden tonnenweise Gemüse
und Obst auf den Feldern verrottenSimon Schumacher vom Verband Süddeutscher Spargel- und Erdbeeranbauer

und Obst auf den Feldern verrotten

Nachdem die Bundesregierung die Grenzen nun für fast alle osteuropäischen Erntehelfer geschlossen hat, befänden sich die Bauern in einer bisher unvorstellbaren Notlage. „Mit Freiwilligen können wir das nicht auffangen.“

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Der Verbandssprecher verweist auf die neue Internet-Jobbörse www.daslandhilft.de , die von Bauern und Bund unterstützt wird. Dort haben sich innerhalb von drei Tagen rund 16.000 Arbeitswillige als Ersatz-Erntehelfer angeboten: „In ganz Deutschland sind aber normalerweise 160.000 bis 180.000 Erntehelfer im Einsatz.“

Die Politik müsse nun nachlegen, um zumindest das Allerschlimmste zu vermeiden, fordert der VSSE-Sprecher. „Man müsste die Leute jetzt sozialversicherungsfrei auf den Feldern beschäftigen können.“

Brutto-Stundenlohn von 9,35 Euro

Auf eine solch rasche Lösung hofft auch der Iffezheimer Spargelhof-Betreiber Stefan Schneider. Auf seinen Feldern ackern bereits die ersten zwölf Neulinge. „Das sind alles Deutsche, alles junge Leute - in erster Linie kommen sie aus der Gastronomie“, berichtet Schneider.

Kellner und Köche seien darunter, auch Verkäufer böten vermehrt Hilfe an. „Viele junge Familien haben ihr Gehalt voll verplant. Mit dem Kurzarbeitergeld kommen die nicht über die Runden“, sagt er.

Bis zur Höhe ihres früheren Gehaltes dürfen Kurzarbeiter dazuverdienen, aber Sozialabgaben seien für deutsche Arbeitskräfte fällig, klagt Schneider.

„Von den 9,35 Euro Stundenlohn kann man rund zwei Euro abziehen“, rechnet er vor, „und für mich kommen die Sozialversicherungsbeiträge noch zum Stundenlohn obendrauf.“ Wenn allerdings die 9,35 Euro Mindestlohn netto in den Taschen der neuen Erntehelfer blieben, dann sei er „zuversichtlich, dass wir die Saison durchkriegen“, meint der Spargelbauer.

Kurzarbeiter "sehr motiviert und lernfähig"

Ob deutsche Arbeitskräfte die harte Feldarbeit überhaupt durchhalten – und ob sie das nötige Geschick mitbringen, darüber wird oft diskutiert. „Wer das Spargelstechen nicht beherrscht, der tötet die Pflanze“, warnt VSSE-Sprecher Schumacher.

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Die Sorge plagt Schneider nicht so sehr. „Diese Leute sind das Arbeiten gewöhnt, sie sind sehr motiviert und lernfähig“, meint der Spargelbauer. „Und im Moment ernten wir junge Pflanzen, da kann nicht so viel passieren, weil die weiter unten sitzen.“

Von den rund 35 Osteuropäern, die Schneider normalerweise bei der Ernte helfen, sind nur drei Polen in Iffezheim angekommen. Verbandssprecher Schumacher rät: Die „Profis“ aus dem Osten könnten sich aufs Spargelstechen konzentrieren, die neuen Aushilfen bei anderen Arbeiten wie Sortieren, Lüften und Verkaufen helfen.

Plantagenbesitzer verzichten auf Folie - um Zeit zu gewinnen

Die Plantagenbesitzer versuchen auch, Zeit für ihre Spargel- und Erdbeerkulturen zu gewinnen. „Wir setzen keine Folien ein“, sagt Bernhard Koffler-Haitz aus Durmersheim. „Wir haben vor einigen Wochen gesagt: Wir verfrühen nicht, sondern produzieren mit der Natur.“

Ähnlich hält es Wolfgang Böser aus Forst. „Wir legen höchstens weiße Folien auf“, sagt er – damit die Sonnenstrahlen nicht angezogen, sondern reflektiert werden und der Spargel langsamer wächst.

Unsere rumänischen Helfer
kamen mit dem letzten Flieger rausWolfgang Böser, Spargelanbauer aus Forst

Ihre Mannschaften für die Frühsaison sind bei beiden Erdbeer- und Spargelhöfen gerade noch rechtzeitig eingetroffen. „Unsere rumänischen Helfer sind mit dem letzten Flieger raus, der von dem Flughafen dort starten durfte“, erzählt Böser. Spannend wird es, wenn die Ernte auf Hochtouren läuft.

Beim Spargel ist das in rund drei Wochen, bei den Erdbeeren in sechs bis acht Wochen der Fall. „Wir hoffen, dass bis dahin die Regelungen gelockert werden“, sagt der Leiter der Erdbeerplantagen Koffler.

Nachtschicht wegen Nachtfrost

Die letzten Nächte hat er draußen auf den Feldern verbracht: Wegen des Nachtfrosts mussten die Erdbeeren beregnet werden, damit sich ein schützender Mantel um die Blüten bildet.

Der viele Frühjahrsregen hat zudem den Boden verdichtet – die Helfer müssen mit der Hacke los, um den Pflanzenwurzeln mehr Luft zu verschaffen. „Dieses Jahr kommt alles zusammen“, sagt Koffler-Haitz. Hoffnungslos sei er aber nicht. Täglich rufen deutsche Jobsuchende bei ihm und den Kollegen an: „Wir sammeln alle Telefonnummern.“

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